Das familiäre Zusammenleben erfordert viel Organisation, Verantwortung und Nervenstärke – Beruf und Kinder müssen irgendwie unter einen Hut gebracht werden. Gerade für Alleinerziehende eine enorme Herausforderung, die exakte Koordination im Alltag verlangt. Kinderbetreuung und Arbeitszeiten müssen vorab geplant werden, und wenn der Nachwuchs dann mal krank wird, muss spontan alles umorganisiert werden.
Aber auch Mütter oder Väter, die sich in ihrer Partnerschaft vorrangig der Haus- und Familienarbeit widmen, leiden häufig unter Dauerstress. Haushalt, Kindern und dem Partner gerecht zu werden kann zur Belastung werden, und es bleibt keine Zeit für eigene Bedürfnisse.
In den letzten Jahren habe die Zahl der vom Burnout betroffenen Eltern zugenommen, erklärt Natasa Kalt (50), Fachpsychologin für Psychotherapie (FSP), gegenüber BLICK. «Dies bestätigt sich auch im Austausch mit Fachkollegen», so die Expertin, die selbst vierfache Mutter ist und überlasteten Eltern professionelle Hilfe bietet.
Dauerstress im Familienalltag
Auch wenn der langfristige Stress betroffene Elternteile bereits an ihre Grenzen bringt, wird oft weiterhin versucht, den Alltag zu meistern. Die Scham sei aus gesellschaftlichen Gründen gross, sich Unterstützung und professionelle Hilfe zu suchen, verrät Kalt. «Kinder zu haben ist für viele ein wichtiges Lebensziel, das mit Glück und Erfüllung verbunden wird. Die Realität ist oft anders als in der Vorstellung.» Sich dies einzugestehen, falle bei den hohen Erwartungen, die an Eltern gestellt würden, natürlich schwer.
Wenn Mutter oder Vater von Dauerstress betroffen sind, leide die ganze Familie. Unter betroffenen Eltern sei die Trennungsrate hoch. Des Weiteren könne es sogar passieren, dass Kinder betroffener Familien verhaltensauffällig werden, denn die Belastung stecke an. «In einem Burnout kann man auch sehr gereizt und dünnhäutig sein, es kommt zum Kontrollverlust und zur emotionalen Distanz von seinen Kindern», so beschreibt es die Fachpsychologin für Psychotherapie.
Wer ist betroffen? Egal ob durch beruflichen oder privaten Dauerstress, Burnout betrifft grösstenteils Personen, die perfektionistisch veranlagt sind und ein hohes Verantwortungsbewusstsein haben. Es habe oft nichts mit fehlender Planung zu tun, eher mit zu wenig Erholungszeit.
In Deutschland zählt das Müttergenesungswerk jährlich mehr Anträge auf eine Mutter-Kind-, oder Vater-Kind-Kur. Rund 50'000 Eltern, grösstenteils Mütter, nehmen dort an diesen dringend benötigten Kuren teil. Leider häufig erst dann, wenn es ihnen psychisch und gesundheitlich schon sehr schlecht geht.
Probleme erkennen und Hilfe suchen
Wer sich als Eltern längerfristig überlastet fühlt, sollte sich umgehend Hilfe suchen. «Die Behandlungsdauer und die Handlungsmassnahmen sind ganz individuell und hängen vom Schweregrad des Burnouts ab», so Kalt. Je früher man aus der Leistungsspirale herauskomme, desto besser. Zwischen wenigen Wochen bis hin zu einem Jahr brauche es, um einen Betroffenen wieder fit für den Alltag zu machen.
Expertin Kalt nennt vier wichtige Punkte, um ein drohendes Burnout zu verhindern:
- Die eigene Wahrnehmung in Bezug auf Stresssymptome stärken (Weinen, Kontrollverlust, Schreien)
- Sein Umfeld einbeziehen, um entlastet zu werden (Partner, Familie, Nachbarn, Kita)
- Ruhe-Inseln einplanen (Zeit für sich, positive Aktivitäten/Hobbys, Kraft tanken)
- Neue Routine für sich wiederholende Stresssituationen schaffen (z.B. wenn die Kinder zu Bett gebracht werden)
Weiter rät Kalt den Partnern betroffener Personen, zu versuchen, «wieder ein Team zu werden und gemeinsam an einem Strick zu ziehen». Im Projekt Familie dürfe man sich nicht als Paar vergessen.
Wer sich ausgebrannt und mit seinem Elternalltag überfordert fühlt, sollte frühzeitig das Gespräch mit Therapeuten zu suchen. Ebenso helfen Anlaufstellen wie der Elternnotruf weiter, der zu jeder Zeit Tages- und Nachtzeit telefonisch und anonym erreichbar ist. Je früher man gegen den Erschöpfungszustand vorgeht, desto leichter findet man zu seinen Kräften und sich selbst zurück, um endlich wieder Freude am Leben mit seiner Familie haben zu können.