Stress in der Schule, Streit mit Freunden, Eltern, die nerven: Der Druck, unter dem Jugendliche stehen, ist immens. Um der Dauerbelastung besser standzuhalten, greifen bereits 15-Jährige zu verschreibungspflichtigen oder verbotenen Medikamenten, sogenannten Neuro-Enhancern.
Das belegt eine breit angelegte Studie aus dem Kanton Zürich, für die rund 1400 Schüler im Durschnittsalter von 17 Jahren befragt wurden – aus Gymnasien, Berufs- und Berufswahlschulen. Resultat: Die hauptsächlichen Stressquellen sind Schule oder Lehre. 56 Prozent der Berufsschüler machten diese Faktoren für ihren Leistungsdruck verantwortlich. Aber auch Freizeit, Familie und Freunde wurden als alltägliche Stressauslöser benannt.
Berufswahlschüler greifen am häufigsten zu Stimulanzien
Um dem Druck gewachsen zu sein, greifen vor allem Berufswahlschüler zu chemischen Hilfsmitteln. 29 Prozent gaben an, dass sie ohne deren Einnahme den verspürten Stress nie oder nur selten bewältigen können. Unter den Schülern der Berufsfachschule waren es noch rund 20 Prozent, unter den Gymnasiasten immerhin sieben Prozent.
Insgesamt konsumieren 21 Prozent der Schüler, wie die Studie ergab, regelmässig verschreibungspflichtige Medikamente, um ihre geistige Leistungsfähigkeit zu erhöhen.
Monique Portner-Helfer von Sucht Schweiz zeigt sich vom hohen Anteil der Schüler «überrascht»: «Dass so viele Mittelschüler während ihrer Ausbildung und in der Freizeit zu Medikamenten greifen, ist besorgniserregend», so Portner zu SonntagsBlick.
Zeitgeist-Optimierung
Doch nicht nur verschreibungspflichtige Substanzen sollen helfen. Das verbreitetste Aufputschmittel ist und bleibt Koffein. Das geht auch aus der Zürcher Studie hervor: 75 Prozent der Jugendlichen gaben an, häufig koffeinhaltige Energydrinks zu konsumieren, um sich munter zu machen. Tatsächlich ist der Umsatz des koffeinhaltigen Softgetränks Red Bull in den letzten Jahren explodiert. An die 130 Millionen Dosen davon werden in der Schweiz jährlich konsumiert.
Energydrink-Hersteller profitieren vom Zeitgeist der Selbstoptimierung – ähnlich wie die Hersteller von Mitteln wie Supradyn oder Dynamisan, wie der Luzerner Rechtsprofessor Bernhard Rütsche (47) sagt: «Die Entwicklung geht einher mit einer Verschiebung unserer Werteordnung in Richtung einer Leistungsgesellschaft.»
Der Trend stammt aus den USA, wo die Einnahme von Ritalin als Hirndoping für junge Menschen längst salonfähig ist. Nun sei er auch bei uns angekommen, sagt Jurist Rütsche, der Mitglied der Nationalen Ethikkommission für Humanmedizin ist. «Die Erwartung, ans Gymnasium zu kommen oder den Weg zur Berufsmatura zu gehen, hat sich in den letzten Jahren stark verbreitet», erklärt Rütsche. «Prüfungen müssen mit möglichst guten Noten bestanden werden.» Denn jeder wolle später eine gute Stelle bekommen.
Ritalin als Wachmacher
Wie die von der Zürcher Bildungsdirektion erstellte und bislang nicht beachtete Studie zeigt, greifen Schüler regelmässig zu Arzneimitteln wie Ritalin, Concerta oder Modasomil.
Wie es bei der Zulassungsbehörde Swissmedic heisst, unterstehen manche Präparate, so etwa Modasomil, nicht dem Betäubungsmittelgesetz. Darum sei auch nicht bekannt, wie oft die Substanz verwendet wird.
Die Verkaufszahlen von verschreibungspflichtigen Neuro-Enhancern wie Elvanse jedenfalls gehen steil nach oben. Das Präparat enthält Dexmethylphenidat, ein Amphetamin, das verschrieben wird, wenn Methylphenidate wie Ritalin bei der Behandlung von Aufmerksamkeitsstörungen nicht mehr wirksam sind.
Die Kurve zeigt steil nach oben
Gemäss aktuellen Zahlen von Swissmedic wurden 2014 viereinhalb Kilo des Präparats ausgeliefert, im vergangenen Jahr waren es bereits 21 Kilogramm. Vom schwächeren Ritalin, das seinen Siegeszug schon früher begann, wurden 2005 insgesamt 140 Kilo Methylphenidate ausgeliefert, inzwischen sind es jährlich rund 340 Kilogramm.
Oft sind Enhancer nur dem Chemikalienrecht oder allenfalls dem Lebensmittelrecht unterstellt. Für Rechtsprofessor Bernhard Rütsche eine problematische Situation. Denn diese Gesetze verlangen nicht, dass die Nebenwirkungen auf die physische und psychische Gesundheit klinisch erforscht und staatlich geprüft werden.
Noch wenig Forschung zu den Folgen
Daher sind in vielen Fällen die Auswirkungen auf Nutzer und die Gesellschaft kaum erforscht – obwohl sie weitreichend sein können. Denn: Das Hirndoping setzt auch Mitschüler unter Druck, die nicht auf die chemischen Hilfsmittel zurückgreifen. Um dieselben Leistungen wie ihre gedopten Mitschüler zu erbringen, könnten sie versucht sein, ebenfalls zu den Helfern aus der Apotheke zu greifen.
Damit dies nicht geschieht, brauche es klare Regeln und griffige Kontrollmechanismen, sagt Rütsche. «Heute sind die Ärzte weitgehend auf sich allein gestellt, wenn sie entscheiden müssen, ob die Verschreibung der Mittel im Rahmen ihrer Sorgfaltspflicht erfolgt.» Leitlinien des Ärzteverbands FMH zum Thema gebe es nicht. «Auf jeden Fall braucht es dringend klare Vorgaben zur Abgabe», so Rütsche. Denn sonst wird der gedopten Gesellschaft Tür und Tor geöffnet.
Nehmen wir Ritalin: Das Medikament hilft Menschen mit einem Aufmerksamkeitsdefizit. Greifen Gesunde zu Ritalin, erhoffen sie sich eine übernatürliche Leistung. Ob jemand tatsächlich über seine Grenzen hinauswachsen kann, ist umstritten. Wissenschaftlich nachgewiesen wurde die leistungssteigernde Wirkung von Hirndoping bei Gesunden bisher jedenfalls nicht. Der Wirkstoff von Ritalin heisst Methylphenidat. Die Substanz findet sich auch in den Präparaten Concerta, Medikinet oder Equasym. Eine noch stärkere Wirkung wird Focalin zugeschrieben, das Dexmethylphenidat enthält. Auch Elvanse mit dem Amphetaminähnlichen Wirkstoff Lisdexamphetamin wird zur Leistungssteigerung verwendet. Weil diese Stoffe abhängig machen können, unterstehen sie dem Betäubungsmittelgesetz.
Eine ähnliche Wirkung wie Ritalin erzeugt Modasomil mit dem Wirkstoff Modafinil. Laut Zulassungsbehörde Swissmedic unterliegt das Mittel nicht dem Betäubungsmittelgesetz, die Abgabe wird nicht kon-trolliert. Bei Jugendlichen seltener im Einsatz sind die rezeptfrei erhältlichen Präparate Dynamisan oder Gly-Coramin.
Zu den sogenannten Soft-Enhancern zählen pflanzliche Stoffe und koffeinhaltige Getränke wie Red Bull. Sie werden extrem häufig konsumiert: 75 Prozent der Schüler gaben an, sich regelmässig damit aufzuputschen.
Nehmen wir Ritalin: Das Medikament hilft Menschen mit einem Aufmerksamkeitsdefizit. Greifen Gesunde zu Ritalin, erhoffen sie sich eine übernatürliche Leistung. Ob jemand tatsächlich über seine Grenzen hinauswachsen kann, ist umstritten. Wissenschaftlich nachgewiesen wurde die leistungssteigernde Wirkung von Hirndoping bei Gesunden bisher jedenfalls nicht. Der Wirkstoff von Ritalin heisst Methylphenidat. Die Substanz findet sich auch in den Präparaten Concerta, Medikinet oder Equasym. Eine noch stärkere Wirkung wird Focalin zugeschrieben, das Dexmethylphenidat enthält. Auch Elvanse mit dem Amphetaminähnlichen Wirkstoff Lisdexamphetamin wird zur Leistungssteigerung verwendet. Weil diese Stoffe abhängig machen können, unterstehen sie dem Betäubungsmittelgesetz.
Eine ähnliche Wirkung wie Ritalin erzeugt Modasomil mit dem Wirkstoff Modafinil. Laut Zulassungsbehörde Swissmedic unterliegt das Mittel nicht dem Betäubungsmittelgesetz, die Abgabe wird nicht kon-trolliert. Bei Jugendlichen seltener im Einsatz sind die rezeptfrei erhältlichen Präparate Dynamisan oder Gly-Coramin.
Zu den sogenannten Soft-Enhancern zählen pflanzliche Stoffe und koffeinhaltige Getränke wie Red Bull. Sie werden extrem häufig konsumiert: 75 Prozent der Schüler gaben an, sich regelmässig damit aufzuputschen.