Experte enthüllt überraschende Fakten
Urgetreide oder Weizen – was ist wirklich gesünder?

Es heisst, dass Urgetreide gesünder sei als Weizen, weil es weniger Kohlenhydrate und Gluten enthält. Ernährungswissenschaftler Steffen Theobald von der Berner Fachhochschule erklärt, ob diese Behauptung stimmt und worauf es bei der Getreidewahl ankommt.
Publiziert: 12.02.2025 um 11:30 Uhr
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Aktualisiert: 17.02.2025 um 10:38 Uhr
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Eine Scheibe Brot mit Butter und Konfitüre kann bei Menschen, die empfindlich auf Weizen reagieren, zu Darmbeschwerden führen.
Foto: Getty Images

Auf einen Blick

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Jana GigerRedaktorin Service

Ein frisches Brot vom Beck oder ein feiner Teller Pasta im Restaurant – beides besteht in der Regel aus Weizen. Dieser gehört neben Mais und Reis zu den am meisten angebauten Getreidesorten weltweit. In den letzten Jahren geriet Weizen aufgrund seines hohen Gluten- und Kohlenhydratgehalts aber vermehrt in die Kritik. Als Alternative kamen wieder Sorten wie Einkorn, Emmer und Kamut auf. Sie werden als Urgetreide bezeichnet, weil sie Vorgänger von modernen Sorten wie Weizen sind.

Urgetreide soll im Vergleich zu Weizen von Natur aus mehr Vitamine und Nährstoffe und weniger Gluten enthalten. Dadurch soll es gesünder und besser verträglich sein – insbesondere für Menschen mit Darmbeschwerden.

Gesund, aber nicht lukrativ

Vor etwa 8000 Jahren verbreitete sich Einkorn in Europa, woraus weitere Getreidesorten wie Emmer, Hartweizen, Weichweizen und Dinkel gezüchtet wurden. «Aus genetischer Sicht könnte man sagen, dass Einkorn das gesündeste Getreide ist», sagt Steffen Theobald (59), Ernährungswissenschaftler mit eigener Praxis in Freiburg im Breisgau (D) und Dozent an der Berner Fachhochschule.

Was die Verträglichkeit angeht, ist Weizen besser als sein Ruf.
Foto: Shutterstock

Es sei aber unmöglich, mit Einkorn die ganze Welt zu versorgen. Das Getreide bringt wenig Ertrag. Verglichen mit Weizen, der pro Halm vier Reihen mit Körnern hat, besitzt Einkorn pro Halm nur eine Reihe mit Körnern. Hinzu komme, dass Urgetreidesorten aufgrund der längeren Halme den Wetterbedingungen weniger gut standhalten könnten als Weizen. Auch das Backergebnis sei ein anderes, sagt der Experte. «Ein Brot aus Einkorn wird nicht so locker wie ein Brot aus Weizen.» 

Blähungen beim Konsum von Weizen

Die Behauptung, dass Urgetreide weniger Gluten enthalte als Weizen, sei falsch, sagt Theobald. «Die neuen Getreidesorten haben sogar eher weniger Gluten und Fodmap als Urgetreide.» Fodmap ist die englische Abkürzung für fermentierbare Oligosaccharide, Disaccharide, Monosaccharide und Polyole. Das sind im Dickdarm vergärbare Kohlenhydrate, die zum Beispiel in Fruchtzucker, Sorbit- oder Isomalt-haltigen Süssigkeiten, Brot, Milch, Joghurt, Steinobst und Kohl enthalten sind.

Da Fodmap nur schlecht vom Dünndarm aufgenommen werden können, wandern sie schnell in den Dickdarm, wo sie von Bakterien fermentiert werden. Bei empfindlichen Menschen kann dieser Fermentationsprozess Schmerzen, Durchfall und Blähungen verursachen.

Warum Weizen nicht das Problem ist

Hinsichtlich der Verträglichkeit ist Weizen besser als sein Ruf. Eine Vergleichsstudie aus Italien kam zum Ergebnis, dass in Hartweizen weniger Fodmap enthalten sind als in Weichweizen und Dinkel. «Das heisst, Dinkel und Weichweizen können potenziell mehr Verdauungsbeschwerden verursachen als Hartweizen», so Theobald. Obwohl gewisse Menschen negativ auf Fodmap reagieren, sind die schnell vergärenden Kohlenhydrate nicht per se schlecht.

Sie fördern die guten Bakterien im Darm, wodurch die Darmschleimhaut gestärkt wird und schlechte Bakterien bekämpft werden. Der Experte sagt: «Das Problem ist, dass viele Menschen heutzutage zu wenig Gemüse und Früchte essen und stattdessen viel zu viel Getreide.» Der Darm könne die grossen Mengen an Weizen nicht verdauen und sei deshalb überlastet, was zu Beschwerden führe.

Der entscheidende Unterschied für die Gesundheit liegt zwischen Vollkornmehl und Weissmehl – nicht zwischen den verschiedenen Getreidesorten.
Foto: Getty Images

Viele Vitamine und Nährstoffe in Vollkorn

Zuletzt nehmen wir die Behauptung, dass Urgetreide einen höheren Vitamin- und Mineralstoffgehalt als Weizen hat, unter die Lupe. «Der Anteil an Vitaminen und Mineralstoffen unterscheidet sich zwischen den verschiedenen Getreidesorten wie Einkorn, Emmer, Weizen und Dinkel kaum», sagt Theobald. Genauso verhält es sich mit dem Gehalt an Kohlehydraten. Hier spielen die Wahl der züchterischen Sorte und noch mehr die Witterungsbedingungen während des Wachstums eine deutlich grössere Rolle.

Am markantesten sei der gesundheitliche Unterschied zwischen Weiss- und Vollkornmehl. «Für Vollkornmehl wird das ganze Korn zermahlen, weshalb die wichtigen Vitamine, Ballast- und Mineralstoffe am Ende auch im Brot enthalten sind.» Für Weissmehl wird fast ausschliesslich der Mehlkörper verwendet, weshalb es praktisch nur aus Stärke und wenig Vitaminen, Mineralstoffen und Ballaststoffen besteht. Wer beim Beck die Wahl zwischen einem Brot aus Vollkorn- oder Weissmehl hat, egal ob aus Weizen oder Dinkel, macht seinen Körper mit dem Vollkornprodukt am glücklichsten.

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