Drei Jahre hat die frühere Viel- und Schnellschreiberin Milena Moser (55) für ihren neusten Roman «Land der Söhne» gebraucht. Es ist ihr 20. Buch. Aber es ist das erste Mal, dass fast keine Frauen vorkommen. «Das habe ich allerdings erst bemerkt, als ich fast fertig war», meint sie lachend. Einen Roman zu schreiben, sei eben ein unkontrollierbares Unterfangen, bei dem man nie genau wisse, wie es am Ende herauskomme.
Mit dem Resultat ist sie total zufrieden. «So komme ich endlich aus der Frauenliteratur-Schublade raus», scherzt die Autorin von Bestsellern wie «Die Putzfraueninsel», «Das Schlampenbuch» und «Blondinenträume». Diese Bücher, im Jahresrhythmus geschrieben, machten Milena Moser in den 1990er-Jahren berühmt. Die locker-flockigen Geschichten über schräge Frauen verkauften sich wie frische Weggli.
«Fortsetzungen schreiben kann ich nicht»
Für Milena Moser sind diese Zeiten passé. «Für Fortsetzungen hat man mir schon viel Geld angeboten, aber ich habe immer abgelehnt», erzählt Moser. Mit alten Geschichten sei es wie mit alten Fotos: «Man mag sie und freut sich daran, aber man kann sie nicht nochmals machen. Sie passen nicht mehr in die Zeit und zu einem selber.»
Inzwischen lebt Milena Moser in Santa Fe im US-Bundesstaat New Mexico allein in einem grossen Haus und pendelt zu ihrem Freund, der in San Francisco wohnt. Über ihre Wahlheimat und deren Präsident Trump mag sie sich derzeit nicht äussern. Sie will nichts riskieren, denn im September muss sie ihr Visum für fünf Jahre erneuern.
«Zwei schwule Väter als Eltern: toll für die Tochter»
Dass die zwei Hauptfiguren im Roman zwei Schwule mit einer Tochter sind, sei kein bewusstes politisches Statement. Aber es zeige, wo sie stehe. «In San Francisco ist das auch nichts Aussergewöhnliches», hält Moser fest. «Ich habe zum ersten Mal vor 20 Jahren zwei schwule Väter mit ihrer Tochter gesehen und fand: Wow, das ist toll für dieses Mädchen!»
Ihr neuer Roman ist eine Hommage an ihre neue Heimat im Südwesten der USA. Ein Familienepos über drei Generationen – ein Einwandererjunge aus der Schweiz, der in den 1940er-Jahren von seiner Mutter verlassen und in einem angeblich fortschrittlichen Schulinternat sexuell missbraucht wird, später seinen Sohn mit dessen Hippie-Mutter in einer Kommune aufwachsen lässt und schliesslich mit seiner Tochter auf Spurensuche geht und mit der Vergangenheit abrechnet.
«Hippies sind immer noch sehr präsent»
Die Geschichte beginnt mit einer langen Zugfahrt von Los Angeles nach New Mexico, wo ein schwuler Vater mit seinem Partner und der gemeinsamen Tochter auf die Suche nach seinen Wurzeln geht. Und endet im Umfeld einer überlebenden Hippie-Kommune aus fernen Flower-Power-Zeiten.
Milena Moser selber gehörte nie dazu, dafür war sie in den 1970er-Jahren knapp zu jung. «Ich war nie ein Hippie. Diese Zeit habe ich haarscharf verpasst wie alles Wichtige, auch 1980 die Jugendbewegung in der Schweiz», erzählt sie. Die Hippies kennt sie mittlerweile aber aus eigener Anschauung. «Sind sind immer noch sehr präsent in New Mexico.»
«Ich habe keinen Koffer mehr in der Schweiz»
Und auch, dass ihre Helden im Zug fahren, ist kein Zufall. «Ich liebe Zugfahren in den USA», schwärmt die Autorin, «auch wenn die Züge und Schienen in einem ganz schlechten Zustand sind.» Die Strecke, auf der ihre Romanfiguren unterwegs sind, sei sie selber schon unzählige Male gefahren, erzählt sie.
Im Gespräch ist klar: Seit Milena Moser 2015 zum zweiten Mal ausgewandert ist, sind die USA ihre Heimat. Beim ersten Mal, 1998, kam sie nach acht Jahren wieder zurück. Jetzt hat sie die Brücken abgebrochen. «Ich habe kein Pied-à-terre in der Schweiz, nicht einmal einen Koffer.» In die Schweiz zurück kommt Milena Moser derzeit nur noch, um Familie und Freunde zu besuchen. Das nächste Mal im September.
Milena Moser: Land der Söhne. Nagel & Kimche, 415 Seiten.