Das öffentliche Leben steht fast still, die Schulen sind geschlossen, und täglich gibts zig Meldungen von neu Erkrankten – das erlebte die Schweiz schon einmal. 1918 brach die Spanische Grippe über Nacht herein und kostete in weniger als eineinhalb Jahren weltweit über 50 Millionen Menschen das Leben – mehr als der Erste Weltkrieg und etwa gleich viel wie der Zweite.
Auslöser war der Erste Weltkrieg. US-Soldaten brachten das Influenzavirus zu den Schlachtfeldern Frankreichs. Von dort breitete es sich aus und kam über die Grenze in die Schweiz, so vermutet die Forschung. Hier traf es im Frühling 1918 auf eine von Krieg, Armut, Hunger und politischen Krisen ausgezehrte Bevölkerung. Die Spanische Grippe befiel jeden zweiten und brachte innert eines Jahres 25'000 Bewohnern den Tod.
Vor allem in den Städten starben die Menschen
Gefährdet waren vor allem die Jungen, die Kräftigen, die Männer. Bis heute gibt dies Rätsel auf: Eine Grippe bedroht sonst oft die Älteren, die Kranken – so wie nun auch das Coronavirus.
Am stärksten litten die Menschen in den Bergkantonen Obwalden, Uri und Wallis. Wohl, weil die medizinische Versorgung dort schlechter war als in der Stadt. Eine weitere These, die paradox erscheint, aber aus damaligen Beobachtungen hervorgeht: Ein gute Nahrungsmittelversorgung machte die Menschen anfälliger. Patrick Kury (58), Professor für Geschichte an der Universität Luzern, sagt: «Auf dem Land waren die Menschen besser genährt als in der Stadt.»
Im Rückblick lief vieles schief, sagt Kury. «Der Staat regierte viel zu spät.» Vielleicht, weil die Krieg führenden Länder USA, Deutschland und Frankreich die rätselhaften Todesfälle zwar schon früher bemerkt hatten, aber alle Berichte darüber zensurierten. Nur im neutralen Spanien durften die Zeitungen über die Krankheitsfälle schreiben, so konnte man das Virus mitsamt Namen den Spaniern unterschieben – obwohl es gar nicht dort entstanden war, sondern in den USA.
Behörden spielten die Gefahr herunter
Vielleicht lag die späte Reaktion aber auch daran, dass es zuerst nur die Soldaten an der Front und die Westschweiz befiel. Noch im Sommer beschwichtigten die Behörden das Volk, wie ein Auszug aus den «Glarner Nachrichten» vom 4. Juli zeigt: «Die spanische Krankheit verläuft nach den sorgfältigen Feststellungen des eidg. Gesundheitsamtes in etwa vier Tagen, sie beginnt mit Kopfweh und relativ hohem Fieber, die langsam wieder abflauen.»
Kein Wort über jene, die mit einem schweren Verlauf kämpften: Eine schwere Lungenentzündung schnitt den Patienten buchstäblich den Atem ab, Lippen und Haut liefen blau an, bis sie schliesslich an ihrem eigenen Auswurf erstickten. Die Ärzte waren machtlos. Antibiotika wie Penicillin gab es erst viel später.
Was die Krise verschärfte: «Die Behörden handelten unkoordiniert», sagt Kury. Die meisten Kantone schlossen Schulen und erliessen ein Versammlungsverbot. In manchen Dörfern strich man auch die Gottesdienste. In anderen durfte man zwar noch zur Kirche, aber nicht singen. Bern verbot alle Veranstaltungen, Basel wollte davon nichts wissen.
Wut führte zum Landesstreik
Den Preis für die willkürlichen Massnahmen zahlte die Bevölkerung. Im Herbst erfasste eine zweite Krankheitswelle das Land, noch viel heftiger als die erste. «Innerhalb der ärmeren Bevölkerungsschicht stieg die Wut auf die Behörden und ihr zögerliches Handeln», sagt der Historiker Kury. Jeder Fünfte überlebte nur dank der Notversorgung durch Hilfsorganisationen.
Viele hatten nichts mehr zu verlieren. Und so rief das Oltener Aktionskomitee den Landesstreik aus, in den Tagen um den am 12. November folgten 250'000 Arbeiterinnen und Arbeiter dem Ruf. Ihnen standen 120'000 Soldaten der Schweizer Armee gegenüber. Alles inmitten der grössten Gesundheitskrise der Schweiz. «Den Menschen ging es wirtschaftlich so schlecht, dass sie trotz der Gefahr, sich anzustecken, auf die Strasse gingen», sagt Kury.
Heute sind die Bedingungen ganz anders. Universitäten auf der ganzen Welt forschen nach einem Impfstoff. Sogar China, das die Epidemie anfangs vertuschte, arbeitet nun mit der Weltgesundheitsorganisation zusammen. All das stimmt Historiker Patrick Kury zuversichtlich: «Wegen der internationalen Zusammenarbeit stehen die Chancen heute besser, die Krise ohne schwerwiegende Schäden zu überstehen.»
Spanisch
Ein Vergleich, der hundert Jahre später unglaublich klingt: Die US-Armee verlor durch die Spanische Grippe schätzungsweise gleich viele Infanterie-Soldaten wie durch die gesamten Kampfhandlungen des Ersten Weltkriegs. Die Influenza verbreitete sich in den Jahren 1918 bis 1920. Die Zahl der Todesopfer ist umstritten: Neuste Untersuchungen gehen von 50 Millionen aus, womit sie die schlimmste Pandemie aller Zeiten ist. Ihren Namen trägt die Krankheit, weil in Spanien erstmals über sie berichtet wurde. Allerdings gehen viele Experten davon aus, dass sie sich zunächst in den USA auszubreiten begann.
Russisch
Zwei Grippe-Pandemien in den Jahren 1889 und 1977 hatten ihren Ursprung in Russland. Beim ersten Ausbruch starben rund eine Million Menschen, darunter die jungen Prinzen Albert Victor von Grossbritannien (†28) und Baudoin von Belgien (†21).
Schweinisch
Mehr als acht Jahre ist es her, dass die Weltgesundheitsorganisation die höchste Pandemie-Warnstufe ausrief. Der Grund: die Schweinegrippe. 18 849 Menschen verloren wegen ihr das Leben. Zu reden gab auch der Name. Der stellevertretende israelische Gesundheitsminister bezeichnete ihn als Beleidigung für Juden und Muslime. Schweine gelten in diesen Religionen als unrein.
Spanisch
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Russisch
Zwei Grippe-Pandemien in den Jahren 1889 und 1977 hatten ihren Ursprung in Russland. Beim ersten Ausbruch starben rund eine Million Menschen, darunter die jungen Prinzen Albert Victor von Grossbritannien (†28) und Baudoin von Belgien (†21).
Schweinisch
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Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.
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Gerade in der Grippesaison kann man selber nur schwer einschätzen, ob man am Coronavirus erkrankt ist oder ob man einfach eine gewöhnliche Grippe hat. Die Unterschiede sind fein, aber es gibt sie. Blick klärt auf.
Gerade in der Grippesaison kann man selber nur schwer einschätzen, ob man am Coronavirus erkrankt ist oder ob man einfach eine gewöhnliche Grippe hat. Die Unterschiede sind fein, aber es gibt sie. Blick klärt auf.