Man kann es so sagen: Psychische Störung ist, wenn die Chemie in Nervenzellen (Neuronen) des Gehirns nicht richtig tickt. Neuronen funktionieren wie normale Zellen, mit einer kleinen Ausnahme: Sie haben Synapsen, die über biochemische Botenstoffe (Neurotransmitter) miteinander kommunizieren. Diese (Endorphine und Stresshormone) steuern unser Verhalten indem sie Stimmungen erzeugen – Angst, Aggressivität, Glückgefühle, Hunger, Niedergeschlagenheit etc.
Doch das geht auch umgekehrt: Stimmungen, Stress, Ärger, Verliebtheit, Erfolgserlebnisse etc. erzeugen Neurotransmitter und steuern die chemischen Reaktionen im Gehirn. Weitere wichtige Einflussfaktoren sind Bewegung, Kälte, Wärme, Sonne und natürlich die Ernährung. Sie liefert oder verweigert den Zellen die nötigen Stoffe, welche die biochemischen Reaktionen überhaupt erst in Gang setzen.
Ernährung und Psyche
Das wiederum bedeutet, dass psychische Störungen auch durch Ernährung (mit)verursacht werden können, und dass Nahrungsergänzungsmitteln helfen oder heilen. Der Zusammenhang von Ernährung und Psyche wird deshalb oft unterschätzt, weil psychische Störungen meist durch chronischen Stress, berufliche Überlastung, Tod enger Angehöriger, Schwangerschaft und Geburt etc. ausgelöst werden. Oft aber hat eine fehlerhafte Ernährung das Terrain vorbereitet.
Fehler Nummer 1 sind Zucker und Teigwaren. Dadurch gerät schnell viel Zucker ins Blut, das durch Insulin wieder eingesammelt (bzw. in die Fettzellen transportiert wird). Die nachfolgende Unterzuckerung ruft Kortisol auf den Plan, das dann fehlt, wenn es darum geht, echten Stress zu bewältigen. «Viele Patienten in unserer Klinik wurden allein durch den Verzicht auf Zucker und Mehlspeisen in wenigen Tagen von ihrer Launenhaftigkeit befreit», scheibt Julia Ross in ihrem Buch «Was die Seele essen will».
Fisch hilft gegen Depressionen
Der zweitwichtige Ernährungsfehler ist ein Überfluss an Omega-6- und ein Mangel an Omega-3-Fetten und insbesondere DHA. Omega-3 findet man vor allem in fettem Fisch, Fischöl, im Fleisch und in der Milch mit Gras gefütterter Kühe und Rinder und in Bio-Eiern. Omega-6 ist vor allen in Margarine und in pflanzliche Ölen (Maiskeim, Soja, Raps, Sonnenblumen, Erdnuss, Sesam usw.) Früher enthielt unserer Nahrung etwa gleich viel Omega-3 und Omega-6. Seit Rinder, Schweine und Hühner vor allem mit Mais und Soja gefüttert werden und seit die Nahrungsmittelindustrie die Pflanzenfette auf de Markt geworden hat, konsumiert der Durchschnittsbürger zehn bis 20 mal mehr Omega-6-Fette.
Das ist für unsere Psyche deshalb verheerend, weil Omega-3- Fette und insbesondere DHA Baustoff der (Nerven-)Zellen sind, und für die nötige Flexibilität und Durchlässigkeit sorgen. Ist davon zu wenig da, werden die Gehirnzellen stattdessen mit minderwertigem (Omega-6) Baustoff gebaut. Das führt unter anderem zu Depressionen, Aufmerksamkeitsstörungen und zu Demenzkrankheiten wie Alzheimer.
Eiweiss gegen Stimmungstief
Sehr wichtig sind drittens auch die Eiweisse und zwar nicht zuletzt darum, weil die wichtigsten Neurotransmittter, die Endorphine oder Glückhormone aus Peptiden (Bestandteile von Eiweiss) bestehen. Ein knappes Gramm Eiweiss pro Kilo Körpergewicht reicht. Kurzfristig kann eine «Überdosis» mithelfen, ein Stimmungstief zu überwinden. Wichtig ist, dass alle essentiellen Eiweisse dabei sind, was bei einer vegetarischen Kost oft nicht der Fall ist . Nicht empfehlenswert sind Soja-Eiweisse (mit Ausnahme von Miso).
Die vierte Grundregel der Ernährung bei psychischen Störungen heisst: Nie systematisch hungern. Chronische Kaloriendefizite schlagen auf die Stimmung und erhöhen den ehn schon überstrapazierten Kortisolbedarf . Auch intermittierendes Fasten, also z.B. Frühstück auslassen, kann kontraproduktiv sein, wenn man dabei den Hunger zu lange unterdrücken muss.
Vitamin-Präparate
So weit die Grundregeln der Ernährung. Nun zu den Ergänzungsmitteln. An erster Stellen stehen die «Klassiker» - Vitamin D, Magnesium, Bioflavonoide (etwa Traubenkernextrakt) und Vitamin C. Davon kriegt man auch bei einer gesunden Ernährung zu wenig ab. Vor allem bei Magnesium und Vitamin D ist die positive Wirkung bei psychischen Störungen bestens dokumentiert. (Noch besser als Vitamin-D- Präparate ist Sonne) Robert Franz empfiehlt zusätzlich noch Heideblütentee und Leinöl.
Sehr wichtig ist auch Vitamin B, vor allem Vitamin B12. Es spielt bei vielen Stoffwechselvorgängen im Gehirn eine Rolle, etwa beim Aufbau der Myelinschicht, es ist wichtig für die Energieproduktion in den Mitochondrien, hilft bei der Entgiftung etc. Bei manischen Störungen ist ein Vitamin-B- Präparat im Zweifelsfall besser als Eiweiss-Stoffe. Eine gute Übersicht findet man hier. Vitamin B wird besonders gut über die Schleimhaut des Mundes aufgenommen.
Ein ganz heisser Tipp ist auch Lithium Orotat – nicht zu verwechseln mit Lithium-Carbonat, das von Psychiatern in Dosen von vielen Hundert Milligramm erfolgreich bei bipolaren Störungen verschrieben wird. Lithium Orotat durchdringt die Gehirn-Blutschranke und wirkt deshalb schon in kleinsten, völlig ungiften Mengen. 0,4 Milligramm täglich brachten gemäss dieser Studie nach nur vier Wochen deutliche Stimmungsaufhellung und Stabilisierung. In einer Studie mit Patienten mit bipolaren Störungen vergrösserte sich die Grosshirnrinde innerhalb von nur vier Wochen um drei Prozent. Schrumpfungen der Gehirnmasse sind typisch für bipolare und andere Störungen.
Gut für Psyche und Körper
All die bisher genannten Zusatzstoffe kommen in der Nahrung meist zu wenig vor, kosten wenig Geld und helfen dem Körper die Zellen zu reparieren und die nötigen Neurotransmitter selbst herzustellen. Dabei bleibt es unser Körperintelligenz überlassen, was sie damit macht. Selbst wenn es der Psyche wenig helfen sollte, ist es doch gut für die körperliche Gesundheit.
Mit den etwas teureren Aminosäuren-Präparten wie etwa Tyrosin (für die Schilddrüsenhormone), Tryptophan oder 5HTP (Baustoffe von Serotonin) greifen wir etwas direkter in den Hormonhaushalt ein – womöglich am falschen Ort, oder wir haben eh schon genug davon. Allgemeine Ratschläge zu geben, ist deshalb schwierig. Wer mehr dazu wissen will, sollte den Arzt oder Psychotherapeuten fragen oder das Buch von Julia Ross lesen.