Unser wichtigster Muskel?
Nicht der Allerwerteste, sondern das Zwerchfell!

99 Prozent aller Hobbysportler denken noch nicht einmal daran, ihren wichtigsten Muskel zu trainieren. Nein, er fängt nicht mit A an, sondern mit Z – wie Zwerchfell.
Publiziert: 16.01.2017 um 16:48 Uhr
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Aktualisiert: 26.06.2019 um 16:25 Uhr
Werner Vontobel
Werner VontobelFitness-Experte
Zentral für die Amtung: Das Zwerchfell (in Orange), das unter der Lunge sitzt.
Foto: Thinkstock


Einverstanden. Der Hintern – auch Gluteus Maximus genannt – ist unser mit Abstand stärkster Muskel. Aber auch seine Kraft erlahmt, wenn die Zellen nicht genügend Sauerstoff erhalten. Dabei wiederum spielt das Zwerchfell die zentrale Rolle. Doch im Gegensatz zum Gluteus wird dieses aber kaum je sachgerecht trainiert.

Es gibt eine klare Reihenfolge, meint Fitness-Guru Dave Dollé: Erst Beweglichkeit, dann Kraft. Und auf dieser Grundlage könne man dann auch die Ausdauer trainieren. Der Schwachpunkt liege praktisch nie bei der Kraft der grossen Muskeln. Die meisten seiner Kunden können die grössten Fortschritte durch die Arbeit an der Haltung und an der Atmung erzielen. Zu diesem Zweck brauchen wir ein kräftiges Zwerchfell, einen beweglichen Brustkorb und die richtige Technik. Dazu gibt es massenhaft Literatur. Das sind die wichtigsten Erkenntnisse.

Dave Dollé, hier mit seiner Frau Romy, weiss, worauf man beim Training achten muss.
Foto: Sabine Wunderlin

Wo befindet sich Zwerchfell?

Der wichtigste Punkt ist, dass wir nur mit dem Bauch bzw. mit dem Zwerchfell atmen. Man stelle sich vor den Spiegel. Bei Einatmen wölbt sich der Bauch, beim Ausatmen bewegt sich der Bauchnabel in Richtung Wirbelsäule. Wenn sich auch der Brustkorb und die Schultern merklich bewegen, machen wir etwas falsch. Dann sollte man die Bauchatmung bewusst trainieren. Schon bald erinnert sich der Körper, dass er das als Baby automatisch so gemacht hat und fällt in die alte gesunde Gewohnheit zurück.

Die Übung für bessere Haltung

Damit sich Lunge und Zwerchfell optimal entfalten können, muss die Haltung stimmen. Hauptfehler: Kopf zu weit vorne, Schultern nach vorne gedreht – als würde man auf sein Handy starren. Kontrolle: Man stelle sich an einen Türrahmen, so dass sowohl die Fersen, Gesäss, oberer Rücken als auch der Hinterkopf den Rahmen berühren. Bauch und Hintern leicht angespannt, Blick gerade aus, Schultern zurück und runter. Jetzt stimmt die Haltung. Mit dieser Übung (siehe ab 5 Min 10 Sekunden) kann man sich die korrekte Haltung antrainieren. Zwei mal täglich Anspannung ca. 2 Minuten aufrecht erhalten.

Zwerchfell trainieren

Man kann sich mit dem Rücken auf den Boden legen und gegen ein Gewicht (schwere Bücher) ein- und ausatmen. Oder auf allen Vieren einatmen und dann Lunge bis auf den letzten Deziliter leeren. Dabei muss man den Bauch gegen die Schwerkraft einziehen. Sehr wirkungsvoll ist auch wiederholten explosives Ausatmen (als wolle man 50 nebeneinanderstehende Kerzen möglichst schnell auspusten). Kurz Pause, einmal wiederholen, das ein paar Mal am Tag.

Dehnen, Entspannen, Brustkorb vergrössern

Hier ist ein guter Start in den Tag. 5 Übungen in 5 Minuten. Sportler mit chronisch verspannten Bauchmuskeln (Sixpacks) sollten sich anschliessend zwei Minuten lang auf den Rücken legen, etwas unter den Hintern schieben, Arme über den Kopf strecken – Bauchmuskeln denen. Oder die Beine über die Bettkante hängen lassen, die Arme möglich weit nach hinten. Nützt auch gegen Schmerzen im unteren Rücken. Für Zwischendurch: Linker Arm über Kopf, mit voller Lunge nach rechts dehnen. Seite wechseln. Dehnt und flexibilisiert den Brustkorb.

Nasenatmung hilft auch

Die optimale Atemtechnik geht so: Konsequent durch die Nase. Nicht (also anders als bei einigen Übungen) voll ausatmen. Nach dem Ausatmen eine kleine Pause einschalten. Leicht einatmen, nicht nach Luft schnappen. Warum so und nicht anders? Erstens bleibt bei der Nasenatmung mehr Kohlendioxid in der Lungen. Damit ist das Blut besser in der Lage, Sauerstoff in die Muskelzellen zu transportieren. Zudem wird auch mehr Stickoxid produziert. Diese entspannen die Blutgefässe, wodurch die Muskeln und Organe noch besser mit Sauerstoff versorgt werden. Die Atempause nach dem Ausatmen bewirkt eine kleine Sauerstoffschuld, das regt die Milz an, mehr rote Blutkörperchen zu produzieren, der Hämatokritwert des Blutes steigt.

Wie wenden wir diese Erkenntnisse praktisch an? Etwa so: Wenn wir beim Ausatmen (durch die Nase) ein Summgeräusch und damit eine Vibration erzeugen, wird die Produktion von Stickoxiden weiter kräftig angekurbelt. Bei den Yogi ist diese Atemtechnik als Brahmari bekannt. Stickoxid ist übrigens auch der Grund, warum Randen die Ausdauerleistung steigern.

Eine weitere Anwendung der Erkenntnisse: Wir bringen uns beim Gehen, Joggen oder bei Gymnastikübungen in einen regelmässigen Rhythmus. Etwa 5 Schritte einatmen, 5 aus, 5 Atem anhalten. Dann verlängern wir diese Phase allmählich. Die Sauerstoffschuld darf aber nie so gross sein, dass wir gierig nach Luft schnappen müssen. Dass wir dazu das Tempo anpassen müssen, ist ein weiterer Vorteil. Wir trainieren so im optimalen Bereich. Das geht besser, wenn man mit leerem Magen trainiert. Der russische Arzt Konstatin Buteiko hat diese nach ihm benannte Atemtechnik in den 1950er-Jahren entwickelt und damit Asthma-Patienten erfolgreich behandelt. Der tschechische Wunderläufer Emil Zatopek trainierte nach seinen Methoden. Einmal soll er bei einem Lauf die Atemnot so weit getrieben haben, dass er in Ohnmacht gefallen sei.

Und was hat der Hobbysportler davon? Dollé antwortet mit einer Gegenfrage: «Schon mal was von Doping gehört?» Dabei gehe es –zumindest im Ausdauerbereich - fast immer darum, mehr Sauerstoff in die Muskeln zu bringen. «Das ist die Grundlage jeder Leistung, und genau darum geht es bei diesen Übungen. Wir müssen den Apparat pflegen, der den Sauerstoff transportiert – vom Zwerchfell in die Nasenspitze und zurück.»

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