Grafik-Ausstellung Walter F. Haettenschweiler
Der Mann der Zeichen

Zum letzten Mal sind quer durchs ganze Schaffen die Werke des Ausnahme-Typografen Walter F. Haettenschweiler zu sehen. Ein Stück Schweizer Geschichte.
Publiziert: 22.01.2018 um 20:31 Uhr
|
Aktualisiert: 12.09.2018 um 21:05 Uhr
1/6
Walter F. Haettenschweiler mit einer eigenen Schrift in seinem Zuger Atelier.
Foto: Stefan Kaiser/ Neue Zuger Zeitung
Silvia Tschui

Schokolade, Uhren, Maschinen und Waffen. Dafür ist die Schweiz weltweit berühmt und – im Rahmen der ersten drei Bereiche – beliebt. Dass die Schweiz aber auch spitze in einer ganz ­anderen Art von Export ist, wissen wenige. Zu unaufdringlich ist diese weltweit verbreitete Ware, obwohl sie den Alltag der zivilisierten Welt durchdringt. Die Rede ist von der Typografie. Die meistverwendeten Schriften weltweit stammen aus Schweizer Ateliers und wurden von Schweizern Designern gestaltet.

Jetzt ist für kurze Zeit das Gesamtwerk einer der prägenden ­Gestalten der Schweizer Typografie zu sehen. Der Zuger Grafiker Walter Haettenschweiler ist vor drei Jahren im Alter von 81 Jahren verstorben. Drei Jahre hat die Sichtung des Nachlasses gedauert. Er umfasst rund 80 Schriften, Briefmarkengestaltungen sowie Malereien und Logos. Es ist eine Wunderkammer unserer Grafikgeschichte, konzentriert auf eine Person.

Der Kartograf einer neuen Ästhetik

Haettenschweiler erreicht als Typograf internationalen Ruhm, die Ini­tialzündung dafür ist ein Werk, das von der Liebe zu modernen Schriften zeugt: Die erste Sammlung mit dem Titel «Lettera» (1954–1972) umfasst vier Bücher, von denen ­Haettenschweiler das zweite, dritte und vierte editiert und herausgibt. Die Reihe macht ihn zum international gefragten Experten. Es schadet dabei natürlich nicht, dass verdientermassen auch einige seiner eigenen Schriften im Buch stattfinden. Haettenschweilers berühmteste aus dem Jahr 1954 trägt seinen Namen und macht bald ­Furore: Weil die zunächst als «schmalfette Grotesk» bezeichnete Schrift nicht als Schriftsatz erhältlich ist, kopieren und zerschneiden die Grafiker des französischen ­Magazins «Paris Match» die Buchseiten, um die Titel des Magazins mit der schmalen, klaren, aber dennoch fetten Schrift zu gestalten. Ähnlich gehen englische Designer für Plakate vor. Später kommt die Schrift unter dem Namen Haet-tenschweiler bei Microsoft zu Ehren: Die Firma benutzt sie für das Software-Paket Office und jahrelang für die ­Titel aller Schriftsachen.

Eine Haettenschweiler Schrift: Eine kondensierte, halbfette Schrift aus dem Jahr 1954.

Schweizer Typo-Explosion in den 1950er-Jahren

Haettenschweiler ist nicht der erste Schweizer Grafiker, der mittels Typografie zu Ruhm kommt: Ab den 1950er-Jahren revolutioniert der Schweizer Erfolg die Grafik und prägt sie bis heute. Die ersten Schriften, welche bald weltweit und bis heute überall zu sehen sind, heissen Univers (1954) und Helvetica (1957). Univers ziert neben ­diversen Logos heute sämtliche Strassenbezeichnungen in London. Und Helvetica ist bis heute die meistgebrauchte Schrift überhaupt.

Entwickelt wurden sie von zwei Grafikern, die sich in einem ähnlichen Umfeld bewegten wie Haettenschweiler: Adrian Frutiger (Univers) und Max Miedinger (Helve­tica). Beide studieren an der Kunstgewerbeschule Zürich, wo der ­Typografie-Unterricht teilweise noch darin bestand, alte lateinische Inschriften abzuzeichnen und zu ­studieren. Frutiger, Miedinger und auch Haettenschweiler orientieren sich bald anders – an Grössen wie Josef Müller-Brockmann etwa, dessen Stil seit Ende der 40er-Jahre in der ganzen Schweiz Plakate und Drucksachen bestimmt. Er wiederum ist stark vom Bauhaus beeinflusst, was wohl auch die neuen Schriften derart durchschlagskräftig macht: Frutiger und Miedinger entwickeln und halten sich an ­einen strikten geometrischen Rahmen und entwickeln ihre Schriften als Erste nach Gesetzen der Mathematik – und eliminieren, getreu nach Bauhaus, sämtliche unnötigen Schnörkel wie etwa die sogenannten Serifen – also die Häkchen oder «Füsschen», die etwa an einem n unten bei Schriften wie Times zu sehen sind. So entstehen frisch-saubere, moderne Schriften, die wie geschaffen sind, um das gleichzeitig stattfindende Wirtschaftswunder zu illustrieren.

Die Schrift von Adrian Frutiger sehen wir täglich auf den Strassen-Schildern

Haettenschweilers Erbe ist nur seine berühmteste Schrift – für die er von Microsoft übrigens keinen Cent erhalten hat, die Nutzungsrechte waren bereits abgelaufen. Die «Lettera»-Bände bleiben essenzielle Standardsammlungen, die auch für die neuste Generation berühmter Schweizer Typografen wie Cornel Windlin, Norm oder François Rappo eine reiche Quelle der Inspiration bleiben.

Sie sorgen so dafür, dass die Schweiz auch heute Typografie-Spitze bleibt. Verschiedene Institutionen wie das Museum für Gestaltung in Zürich oder das Staats­archiv Zug werden nach der Ausstellung Haettenschweilers Werk unter sich aufteilen. In dieser Ausstellung ist es zum letzten Mal vereint in einem Raum zu sehen.

Info: Ausstellung Walter F. Haettenschweiler, 27. Januar bis 17. Februar, Galerie Carla Renggli, Ober Altstadt 8, Zug

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?