Wenn einer eine Reise tut, kann er was erzählen. So lautet ein bekannter Spruch, und Sprüche haben immer eine wahre Botschaft. Wir verwenden sie, weil sie knapp das wiedergeben, was wir länger und umständlicher formuliert hätten. Hierbei geht es vor allem um die zwei Wörter «Reise tut». Man erlebt wohl am meisten auf dem Weg ans Ziel, nicht am Ziel selbst. Selten bleibt eine Auto- oder Zugfahrt, eine Überfahrt mit der Fähre oder ein Flug in ein fernes Land ohne jegliches Abenteuer.
Gerade am Flughafen und im Flieger treffen wir auf die unterschiedlichsten Mitreisenden. Wir sehen sie warten, schimpfen und schlafen. Und dann sitzen wir mehrere Stunden mit ihnen in einem Aluteil fest. So erging es uns wieder einmal diese Woche.
Und wir wollen was erzählen: Die Maschine der Turkish Airlines ist am Flughafen Istanbul zum Start bereit. Die Passagiere sind angeschnallt, in wenigen Minuten geht es los, vermeldet der Pilot. Da ertönt das rituelle Gebet des Islam aus den Lautsprechern, und der Grossteil der Passagiere stimmt mit ein.
Auf den Bildschirmen flimmert der Text – auf Arabisch, Türkisch und Englisch. Wir verstummen und blicken irritiert durch die Reihen. In unserer ganzen Flugkarriere haben wir noch nie ein gemeinsames Fluggebet erlebt. Auf dem Gangplatz vis-à-vis betet sogar ein ganz kleines Mädchen von etwa fünf Jahren fleissig mit.
Es dauert nicht lange, da wird das Bordmenü mit den Blockbuster-Filmen wieder angezeigt. Der Flugbegleiter erklärt auf Nachfrage: «Nur bei Flügen nach Saudi-Arabien wird vor dem Abflug gebetet. Auch bei einem Flug aus Saudi-Arabien heraus.» Dann füllt er Wasser in einen Becher und sagt: «Übrigens schenken wir auf diesen Flügen auch keinen Alkohol aus.»
Wir stellen uns vor, wie es wäre, wenn man auf Europaflügen plötzlich mit den Passagieren gemeinsam das bekannteste Gebet des Christentums anstimmen würde: «Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name.» So würde man vielleicht in der Schweiz, Österreich und Deutschland beten.
Aber in der Air France würde es wohl heissen: «Notre père qui êtes aux cieux.» In der British Airways: «Our father in heaven.» Vielleicht ein Grund, das Lateinisch wieder auszugraben, sodass es für alle gemeinsam lauten könnte: «Pater noster, qui es in caelis.»
Warum wir nach Saudi-Arabien reisen, lesen Sie auch hier auf Blick. Inschallah.