«Torment – Tides of Numenera» im Test
Ein Spiel so umfangreich wie 10 Bücher

Das Kickstarter-finanzierte «Torment – Tides of Numenera» will ein spiritueller Nachfolger zum 99er-Klassikers «Planescape – Torment» sein. Die Neuauflage kommt nicht ganz an das Original heran, lohnt sich aber trotzdem für lesebereite Gamer.
Publiziert: 13.03.2017 um 19:01 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 13:01 Uhr
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Screenshot aus «Torment – Tides of Numera»
Martin Steiner

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Trailer zu «Torment – Tides of Numenera»

Trailer zu «Torment – Tides of Numenera»
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Rollenspiel alter Schule:Trailer zu «Torment – Tides of Numenera»

Das ist «Torment – Tides of Numenera»

Eine Milliarde Jahre in der Zukunft: In «Torment – Tides of Numenera» hat es ein Mensch vor Jahrhunderten geschafft, seine Persönlichkeit in neue Personen zu transformieren, um so quasi unsterblich zu werden. Wer von ihm wieder verlassen wird, bleibt als Hülle ohne Erinnerungen an die Vergangenheit zurück. Als sogenannter Verstossener erwacht der Protagonist – und zwar im freien Fall mehrere Kilometer über der Erde. Wer es als Spieler darauf anlegt, kann das Game bereits in dieser Situation zu einem frühzeitigen Ende bringen. Das wäre allerdings schade, denn die Identitätssuche bietet brillante erzählerische Ansätze, wie man sie in diesem Ausmass noch kaum in einem Game gesehen hat.

Gameplay: So spielt sich «Torment – Tides of Numenera»

Das hat uns gefallen

1,2 Millionen Wörter oder umgerechnet knapp 2000 vollgeschriebene A4-Seiten: Das ist der gesamte Umfang des Scripts von «Torment – Tides of Numenera». Mit einem knappen Budget von durch Kickstarter gesammelten 4,2 Millionen Dollar ist es kein Wunder, dass nur die wenigsten Zeilen vertont sind. Heisst: Wer nicht gerne liest, kann auch hier gleich mit weiterlesen aufhören. Wer damit kein Problem hat, bekommt eines der besten Game-Skripts überhaupt vorgesetzt.

In der abgedrehten «neunten Welt» muss der Ausgestossene unter anderem eine öffentliche Hinrichtung unterbinden, einen kannibalischen Kult untersuchen, eine entlaufene Sklavin finden, einem durchgeknallten Bildhauer helfen oder ein von Abenteurern eingefangenes Monster unter die Lupe nehmen. Praktisch jede Mission bietet verschiedene Wege zum Ziel. Soll man die Sklavin befreien oder sie ihrem Händler zurückbringen? Soll man bei der Hinrichtung das Volk aufwiegeln oder Dokumente fälschen, um das Opfer zu befreien? Noch selten gab es in einem Spiel so viele Möglichkeiten, eine Situation auf die eine oder andere Weise zu behandeln.

Das Spiel ist so aufgebaut, dass es sich praktisch komplett kampflos bestreiten lässt. Und wenn doch mal eine sogenannte Krise ausbricht, hat man immer noch die Möglichkeit, mit den Gegnern zu sprechen und sie zum Beispiel zum Aufgeben zu überreden. Während vielen Dialogen kommt es zu Proben, die sich auf die Fähigkeiten der Gruppenmitgliedern beziehen. Ein mechanisch bewanderter Charakter versteht sich zum Beispiel besser mit Maschinen, während eine einschüchternde Figur oft mit Drohungen weiter kommt. Das Regelsystem ist relativ simpel gehalten, was beim storylastigen Spiel aber nicht stört.

Das hat uns genervt

So schön die einzelnen kleinen Geschichten sind: Zu Beginn wirkt das Spiel wie eine wilde Ansammlung von tollen Ideen, die aber mehr schlecht als recht miteinander harmonieren. Erst in der zweiten Hälfte der rund 40 Stunden kommt bei der Hauptgeschichte richtig Fahrt auf. So ist es aber sicher nicht jedermanns Sache, sich knapp 20 Stunden in der gleichen Stadt zu befinden, um dort mit Leuten zu sprechen und Missionen zu lösen. Betrachtet man den Spielumfang in Anzahl Umgebungen ist das Ganze sogar relativ klein geraten.

Die Kämpfe sind zwar optional: Trotzdem hat man in einem Rollenspiel mal Lust, einer miesen Figur zu zeigen, wo der Hammer hängt. In «Torment – Tides of Numenera» ist dies aber eine äusserst umständliche Angelegenheit. Das rundenbasierte Kampfsystem ist extrem langsam, was auch daran liegt, dass die künstliche Intelligenz die Gegner zum Teil über viele Sekunden hinweg planlos in der Umgebung herumwandern lässt, bevor sie sich zur Attacke entscheidet. Auch strategische Optionen sind hier Mangelware. Man spürt als Spieler, dass die Kämpfe während der Entwicklung sehr wahrscheinlich nur als unliebsames Anhängsel behandelt wurden.

Fazit

Wer ein Rollenspiel vor allem wegen der Geschichte spielt, kommt mit «Torment – Tides of Numenera» voll auf seine Kosten. Zwar sind die einzelnen Figuren nicht mehr so abgefahren wie im Vorgänger. Allerdings ist auch das neue Game teilweise herrlich schräg und stürzt den Spieler in viele moralische Dilemmas. Wer in einem Spiel allerdings auch mal gern etwas Action hat oder gerne eine Vielzahl an Schauplätzen besucht, dürfte eher eine Enttäuschung erleben. Wer auf Retro-Rollenspiele steht, für den bietet das im Herbst 2016 erschienene «Tyranny» das bessere Gesamtpaket.

Wertung: 8 von 10 ausführlichen Dialogen

Torment – Tides of Numenera, für PC, PS4 und Xbox One, ab 16 Jahren

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