Sterberisiko
Darum sind Low-Carb-Diäten Unsinn

Kohlenhydratarme Diäten versprechen einen einfachen und gesunden Weg zur Bikini-Figur. Doch der Verzicht auf Kohlenhydrate sei schädlich bis lebensgefährlich und verkürzen das Leben – behaupten viele Ernährungswissenschaftler.
Publiziert: 20.08.2018 um 15:00 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 20:26 Uhr
Campbell schwört auf die vegetarische Ornish-Diät mit 75% Kohlenhydrat, 10% Fett und 15% Eiweiss.
Foto: Getty Images
Werner Vontobel

Colin Campbell ist nicht irgendwer, sondern schlicht der Beste. Sein in vielen Sprachen übersetzter Bestseller «The China Study» trägt den unbescheidenen Untertitel: «Die umfassendste Ernährungsstudie, die je gemacht worden ist.» Kritiker weist der Biochemie-Professor gerne darauf hin, dass keiner mehr Experimente durchgeführt und wissenschaftliche Artikel veröffentlicht hat als er. Und diese Kapazität schlägt wieder zu: «Low-Carb ist die ungesündeste Schlankheits-Diät, die je erfunden worden ist», sagt Campbell in seinem  Buch «The Low Carb Fraud».

Romy Dollé, selber Autorin eines Low-Carb-Buches, wollte es wissen. Sie hat sich sechs Wochen lang mit einer Paleo-Diät aus Fett, Eiweiss und Blattgemüse ernährt und dabei täglich nur 30 Gramm Kohlenhydrate zu sich genommen. Ergebnis: «Ich hatte die ganze Zeit einen sensationell klaren Kopf.» Einziger Nachteil: Trockene Augen. Das verschwand, als sie ihre Ration auf 60 Gramm verdoppelte.

Wie funktioniert Paleo-Diät?

Ziel der «Steinzeitdiät» ist es nämlich, durch die ursprüngliche Ernährung mit unverarbeiteten Lebensmitteln zu einer besseren Gesundheit zu gelangen. Doch genau genommen ist der Begriff «Paleo-Diät» falsch, denn es handelt sich nicht um eine kurzfristige Ernährungsumstellung zur Gewichtsabnahme, sondern um einen andauernden Lifestyle

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Fleisch und Salat auf dem Teller -  Paleo Diät
Weniger leicht als gedacht: Fleisch und Salat sind ideal für Paleo Diät.
Thinkstock

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Ketonsäure ist das Superbenzin fürs Hirn

Der klare Kopf kommt davon, dass die Leber nach spätestens drei Wochen lernt, Fett in Ketonsäure umzuwandeln – Superbenzin fürs Hirn. Verantwortlich für die trockenen Augen ist die Tatsache, dass der Körper Kohlenhydrate braucht, um Schleim zu bilden. Übliche Low-Carb-Diäten empfehlen deshalb rund 100 Gramm Kohlenhydrate bzw. etwa 20 bis maximal 30 Prozent des Kalorienbedarfs.

Doch für Campbell ist Dollés Selbstversuch Anekdote und keine Wissenschaft. Er stützt sich auf einen detaillierten Diät- und Gesundheitsvergleich mit je 100 Personen in 65 chinesischen Provinzen. Seinen Hauptverdacht, dass tierisches Eiweiss Krebs verursacht, hat er dann an Millionen von Ratten getestet. Er gab ihnen hohe Dosen von Krebs erregendem Aflatoxin und fütterte sie mit entweder 5 oder 20% Kasein (Milcheiweiss). Ergebnis: Viel Krebs bei der 20%-Gruppe, fast keiner bei der mit 5%. Ergo: Tierisches Eiweiss verursacht Krebs.

Campbells Gegner schlagen zurück. Erstens: Ratten sind Ratten und keine Menschen. Und: Laborratten werden genetisch so verändert, dass sie beispielsweise schnell an Krebs erkranken. Das beschleunigt und verbilligt die Versuche. Bei der ersten Sorte, die Campbell verwendete, litten die mit nur 5% Kasein gefütterten Ratten nur deshalb kaum an Krebs, weil sie schon vorher starben.

Hilft Ketogene Diät gegen Krebs?

Viel Fett und wenig Kohlenhydrate: Das sind Grundprinzipien der Ketogenen Diät. Und das soll gegen Krebs helfen. Die Idee ist bald 100 Jahre alt. Jetzt wird sie erstmals in einem türkischen Universitätsspital im grösseren Stil erfolgreich umgesetzt..

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Steak vom Grill auf dem Holzbrett mit Gewürzen und Tomaten
Ketogene Diät bedeutet viel Fett, sehr wenig Kohlenhydrate.
Getty Images

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Der maximale Fettanteil lag bei 83%

Zweitens: Die 95 bis 80% der Zucker- und Stärkekalorien, welche die Ratten sonst noch frassen, können das Ergebnis auch beeinflusst haben. Drittens gibt es eine Studie, in der man 13 Mäusearten erlaubte, ihr Futter selbst zu bestimmen. Nur zwei davon frassen weniger Fett als Kohlenhydrate. Der maximale Fettanteil lag bei 83%.

Campbell selbst schwört auf die vegetarische Ornish-Diät mit 75% Kohlenhydrat, 10% Fett und 15% Eiweiss. In einer Studie haben 15 Personen ihre Ess- und Lebensgewohnheiten beibehalten. 20 machten eine Kur mit Ornish-Diät, Tabakentwöhnung, eine Stunde Entspannung täglich und drei Stunden Sport pro Woche. Ergebnis: Nach fünf Jahren war die Ornish-Gruppe nach allen gemessenen Kriterien gesünder und schlanker als die Kontrollgruppe. Überzeugender ist Campbells Selbstversuch: Der inzwischen 80-Jährige ist schlank, fit und mindestens ebenso rechthaberisch wie seine viel jüngeren Kritiker.

Unter dem Strich bleiben ein paar Gemeinsamkeiten: Campbell, Ornish und sämtliche Low-Carb- und Paleo-Vertreter sind sich einig, dass Zucker, raffinierte Getreideprodukte und Industrie-Food wie Riegel, Süssgetränke oder gezuckerte Müeslimischungen gemieden werden sollten, dass Stress schädlich, Rauchen tödlich und Bewegung unerlässlich ist.

Diäten mit wenig Kohlehydraten können bei all den Leuten Vorteile bringen, die bereits unter zu hohem Blutdruck, Diabetes oder Insulin-Resistenz leiden. Auch bei Krebs kann Low-Carb helfen (fragen Sie Ihren Arzt). Zudem wird Low-Carb in der Regel besser durchgehalten, weil Fett und Eiweiss sättigen, während High-Carber ihre Hungerattacken oft nur schwer in den Griff kriegen.

Low-Carb, satte Fette und Gemüse.

Bei «Normalos» stammen 50 bis 60 Prozent der Kalorien aus Kohlenhydraten. Will man diesen Anteil auf 20% oder weniger reduzieren, muss man die fehlenden Kalorien durch Fett und Eiweiss ersetzen. Beim Eiweiss ist die Limite bei 1,5 Gramm pro Kilo Gewicht schnell mal erreicht. Low-Carber ersetzen ihre Kohlenhydrate also meist mit Fett. Zu viel pflanzliche, mehrfach ungesättigte Fette fördern Entzündungen.

Bleiben also noch die gesättigten Fette aus Palm- und Kokosnussöl, Milch, Eigelb und Fleisch. Leute wie Campbell glauben, dass gesättigte Fette dem Herz schaden. Dies gilt heute als überholt (siehe Links). Campbell argumentiert weiter, dass Low-Carber zu wenig Gemüse essen. 

Falsch! Erstens müsste man z. B. drei Kilo Spinat essen, um zu über 100 Gramm Kohlenhydrat zu kommen. Zweitens wird Stärke aus Gemüse überwiegend in den Dickdarm transportiert und dort von den Bakterien in Fett umgewandelt. So gesehen ist Low-Carb auch High-Gemüse.

Bei «Normalos» stammen 50 bis 60 Prozent der Kalorien aus Kohlenhydraten. Will man diesen Anteil auf 20% oder weniger reduzieren, muss man die fehlenden Kalorien durch Fett und Eiweiss ersetzen. Beim Eiweiss ist die Limite bei 1,5 Gramm pro Kilo Gewicht schnell mal erreicht. Low-Carber ersetzen ihre Kohlenhydrate also meist mit Fett. Zu viel pflanzliche, mehrfach ungesättigte Fette fördern Entzündungen.

Bleiben also noch die gesättigten Fette aus Palm- und Kokosnussöl, Milch, Eigelb und Fleisch. Leute wie Campbell glauben, dass gesättigte Fette dem Herz schaden. Dies gilt heute als überholt (siehe Links). Campbell argumentiert weiter, dass Low-Carber zu wenig Gemüse essen. 

Falsch! Erstens müsste man z. B. drei Kilo Spinat essen, um zu über 100 Gramm Kohlenhydrat zu kommen. Zweitens wird Stärke aus Gemüse überwiegend in den Dickdarm transportiert und dort von den Bakterien in Fett umgewandelt. So gesehen ist Low-Carb auch High-Gemüse.

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