Der Präsident spricht: «Ich werde handgreiflich und schlage das Mikrofon vom Tisch. Als ich aufstehe, werfe ich den Stuhl um.» Nein, es ist nicht der ungestüme Donald Trump, sondern der fiktive Ich-Erzähler Jonathan Duncan aus dem Krimi «The President Is Missing» («Der Präsident ist verschollen»). Am Montag erscheint das Buch weltweit auf einen Schlag in mehreren Sprachen, unter anderem auf Deutsch.
Die Veröffentlichung gilt als Buchereignis des Jahres. Denn US-Präsident Duncan mag zwar eine erfundene Figur sein, ihr Erfinder ist aber tatsächlich höchster Amerikaner gewesen: Bill Clinton (71) regierte die Vereinigten Staaten von 1993 bis 2001. Er weiss also, wovon er im Buch erzählt.
Der erste amerikanische Präsident, der einen Roman schreibt! Wie wenn das nicht schon schlagzeilenträchtig genug wäre, hat sich der ehemals mächtigste Politiker mit dem Wortmächtigsten zusammengetan: Der Amerikaner James Patterson (71), gemäss «Spiegel» der «erfolgreichste Schriftsteller der Welt», firmiert als Co-Autor.
Die drei erschreckendsten Tage einer Präsidentschaft
Mit seinen Lindsay-Boxer- und Alex-Cross-Buchreihen verdiente Vielschreiber Patterson laut Wirtschaftsmagazin «Forbes» alleine 2017 rund 87 Millionen Dollar und dürfte mittlerweile Milliardär sein. Für seine Zusammenarbeit mit Clinton soll «Amerikas reichster Autor» («Forbes») zusätzlich ein Millionensalär erhalten haben.
Klar, wer mit so viel Power auf den Markt drängt, will sich den Start nicht durch krittelnde Stimmen vermiesen lassen. «Top Secret» klebt symbolisch über dem Buch – kein Vorabdruck, keine Interviews, keine Lektüre für Rezensenten. Trotzdem sickerte letzte Woche ein Buchausschnitt über einen Blog ins Internet (daraus der übersetzte Ausschnitt am Anfang des Artikels). Zudem durften ausgewählte Thriller-Autoren «The President Is Missing» schon lesen – für einen Werbespruch.
«Clintons Insider-Geheimnisse und Pattersons erzählerischer Schöpfergeist machen das zum politischen Thriller des Jahrzehnts», lässt sich der britische Schriftsteller Lee Child (63, «The Killing Floor») zitieren. «Dieses Buch ist wie der Präsidentenflieger Air Force One – gross und schnell», meint Michael Connelly (61, «Ehrensache») und schliesst: «Clinton und Patterson sind ein Traumteam.» Und Krimi-Old-Lady Mary Higgins Clark (90) urteilt: «Fesselnd von der ersten Seite an. Eine fantastische Lektüre!»
«The President Is Missing» beschreibt auf 480 Seiten und in 128 Kapiteln drei Tage in den USA, Samstag bis Montag. Gerüchte von Internet-Terror erschrecken die Nation. Spionage ist im Spiel, und im Regierungskabinett soll ein Verräter sitzen – selbst der Präsident steht unter Verdacht. Dann schnellt er vom Stuhl auf und verschwindet plötzlich.
«Ja, ‹The President Is Missing› ist Fiktion», sagt Bill Clinton, «James Patterson und ich haben uns die drei erschreckendsten Tage in der Geschichte einer Präsidentschaft einfallen lassen – und das könnte wirklich geschehen, und es geschieht so schnell.»
Das Weisse Haus und Krimis – das ist eine alte Liebe, wie «New York Times»-Autor Craig Fehrman weiss, der demnächst ein Buch über US-Präsidenten und ihre Bücher veröffentlicht: Bereits Abraham Lincoln verehrte im 19. Jahrhundert Edgar Allan Poe, Woodrow Wilson machte Krimis während des Ersten Weltkriegs salonfähig, und Franklin D. Roosevelt regte 1935 ein Autorenkollektiv mit seiner Idee an: «Wie kann ein Mann mit fünf Millionen Dollar verschwinden, ohne Spuren zu hinterlassen?» «The President’s Mystery Plot» war das Buch-Ergebnis und kam 1936 in die Kinos.
«The President Is Missing» als TV-Serie geplant
Von Clintons und Pattersons «The President Is Missing» ist eine TV-Serie in Planung. Die Story soll einen atemberaubenden Blick auf die inneren Mechanismen und die Verletzlichkeit der USA eröffnen – voller Informationen, die nur ein früherer Präsident wie Bill Clinton kennen kann. James Patterson dazu: «Unnötig zu sagen, dass wir einige ergiebige Gespräche über die Präsidentschaft, das wirkliche Leben in Washington, die USA und den Rest der Welt geführt haben.»
Gemäss den englischen Original-Verlagen Little, Brown & Company und Knopf ist «The President Is Missing» deshalb der authentischste und erschreckendste Roman seit vielen Jahren. Und einer, über den wir noch Jahre sprechen werden. Zumindest nächste Woche ist er das Gesprächsthema Nummer eins.
Bill Clinton/James Patterson, «The President Is Missing», auf Deutsch von Anke und Eberhard Kreutzer, Droemer-Verlag