Musealer Sex
Das 18. Jahrhundert, das ist einerseits die Epoche des pornografischen Autors Marquis de Sade (1740–1814) und des notorischen Schürzenjägers Giacomo Casanova (1725–1798). Andererseits bleibt es für die breite Masse das Zeitalter staatlicher Zensur. Wo pendelt sich zwischen Aufklärung und Abschreckung die Sexualität der Bevölkerung ein? Das Nationalmuseum im Château de Prangins VD geht dieser Frage nach und präsentiert erstaunliche Dokumente und wertvolle Alltagsgegenstände.
Wo: Château de Prangins VD
Greifbare Literatur
Noch nie musste die Schweizer Post so viele Pakete befördern wie im Lockdown. Und bestimmt waren etliche Büchersendungen darunter. Aber Hand aufs Herz: Was ist ein eingepackter Roman im Vergleich zu einer üppigen Auslage in einer Buchhandlung? Das ist wie ein Hamburger im Karton verglichen mit einem reichhaltigen Büffet voll von Leckereien in einem Feinschmeckerrestaurant – auf die eine Art bekommt man Lesestoff, auf die andere Seelennahrung: Jetzt wieder zum Zugreifen!
Wo: In der Buchhandlung in Ihrer Nähe
Maschinelle Tonkunst
«Automatic for the People» heisst das erfolgreichste Album der US-Band R.E.M., und Kraftwerk treten jeweils als Roboter auf die Bühne. Weshalb also nicht gleich ins Musikautomaten-Museum gehen, wenn es schon keine Live-Konzerte gibt? In einer stündigen Führung durch eine der weltweit grössten Sammlungen an Musikdosen und Musikautomaten aus den vergangenen Jahrhunderten lernt man erstaunliche technische Details kennen und hört viele nostalgische Melodien – live gespielt!
Wo: Museum für Musikautomaten, Bollhübel 1, Seewen SO
Ausgezeichnete Baukultur
Zwischen 1927 und 1932 entstehen in Europa sechs Werkbundsiedlungen in Breslau (Polen), Brünn und Prag (Tschechien), Stuttgart (D), Wien (A) und Zürich. Architekten wie Ludwig Mies van der Rohe (1886–1969) oder Le Corbusier (1887–1965) verwirklichten dort ihre Vorstellung vom neuen Bauen. Am 31. März bekamen die Vorzeige-Siedlungen das Europäische Kulturerbe-Siegel. Alle? Nein, Zürich nicht, weil die Schweiz nicht in der EU ist. Ehren also Sie die Siedlung Neubühl in Zürich-Wollishofen mit einer Architekturwanderung.
Wo: Siedlung Neubühl, Ost- und Westbühlstrasse, Zürich
Kriegerische Fotokunst
Der Krieg ist männlich: Die bewaffneten Konflikte der letzten gut hundert Jahre sind geprägt von Generälen, Soldaten blieben millionenfach auf Schlachtfeldern liegen. Der Blick der Frauen auf das Gemetzel ist in Winterthur ZH zu sehen: 140 Bilder von acht Fotografinnen an der Front aus den Jahren 1936 bis 2011. Sie haben häufig ein geschärftes Auge für die Schicksale abseits der Kriegshandlungen und zeigen auf ihren Fotos das Leiden der Zivilbevölkerung. Und plötzlich erscheint die Corona-Krise in einem sanfteren Licht.
Wo: Fotomuseum, Grüzenstrasse 44/45, Winterthur ZH
Schmackhafte Esskultur
Genug von Fertigpizza und abgepacktem Salat? Mit der Wiedereröffnung von Restaurants und Wochenmärkten kann man endlich wieder der Esskultur frönen. Wir sind den Grossverteilern zwar dankbar, dass sie uns nicht verhungern liessen, aber eine Tomate in künstlichem Licht macht weit weniger Appetit als eine in der Auslage unter der Markise des Gemüsestands auf dem Marktplatz. Und der eine oder andere Händler regt einen mit einem Rezept vielleicht sogar zur Kochkunst an.
Wo: Auf dem Wochenmarkt in Ihrer Nähe
Schweizer Kulturgeschichte
Seit dieser Woche ist auch das grösste Freilichtmuseum der Schweiz wieder offen: der Ballenberg beim Brienzersee. Auf 66 Hektaren sind dort 109 historische Häuser aus der ganzen Schweiz zu besichtigen. Damit sich die Besucher in den Gebäuden nicht kreuzen, richtet die Museumsleitung jeweils einen Rundgang ein. Wo das nicht geht, zum Beispiel in Dachstöcken, bleiben die Räume geschlossen. Doch den Reiz des Ballenbergs machen eh die Hoftiere und Handwerker aus, die das Freilichtmuseum beleben.
Wo: Museumstrasse 100, Hofstetten bei Brienz BE
Geliehenes Buchdesign
900'000 Bände mit Zeitungen und Zeitschriften, 45'000 Karten und Atlanten sowie jährlich 15'000 neu gedruckte Bücher von Schweizer Verlagen: Die Schweizerische Nationalbibliothek (SNB) umfasst die grösste Sammlung aus und über die Schweiz. Zwar ist der Lesesaal noch geschlossen, sodass man wertvolle Werke, die nur vor Ort anzuschauen sind, noch nicht ausleihen darf. Aber es gibt genug Titel, die sich jetzt wieder nach Hause mitnehmen lassen, ganz nach dem Motto der SNB: «125 Jahre fassbar.»
Wo: SNB, Hallwylstrasse 15, Bern
Verlängertes Kunsterlebnis
Krisen können auch ihr Gutes haben: Eigentlich wäre die grossartige Ausstellung zum beliebten US-Maler Edward Hopper (1882–1967) in der Fondation Beyeler zu Riehen BS seit letztem Sonntag geschlossen. Doch weil geliehene Gemälde zurzeit ebenso schlecht reisen können wie Menschen, hat das Museum die Schau mit ihren 65 Werken kurzerhand bis zum 26. Juli verlängert. Der 3D-Film zu Hopper von Filmregisseur Wim Wenders (74) ist wegen der Corona-Schutzmassnahmen bis Ende Mai nicht zu sehen.
Wo: Fondation Beyeler, Baselstrasse 101, Riehen BS
Blühende Gartenkultur
Jetzt sind die Rosen in voller Blüte. Und der landesweit wohl schönste Garten für die Königin der Blumen ist auf der Landschaftsterrasse vor den Mauern des Schlosses Heidegg hoch über dem Baldeggersee angelegt. Normalerweise würden sich jetzt die Rosenfreunde auf die Füsse treten und an den duftenden Blütenkelchen schnuppern. Doch wegen Corona kommen nun Familien und Gruppen bis zu vier Personen gegen Voranmeldung und 100 Franken Eintritt zu einem exklusiven Erlebnis – als wäre man der Schlossherr persönlich.
Wo: Schloss Heidegg, Gelfingen LU
Umflossener Kulturweg
In Deutschland gehört sie zum immateriellen Kulturerbe, in der Schweiz zeugt heute noch ein Kulturweg zwischen Laufenburg AG und Stilli AG von ihr. Die Rede ist von der Flösserei. In der eisfreien Zeit trieben bis Anfang 20. Jahrhundert starke Männer zu Flossen zusammengebundene Baumstämme über Aare und Rhein flussabwärts. Ziel: die Werften in den Niederlanden. Doch für die Aargauer Flösser war bereits in Laufenburg Schluss, wo sie die Stämme Kollegen übergaben und über den Flösserweg zurück nach Stilli liefen.
Wo: Flösserweg zwischen Laufenburg AG und Stilli AG
Öffentliche Skulptur
«How to work better»: Wer schon einmal mit der Bahn vom Flughafen Kloten nach Zürich gefahren ist, hat kurz vor Oerlikon diese wandgrosse Anweisung mit zehn Punkten fürs bessere Arbeiten vermutlich schon gesehen. Es ist ein Hauptwerk des weltberühmten Schweizer Künstlerduos Fischli/Weiss. Und kürzlich hat der noch lebende Peter Fischli (67) Oerlikon ein weiteres Hauptwerk vermacht: «Das Haus», eine über drei Meter hohe Nachbildung eines schlichten Gewerbehauses – es steht vor der offenen Rennbahn.
Wo: Allmannstrasse 5 und Thurgauerstrasse 2 (Das Haus), Zürich