Schon früher wollten die Töchter nicht immer so wie die Väter der Familie oder die Gesellschaft. Sie wollten nicht den von der Familie Auserwählten heiraten, ihm reihenweise Kinder gebären und diese aufziehen. Und dann hiess es oft: «Ab ins Kloster!» Dort sollten die Frauen dann ein Dasein abseits der Welt fristen und nur noch putzen, Kreuze polieren, Altartücher sticken und beten.
So ungefähr ist das gängige Klischee des historischen Klosterlebens, das in vielen Köpfen verbreitet ist.
Freiheit hinter Mauern
Die Realität war aber eine völlig andere. Ab dem 5. Jahrhundert entstanden in Europa die ersten Nonnenklöster. Sie waren oft das Gegenteil eines Gefängnisses, nämlich Orte, an denen Frauen eine Chance auf etwas hatten, was ihnen sonst nicht zustand: eine soziale Absicherung, ganz ohne auf die Laune und Gunst eines Mannes angewiesen zu sein. Die Chance, sich nicht ausschliesslich mit Gebären zu beschäftigen, sondern lesen und schreiben zu lernen und so Zugang zu Bildung, bildender Kunst und Musik zu erhalten.
Allerdings, auch das muss festgehalten sein, war die mittelalterliche Gesellschaft streng standesbewusst geordnet – auch diese Optionen standen also zumeist nur Frauen aus gehobenen Schichten offen. Nonnen aus niedrigem Stand haben meist einfach nur geschuftet.
Unermesslicher Reichtum – und politische Macht
Trotzdem: Adelstöchtern – und bisweilen auch anderen – eröffneten sich in Klöstern oder Stiften Möglichkeiten, die Frauen in der normalen Gesellschaft verwehrt blieben. Die meisten herausragenden weiblichen Persönlichkeiten des Mittelalters stammten aus Klöstern und Stiften. Und diese Möglichkeiten waren teilweise ganz weltlicher Art: politische und wirtschaftliche Einflussnahme zum Beispiel.
Klöster oder Stifte verfügten oftmals über beträchtlichen Landbesitz. Dies ermächtigte die Leiterinnen, also die Äbtissinnen, eigenverantwortlich Aufträge zu erteilen, zum Beispiel weitere Klöster oder Kirchen bauen zu lassen, die manche Städte bis heute prägen. Sie herrschten auch über die auf ihren Ländereien lebenden Bauern und sprachen über sie Recht.
In Deutschland etwa gibt es eine ganze Stadt, die zunächst ein Stift war: Das Stift Essen im heutigen Ruhrgebiet verfügte über Ländereien mit rund 3000 Bauernhöfen. Die Siedlung rund um das Stift erhielt im 13. Jahrhundert Stadtrechte, worauf die Äbtissinnen zu Reichsfürstinnen aufstiegen und somit mit einem Sitz im Reichstag vertreten waren. Als Äbtissin eines mächtigen Klosters verfügten Frauen über so viel Macht wie ein männlicher Fürst.
Klöster waren Leuchttürme der Bildung
Aber auch die Hinwendung zur Bildung war Frauen im Kloster möglich. Zu anhaltender Berühmtheit hat es so etwa Hildegard von Bingen (1098–1179) gebracht. Die Universalgelehrte war Äbtissin, Mystikerin, Heilkundlerin, Dichterin und Komponistin und – auch dank ihrer vom Papst abgesegneten göttlichen Visionen – so angesehen, dass Könige und Fürsten bei ihr Rat suchten. Von Bingen scheute sich, wie in ihrem Briefwechsel nachzulesen ist, dabei auch nicht, dem einen oder anderen König gehörig den Kopf zu waschen. Überdauert haben auch ihre medizinischen Schriften – wobei sie, und das ist die grosse Eigenleistung, das damalige Wissen der griechisch-lateinischen Überlieferung mit der Volksmedizin zusammenbrachte und ergänzte. All dies wäre ihr nicht möglich gewesen ohne die Institution des Klosters.
Oder wussten Sie etwa, dass Zürich im Mittelalter einst fest in weiblicher Hand lag? Elisabeth von Wetzikon (ca. 1235–1298) vereinte etwa eine Machtfülle sondergleichen in sich. Die Fürstäbtissin des Fraumünsters war oberste Richterin und besass das Recht, Münzen zu prägen und so die Geldpolitik ihres Einflussgebiets zu regeln – welches dank des Grundbesitzes des Klosters bis tief in die Innerschweiz reichte. Wer Bürgermeister von Zürich werden wollte, wurde von ihr gewählt. Schiller und Gottfried Keller verewigten die einst mächtigste Frau der Schweiz in ihren Werken.
Freiwillige Armut und Bescheidenheit
Anderen Nonnen wäre eine solche Machtfülle ein Graus gewesen: Klara von Assisi (1193/94–1253), eine frühe Jüngerin von Franz von Assisi, entsagte im Frühling 1212 ihrem adligen Leben und liess sich in radikaler Armut in einer bescheidenen Kapelle nieder – wohin ihr alsbald diverse Frauen folgten. Der Orden der Klarissen – der bald grösste Frauenorden in der katholischen Kirche – war gegründet. Die von Klara von Assisi niedergeschriebenen Ordensregeln waren für die Zeit erstaunlich demokratisch gehalten und appellierten insbesondere an die Eigenverantwortung jeder einzelnen Schwester.
Drei Lebensentwürfe, wie sie in Klöstern möglich waren – es gab aber noch viele mehr. Die Ausstellung zeigt anhand von fünfzehn Frauen exemplarisch, was in und wegen Klöstern für Frauen alles möglich war. Und kommt so zu einem starken Stück Frauen- und Emanzipationsgeschichte der Schweiz und der umliegenden Länder. Bleibt nur zu sagen: Ab ins ... Landesmuseum.
Nonnen. Starke Frauen im Mittelalter, Ausstellung im Schweizerischen Nationalmuseum, geplant im Landesmuseum Zürich