Essstörung Orthorexia nervosa
Wenn gesunde Ernährung krank macht

Die Ernährung ist wichtig für unsere Gesundheit – keine Frage. Doch kann die Auseinandersetzung mit einer gesunden Ermährungsweise pathologisch werden? Ja, Orthorexie nennt sich das Phänomen, wenn man sich übermässig mit gesunden Nahrungsmitteln befasst.
Publiziert: 01.06.2020 um 16:19 Uhr
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Aktualisiert: 24.05.2022 um 14:35 Uhr
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Orthorexie nennt sich die Essstörung, bei der Betroffene sich krankhaft mit gesunder Ernährung auseinander setzen.
Foto: imago images
Moritz Lüchinger

Chia-Müesli, Quinoa mit Gemüse, zuckerfreie Desserts – auf Instagram geben zahlreiche Influencer gesunden Foodtipps. Alles kunstvoll in Szene gesetzt.

Eigentlich ist an einer gesunden Ernährung nichts auszusetzen. Was wir essen und wie, gehört zu den wichtigsten Faktoren für unsere Gesundheit. Ist unsere Nahrungsweise unausgewogen, kann das über längere Zeit zu Diabetes, Fettleibigkeit oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen. Aber kann ein gesunder Lebensstil so weit gehen, dass er pathologisch ist?

Das «richtige» Essen

«Ja», sagt Nicole Flütsch, Psychologin an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich. Orthorexia nervosa nennt sich die Essstörung, bei der Menschen zwanghaft auf eine gesunde Ernährung achten. «Dabei beschäftigen sich Betroffene vor allem übermässig mit den Inhaltsstoffen von Nahrungsmitteln. Ortho kommt aus dem griechischen und bedeutet richtig. Die richtige Zusammensetzung der Ernährung wird zur Obsession und führt zur Krankheit»

Richtig bedeutet in diesem Fall vor allem gesund. «Im Gegensatz zu einer Magersucht, wo vor allem ein internalisiertes Schönheitsideal ausschlaggebend für die Essstörung ist, geht es hier um die Qualität der Nahrung», erklärt Flütsch.

Bewusste Ernährung

Viele Menschen definieren sich heute über ihre Ernährung, wie die Spezialistin erklärt. Sei es nun sportlich, der Gesundheit zuliebe oder umweltbewusst. «Die Ernährungsweise ist schon fast ein Lebensstil, teilweise sogar der Hauptlebensinhalt geworden.»

«Ernährung wird in den Medien ausserdem oft mit Gefahr für die Gesundheit in Verbindung gesetzt», so Flütsch. «Es hat eine Verschiebung stattgefunden vom genussvollen Essen hin zur übertrieben bewussten Ernährung.»

Magersucht und Bulimie sind kein reines Frauenproblem

Rund 300’000 Menschen in der Schweiz leiden an einer Essstörung. Die Dunkelziffer ist hoch, etwa ein Viertel der Betroffenen sind Männer. Geredet wird darüber aber kaum. Zeit, das Tabu zu brechen.

Rund 300’000 Menschen in der Schweiz leiden an einer Essstörung. Die Dunkelziffer ist hoch, etwa ein Viertel der Betroffenen sind Männer. Geredet wird darüber aber kaum. Zeit, das Tabu zu brechen.

Viele setzen sich mit gesunder Ernährung auseinander

Wer an Essstörungen denkt, dem kommen vermutlich zuerst einmal Erkrankungen wie Magersucht oder Bulimie in den Sinn. Dass man sich ausgerechnet krankhaft mit gesunder Ernährung auseinandersetzt, liegt nicht unbedingt nahe.

Eine gesunde Ernährungsweise ist vielen Menschen aber wichtig. Und in einer Umfrage des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) im Jahr 2010 gab immerhin fast ein Drittel der Befragten an, sich übermässig mit gesundheitsfördernder Ernährung zu beschäftigen.

Mediale Inhalte hinterfragen

Das wundert Flütsch nicht: «Wir leben in einer Zeit der medialen Überflutung mit Informationen über Nahrungsmittel, die es für Normalverbraucher schwierig machen, zu erkennen, was richtig ist und was nicht. Oft sind die Aussagen dazu auch noch widersprüchlich und inhaltlich schwierig zu überprüfen.»

Dazu zählt die Expertin auch die sozialen Medien. «In einer solchen Verunsicherung geben beispielsweise Influencer Halt und Orientierung. Es ist einfacher, sich auf eine Person zu fokussieren, die einem vorlebt, was zu tun ist.»

Die Psychologin plädiert dafür, kritisch zu sein. «Es ist wichtig, dass man mediale Inhalte hinterfragt und mit einer gewissen Vorsicht konsumiert.» Denn auch wenn eine gesunde Ernährung an sich eigentlich gut klingt, kann sich das zu einer gefährlichen Störung entwickeln. «Wir beobachten häufig, dass sich bei jungen Leuten, die sich zu intensiv mit der Qualität ihrer Nahrung auseinandersetzen und gedanklich übermässig viel mit dem Thema Essen beschäftigt sind, das Risiko für die Entwicklung einer Essstörung erhöht. Aus Angst das Falsche zu essen, essen sie dann zu wenig. Das ist dann genau das Gegenteil von gesund.»

Darum solltest du auf Diäten verzichten

Blick hat mit einer ernährungspsychologischen Beraterin gesprochen, um herauszufinden, welche Vorteile eine gesunde Ernährung gegenüber Diäten hat und worauf man bei seinen täglichen Mahlzeiten achten sollte.

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