BLICK: Frau von der Linden. Seit drei Jahren leben Sie zuckerfrei. Was hat Sie dazu bewogen?
Kerstin von der Linden: Ich sass kurz nach Weihnachten zu Hause auf dem Sofa. Vor mir mein zweiter Latte Machiatto mit Karamell und eine grosse Schüssel mit Weihnachtskeksen. Da habe ich gedacht, hier läuft was falsch. Es tut mir nicht gut. Obwohl ich für den Moment glücklich bin, fühle ich mich längerfristig schlecht. Dann habe ich die Schüssel weggestellt und mir vorgenommen, weniger Zucker zu essen. Ein schwieriger Entscheid, da ich bis zu diesem Zeitpunkt Schokolade zu den Grundnahrungsmitteln gezählt habe.
Wie verlief der Start?
Am Anfang habe ich zu Hause experimentiert. Im Kuchen nur 100 Gramm Zucker anstelle von 200 Gramm. Das waren meine ersten Schritte und das empfehle ich auch jeder Person, die ihre Ernährung ebenfalls umstellen möchte. Es war aber schon eine Veränderung. Mit der Zeit habe ich mir dann vorgenommen, komplett auf Zucker zu verzichten.
Empfehlen Sie also keine radikale Absetzung vom Zucker?
In unserem Alltag ist es sowieso sehr schwer schwierig von 100 auf 0 zu reduzieren. Man ist eingeladen zum Essen und möchte ja weiterhin ein sozialer Mensch sein und die Freunde nicht verlieren. Es ist schon sehr schwierig. Aber wenn man ein gewisses Verständnis hat und Tricks kennt, kann das schon funktionieren. Aber es ist sicherlich kein einfacher Spaziergang.
Wie hat Ihr näheresUmfeld am Anfang darauf reagiert?
Mein Vater hat mit einem zynischen Kommentar reagiert. Er sagte: «Ein Wunder bin ich so alt geworden, bei dem Zucker den ich gegessen habe». Man darf allerdings nicht vergessen, dass früher die Produkte viel weniger Zucker enthielten. Besonders in der Nachkriegszeit. Dazu wurde mir von anderen Personen sogar unterstellt, dass ich meinen Kindern schade.
Verzichten Ihre Kinder denn komplett auf Zucker?
Meine Kinder gehen normal zur Schule und dürfen an Geburtstagsfeiern auch mal einen Muffin nehmen. Zu Hause schauen wir allerding schon, dass sie keinen Zucker konsumieren. Ich habe noch kein Kind erlebt, dass zu einer Banane, einem Apfel oder einer Schüssel Erdbeeren Nein sagt. Die Leute sind allerdings immer ganz besorgt. Dies hat mit unserer Erziehung zu tun. Wir lernen von klein auf: Zucker ist Belohnung. Oft wird meinen Kindern auch Schokolade geschenkt, die sie dann auch in einem längeren Zeitraum verspeisen dürfen.
Können Sie sich vorstellen, wieder zur gewohnten Ernährung zurückzukehren?
Ein klares Nein! Wenn man auf Zucker verzichtet, ändert sich das eigene Geschmacksempfinden. Man merkt, wie süss die Konfitüre und Süssigkeiten überhaupt sind und hat diese Dinge nicht mehr so gern.
Was ist die grösste Veränderung an Ihnen selber?
Ich merke, wie sich meine Fitness entwickelt hat. Ich fühle mich fitter. Dazu kommt eine positive Veränderung im Gewicht. Ich kann mein Wunschgewicht wunderbar halten. Ebenfalls hat sich meine Haut sehr positiv verändert. Besonders für mich ist diese Veränderung sehr wertvoll, da ich als Fernsehmoderatorin oft geschminkt werde und keine Frau sagt Nein zu schöner Haut und einem konstanten Gewicht.
Bei der Umstellung, welches Produkt hat Sie am meisten überrascht vom Zuckergehalt.
Wir haben jeden Tag die Verführer vor der Nase. Die Industrie macht das sehr gut. Am negativsten behaftet ist für mich die Fertigwurst. Ich wusste nicht, dass sie viel Zucker enthält.
Was halten Sie von Light-Produkten?
Nicht viel, da in diesen Produkten spezielle Süssstoffe drin sind. Die sehr schädlich für den Körper sind. Es sind alles Stoffe, die direkt in die Leber wandern und diese überfordern.
Es gibt ja schon Bücher über das Leben ohne Zucker. Was hat Sie inspiriert, ein solches Buch zu schreiben?
Mir haben Freunde gesagt, dass ich meine Tipps doch mal aufschreiben soll. Ich habe schon vor knapp drei Jahren angefangen, damals wusste ich noch nicht, dass es in diesem Jahr so einen Hype gibt. Aber als berufstätige Mutter braucht man ein bisschen länger.
Wie denken Sie über diesen Hype?
Das Schöne daran – die Industrie merkt, dass sich ein neuer Markt öffnet. Genau wie beim veganen Essen. In den USA gibt es ganze Regale mit zuckerfreien Produkten?
Wie denken Sie über eine Zuckersteuer?
In Deutschland essen die Leute durchschnittlich 36 Kilo Zucker im Jahr. In der Schweiz sogar 40 Kilogram. Das sind schon heftige Zahlen. Mein erster Impuls zur Zuckersteuer ist Ja. Doch ich vermute, dass die Unternehmen diese Steuer umlegen auf die Verbraucher. Ich bin einfach dafür, dass wir uns selber gesünder ernähren sollen. Es hängt vieles an uns selber.
Wie bringen Sie das ganze Programm unter einen Hut? Dozentin, Fernsehmoderatorin, Autorin, Mutter?
Mein Tag hat definitiv 30 Stunden. Ich will die Leute nicht verschrecken, aber ich bin natürlich keine Super-Mami. Ich versuche sehr diszipliniert in der Vorbereitung zu sein. Ich koche am Wochenende bereits im Voraus für ein paar Tage in der Woche. Es braucht einfach viel Disziplin.
Wie sieht ein Urlaub mit Ihnen aus? Nehmen Sie alles mit?
Es hängt natürlich vom Urlaubsland ab. Es ist schon schwierig. Ich nehme einen bestimmten Prozentsatz an Produkten mit. Zum Beispiel ein Müesli. Durch Obst versuche ich dieses dann zu süssen. Wenn es allerdings nicht anders geht, gibt es halt auch mal ein zuckerhaltiges Produkt?
Es gibt also Ausnahmen?
Ja und es ist auch nicht schlimm. Auf meinem Blog haben viele Leute Angst, dass sie dem Zucker wieder komplett verfallen. Einmalig Zucker zu konsumieren ist nicht das Problem – die Menge machts!
Gibt es ein Produkt, dass an Ihrer Entscheidung zum zuckerfreien Leben nagt?
Ich erzähle Ihnen nun was, das nur meine Familie weiss. Einmal im Jahr vergesse ich für kurze Zeit diesen Lifestyle. An Neujahr gibt es bei uns selbstgemachte Hörnchen. Diese funktionieren nur mit aufgelösten Candiszucker. Das ist mein persönlicher Lieblingstag. Es ist die einzige Ausnahme, die ich mir bewusst gestatte.