Küssen erlaubt?
Das sollten Verliebte wissen

Eine Kuss ist ein Kuss ist ein Kuss – von wegen: Vom Flirten führen je nach Kultur ganz verschlungene Wege zum Sex. Auf welche nationalen Eigenheiten Verliebte achten müssen.
Publiziert: 15.02.2016 um 11:48 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 01:55 Uhr
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Verstehen: Binationale Pärchen müssen die Kultur des Partners verstehen lernen.
Foto: Xavier Zimbardo / Getty Images
Daniel Arnet

Er dauert 5 Minuten und 43 Sekunden und ist der längst Kuss in der Filmgeschichte – zu sehen in der Teenie-Komödie «Kids in America» von 2005.

Was für die einen ein Augenschmaus ist, berührt andere Zuschauer peinlich, ekelt sie gar. Denn galt das Knutschen lange als weltweit akzeptiert – noch 2011 spricht Sheril Kirshenbaum in «The Science of Kissing» beim romantischen Kuss von einem globalen Phänomen –, so kennt man heute grosse kulturelle Unterschiede.

Vor wenigen Monaten veröffentlichte das Fachmagazin «American Anthropologist» eine Studie über die Tradition des innige Küssens in der ganzen Welt. Dazu haben die Forscher 168 Volksgruppen auf allen Kontinenten untersucht.

In Asien praktizieren 27 von 37 erforschten Völkern den romantischen Kuss, in Europa sieben von zehn und in Nordamerika nur noch knapp die Mehrheit – 18 von 33. Vollends kippt das Verhältnis in Südamerika und Afrika: Auf diesen Kontinenten schmatzen bloss vier von 21 beziehungsweise 37 Ethnien.

Amerikaner küssen früh, Briten erst vor dem Sex

Löst also ein Knutsch-Atlas den internationalen Beziehungs-Knatsch? Nicht ganz. Denn selbst Völker, die küssen, haben oft eine unterschiedliche Vorstellung von den Lippenbekenntnissen. Darauf hat schon der österreichisch-amerikanische Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick (1921-2007) mit einem Beispiel aus dem Zweiten Weltkrieg hingewiesen.

In den 1940er-Jahren waren Tausende US-Soldaten auf den britischen Inseln stationiert. In der Freizeit schäkerten sie mit den einheimischen Frauen – eine Sprachbarriere gab es ja nicht. Trotzdem kam es zu Missverständnissen: Die Britinnen warfen den GIs vor, ungestüm zu sein. Umgekehrt erachteten die Amerikaner die Insulanerinnen als sexsüchtig.

Der Grund des Anstosses: der Kuss. Hüben wie drüben gab es etwa 30 Schritte zwischen erstem Blickkontakt und erstem Geschlechtsverkehr. Allerdings kam in den USA der Kuss relativ früh und war völlig unverbindlich, in Grossbritannien war er die letzte Vorstufe vor dem Sex.

Kommt es schon zwischen Völkern mit gleicher Abstammung zu Fehlschlüssen, wie kompliziert muss sich dann eine Paarbeziehung mit Menschen aus gänzlich unterschiedlichen Kulturen anlassen. So sind zum Beispiel Blumengeschenke an Frauen in Äthiopien und China unüblich – im Reich der Mitte ehrt man damit vornehmlich die Toten. 

Gebratene Kochbanane als Liebesbeweis

Wer sich in Japan auf einen Flirt einlässt, muss gewärtigen, seine Blutgruppe offenlegen zu müssen: Im Land der aufgehenden Sonne sieht man einen Zusammenhang zwischen Null Rhesus negativ oder A Rhesus positiv und einem 1A-Partner oder einer Niete. Trotz solch physischen Faktoren sollte man aber mit Körperkontakt zurückhaltend sein – Händeschütteln, Schulterklopfen oder eine Umarmen gelten in Japan als intimer Übergriff. 

Auch in Indien sollte man einer Frau zur Begrüssung nicht einfach die Hand entgegenstrecken. Man bringt sie damit eher in Verlegenheit, als dass man ihr eine Ehre erweist. Eine Ehrerbietung offenbart demgegenüber jener, der sein Date in der Elfenbeinküste auf gebratene Kochbananen anstatt auf ein Bier einlädt. 

Mit einem kühlen Blonden punktet man dagegen bei Italienerinnen – bei ihnen ist die Beliebtheit dieses Getränks in den letzten Jahren stetig gestiegen. Versteht sich von selbst, dass der Umtrunk in einer Bar, einer Caffetteria oder einem Ristorante stattfindet. Kehrt man dort im Rahmen einer Party oder einer Hochzeit ein, dann lässt sich noch ungezwungener flirten. Das ist in ganz Europa gleich.

Doch wie ist es, wenn eine Frau einen Mann anlächelt? Merkt er dann, ob sie nur nett ist oder etwas von ihm will? Dieser Frage ging man unlängst an der University of Kansas auf den Grund.

Das Ergebnis ist ernüchternd: Nur etwas mehr als ein Drittel der Männer bemerkten, dass die Frauen mit ihnen flirteten. Im umgekehrten Fall waren es gar nur 18 Prozent der Frauen, die einen männlichen Annäherungsversuch als solchen wahrnahmen. Das Fazit der Wissenschaftler: Sich öfters mal angesprochen fühlen - vor allem an Orten wie Partys oder Bars, die man häufig fürs Flirten aufsucht.

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