Auf die Telomere kommt es an
So bleiben Sie lange jung und gesund

Die Telomere entscheiden darüber, wie oft sich Zellen teilen – und wie lange wir leben. Grund genug, sie liebevoll zu pflegen.
Publiziert: 26.05.2017 um 18:53 Uhr
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Aktualisiert: 17.07.2020 um 17:32 Uhr
Zwölf Minuten pro Tag für ein junges und gesundes Leben.
Foto: Thinkstock
Werner Vontobel

Zunächst gilt es, ein Missverständnis zu klären: Regelmässige Leser dieser Rubrik haben hier oder hier schon gelesen, dass es auf die Mitochondrien ankomme. Warum jetzt also plötzlich die Telomere? Nun beides sind wichtige Teile unserer Zellen. Die Mitochondrien sind gleichsam die Kraftwerke.

Was sind Telomere?

Die Telomere sind kleine Anhängsel an unseren Chromosomen. Sie enthalten die Informationen, die für die Zellteilung nötig sind. Je kürzer die Telomere, desto kürzer die Lebenserwartung, desto älter sehen wir und unsere Organe aus. Praktisch alle Gebresten und Krankheiten – Herz- Lunge, Knochen, Alzheimer etc. gehen mit verkürzten Telomeren einher. Der Schwund der Telomere kann auf Dauer nicht gestoppt, aber verlangsamt werden. Die auf Telomere spezialisierten Zellbiologen haben inzwischen eine ziemlich gute Vorstellung davon, wie wir das bewerkstelligen können.

Wie Ihre Telomere Ihr Leben verlängern

Das Wesentliche kann man in einem eben erschienen Buch von zwei Frauen nachlesen: Elisabeth Blackburn hat 2009 für ihre Telomer-Forschung den Nobelpreis für Medizin erhalten. Elissa Epel ist Professorin für Psychiatrie an der University of California. Nach der Lektüre ist klar: Was die Telomere verlängert, tut grosse modo auch den Mitochondrien gut- und umgekehrt. So ist zum Beispiel Zucker schlecht und Omega-3- Fette gut für die Telomere. Punkto Fitness hat ein Ausdauertraining im stressfreien Bereich in etwa genau so positive Wirkungen auf die Telomere wie heftige, aber kurze Anstrengungen(HIT-Training). Reines Krafttraining hingegen bringt den Telomeren weniger als den Mitochondrien. Am besten ist ein Mix aus allem.

Doch der Hauptakzent des Buches liegt in der Erkenntnis, dass die Telomere ständig unsere Gedanken lesen und dass ihre Länge entscheidend davon abhängt, wie viel Stress wir haben und wie gut wir ihn bewältigen. Bei der Stressbewältigung hilft Sport und gesunde Ernährung (siehe oben), aber mindestens so wirksam sind Übungen und Psychotricks, mit denen Epel und Blackburn gestressten Müttern mit pflegebedürftigen Angehörigen geholfen haben, ihre verkürzten Telomere wieder zu verlängern.

Bessere Lebensqualität durch Stressreduktion

Da ist zum Beispiel die achtsamkeitsbasierte Stressreduktion. Sie beruht darauf, sich voll auf das zu konzentrieren, was man gerade tut. Das kann bei einer Meditation die Atmung sein, oder ein Körperscan, bei dem man die Aufmerksamkeit erst auf die Füsse, auf die Waden, Knie, Oberschenkel etc. lenkt. Doch auch konzentriertes Gehen, Joggen, Essen oder Tanzen erhöht dauerhaft die Fähigkeit, Stress zu bewältigen. Dazu braucht es noch nicht einmal lange Meditationssitzungen: Schon 30 Sekunden Meditation in der Warteschlage, weitere 30 im Stau und volle Konzentration beim Spaziergang bringen uns auf einen höheren Level.

Yoga hilft auch. Die beiden Autorinnen leiteten pflegende Angehörige an, zwei Monate lang täglich (nur) zwölf Minuten die aus dem Kirtan Kriya Yoga stammende Sa-Ta- Na-Ma- Meditation zu praktizieren. Kinderleicht: Hinsetzen, Sa-Ta- Na-Ma singen und dabei mit dem Daumen auf Sa den Zeige- auf Ta den Mittel-, auf Na den Ringfinger und auf Ma den kleinen Finger berühren. Das sieht zwar arg gurumässig aus (siehe hier und hier), wirkt aber extrem stimmungssteigernd – und wird von unseren zwei bestandenen Professorinnen wärmstens empfohlen. Sie haben gemessen, dass die Übung den Telomerase-Spiegel um 43 (!) Prozent erhöht und die Entzündungswerte stark senkt. Bei einer Kontrollgruppe, die sich zwölf Minuten lang mit Musik entspannte, verlängerten sich die Telomere bloss (aber immerhin) um 3,7 Prozent.

Die Bedeutung der Telomere für Psycho

Sehr hilfreich sind auch die Tipps für chronische Grübler und Sorgenwälzer (mindestens die Hälfte der Menschheit). Auch das ist nicht kompliziert: Man darf seine trüben Gedanken nicht willentlich unterdrücken. Das macht alles nur noch stressiger. Stattdessen soll man sich beim Grübeln liebevoll selbst über die Schulter schauen. «Siehe da, jetzt wälze ich wieder meine Sorgen.» Achtsamkeit zieht den Sorgen sozusagen den Stachel, denn sie belasten uns vor allem dann, wenn wir uns darüber aufregen, dass wir schon wieder am Grübeln sind. Wenn «es» im Kopf wieder mal zu viel denkt, kann man den Schaden auch dadurch begrenzen, dass man ein (anderes) Problem wälzt, von dem man glaubt, dass man es in den Griff kriegen wird.

Entscheidend ist, dass man die pessimistische Grundstimmung durchbricht. Studien zeigen, dass Pessimisten deutlich kürzere Telomere haben als Optimisten. Der Grund dafür dürfte darin liegen, dass Pessimismus als anhaltende Bedrohungssituation empfunden wird, was den Kortisolspiegel dauerhaft erhöht und zu chronischen Entzündungen führt, die auch die Telomere in Mitleidenschaft ziehen. Dagegen helfen Sport, Achtsamkeit und – vor allem – regelmässige kurze Dankbarkeitsmeditation. Das kann auch ein stummes Dankesgebet vor jeder Mahlzeit sein.

Und noch ein kleiner Tipp am Rande. Zur biologischen Stressreduktion dienen auch Curcumin (enthalten im Curry-Gewürz Kurkuma) und Aswanghanda. Curcumin soll übrigens in normalen Zellen die Telomere verlängern, während es gleichzeitig bei Krebszellen die Zellteilung bremst. Beide Präparate wirken zudem entzündungshemmend, was via weniger Cortisol den Stress abbaut.

Was hilft am meisten?

Doch was hilft nun am meisten? Von allen Tipps, die in diesem Buch vorgestellt werden, bringt Sa-Ta-Na-Me-Song eindeutig die grösste Verlängerung der Telomere pro eingesetzte Zeiteinheit. Plus 43 Prozent mit nur zwölf Minuten täglich – das müsste man eigentlich mal ausgetestet haben. Doch damit es wirklich wirkt, muss man daraus eine Gewohnheit machen.

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