Wenn man Katrin Kreuels (36) aus Stein AR begegnet, merkt man erst auf den zweiten Blick, dass sie keine Haare auf dem Kopf hat. Vielmehr erweckt sie den Anschein einer extrem modebewussten Frau, die neben Schmuck und trendigem Pullover halt noch ein Accessoire auf dem Kopf trägt.
Im Alter von 16 Jahren begannen Kreuels’ Haare auszufallen. Grund dafür ist die Krankheit Alopecia areata, auch «kreisrunder Haarausfall» genannt. Seit fünf Jahren trägt Kreuels eine Vollglatze.
«Perücken fühlen sich für mich fremd an»
Haarausfall bei Frauen kann verschiedene Ursachen haben. Genau wie beim Mann kann er erblich bedingt sein, von Medikamenten herrühren oder durch Stress verursacht sein. Der «kreisrunde Haarausfall», an dem Kreuels leidet, ist eine noch relativ schlecht erforschte Art des Haarausfalls. Er tritt bei beiden Geschlechtern auf und betrifft rund 1,7 Prozent der Bevölkerung.
Männer wie auch Frauen, die von Haarausfall betroffen sind, leiden oft stark darunter. Vor allem Frauen sind dabei zusätzlich dem Stigma ausgesetzt, nicht dem gängigen Schönheitsideal zu entsprechen.
Kopfbedeckungen sind darum bei den «Alopecianern», wie Betroffene sich liebevoll selbst bezeichnen, ein grosses Thema. Gute Ware sei mitunter schwer zu finden, erzählt Kreuels aus eigener Erfahrung. Perücken möchte sie nicht tragen. «Das fühlt sich für mich fremd an.»
Weil sie sich mit ihrer Krankheit nicht mehr alleine fühlen wollte, gründete sie 2017 gemeinsam mit Romina Rausch (31) die Kopfrausch GmbH. Der Laden in Herisau bietet allerlei Kopfbedeckungen, Mützen, Hüte oder Kappen an – aber auch Pflegeprodukte und künstliche Wimpern. Alles, was das Herz von Betroffenen von Haarausfall begehrt – und das nicht nur auf dem Kopf.
Kahle Flecken bis komplette Haarlosigkeit
Alopecia areata betrifft nicht nur die Kopfhaare, sondern kann je nach Art und Ausmass an jeder Stelle des Körpers auftreten, bis hin zu den Wimpern. Die sogenannte Alopecia universalis, bei der der ganze Körper betroffen ist, kommt aber nur sehr selten vor. Oft entwickeln sich auch nur kahle Stellen auf dem Kopf oder beispielsweise im Bart beim Mann. Zudem ist es gut möglich, dass die Haare auch wieder nachwachsen. Man vermutet, dass sich solche Phasen in einem Kreislauf von abwechselndem Haarausfall und Nachwachsen wiederholen können.
So ähnlich ist es auch Katrin Kreuels ergangen. Angefangen hat es mit münzgrossen haarlosen Flecken auf dem Kopf. Das war erst einmal ein Schock und gerade in der Pubertät schwer zu verdauen. «Das war ein schlimmes Gefühl», erzählt Kreuels. «Vor allem die Angst, jemand könnte es sehen, war mein ständiger Begleiter.» Mit 20 Jahren begannen ihre Haare wieder zu wachsen. Sie hatte jahrelang keine Probleme mehr, bis der Ausfall mit 27 zurückkam. Und Kreuels zur Schere griff und sich die Haare abschnitt.
Verzicht auf Chemotherapie aus Angst vor Haarverlust
Haarausfall ist für Betroffene schwer zu ertragen. Die Angst, ohne Haare leben zu müssen, geht so weit, dass einer Studie zufolge etwa acht Prozent aller Krebspatienten in der Schweiz eine Chemotherapie ablehnen, weil sie Angst haben, durch die Behandlung ihr Haar zu verlieren. Sie möchten nicht angestarrt werden oder Getuschel auf der Strasse ausgesetzt sein.
Katrin Kreuels kennt diese Ängste. Und es gab auch viele unangenehme Situationen, die sie erleben musste. Etwa als sie jemand fragte, ob sie unter die Piraten gegangen sei, oder man wissen wollte, wer denn die dort drüben im Turban sei. Aber solche Momente seien selten. Als viel wichtiger und auch zahlreicher erachtet sie die schönen Momente. So strahlt sie über das ganze Gesicht, wenn sie von ihrer Hochzeit erzählt – und von ihrer Schneiderin, die alles gegeben habe, um für sie die perfekte Kopfbedeckung zu gestalten. Bedenken waren durchaus da vor der Hochzeit: «Ich habe mir lange Gedanken darüber gemacht, was ich machen soll: Du brauchst eine Kopfbedeckung! Das war für mich wahnsinnig wichtig und ein super Erlebnis.»
14 Suizide wegen Haarausfall
Das Thema Haarausfall und die psychischen Folgen sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Auch bei Männern nicht. Der Verlust der Haarpracht kann zu schwerwiegenden Problemen führen, die bis hin zu suizidalen Gedanken reichen. Im Jahr 2017 haben sich in der Schweiz 14 Menschen wegen Haarausfall das Leben genommen, davon waren neun Männer – acht hatten das Erwachsenenalter noch nicht erreicht.
«Ich wünsche mir, dass man in unserer Gesellschaft offener wird, für sämtliche Arten von Menschen», erklärt Katrin Kreuels. «Da geht es gar nicht nur um mich, sondern auch um Menschen, die aus einem anderen Land kommen, eine andere Religion haben, dick oder dünn sind, was auch immer.» Weiter hofft Kreuels auf ein bisschen mehr Aufklärung über Haarausfall. Damit Betroffene sich nicht mehr ausgestellt fühlen, wenn sie als Frau mit einer Glatze durch die Stadt spazieren, oder die Leute sie mitleidig anschauen, weil sie denken, sie habe Krebs.
Sie selbst ist mittlerweile sehr zufrieden mit ihrem Aussehen – trotz Haarlosigkeit. Sie sagt, sie habe durch die intensive Auseinandersetzung mit sich extrem zu sich selbst gefunden. «Ich fühle mich heute so schön und so selbstbewusst wie noch nie zuvor in meinem Leben.»
Für Haarausfall kann es verschiedene Gründe geben: Gene, Hormone und diverse Mangel. Was Sie dagegen tun können, erfahren Sie hier.
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Haarausfall betrifft längst nicht nur Männer. Auch bei Frauen kann der Kopf ganz schön licht werden. Doch warum eigentlich? Und was kann man dagegen unternehmen?
Forschern ist es möglicherweise gelungen, die Ursache für Haarausfall und graue Haare zu finden.
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