SonntagsBlick: Bänz Friedli, haben Sie als Knabe jeweils auf der Strasse Fussball gespielt?
Bänz Friedli: Ich war eigentlich im Turnverein, aber auf dem Schulhausplatz haben wir nachmittagelang gekickt.
Waren Mädchen dabei?
Nein. Aber mit 15 organisierte ich ein Grümpel-Turnier, das es heute noch gibt. Und dort waren von Anfang an Frauen dabei. Von Jahr zu Jahr kamen mehr dazu, und sie wurden stetig besser.
«Machs wie Abby, Sascha!» heisst Ihr erstes Kinderbuch, das demnächst erscheint. Darin geht es um das Mädchen Sascha: Gegen alle Widerstände peilt es eine Fussballerinnen-Karriere an.
Ich hoffe, es ist mehr als ein Mädchen-Fussballbuch: Ich möchte alle bestärken, das zu machen, was sie machen wollen. Damit meine ich Saschas jüngeren Bruder Niki genauso, der sich für Pferde und Bücher interessiert.
Geradezu eine Umkehrung der Klischees.
Wenn man nur den Plot des Buchs hört, klingt das furchtbar klischiert: umgekehrte Rollen. Aber ich habs von meiner Familie abgeschaut: Meine Tochter war seit ihrem sechsten Geburtstag jahrelang beim FC Blue Stars. Der Sohn hat viel lieber Bücher gelesen.
Haben Sie Ihre Tochter zum Fussball gedrängt?
Gut, ich bin Fussballfan, aber mit sechs Jahren sagte sie eigenständig: «Ich will in den FC.» Ich fiel aus allen Wolken, hab sie dann aber angemeldet.
Sie gelten als grosser Fan des Frauenfussballs, reisten diesen Sommer eigens an die EM in den Niederlanden. Wann haben Sie Frauenfussball für sich entdeckt?
In den 1970ern sah ich einen ersten Frauenfussballmatch zwischen dem FC Bern und Bad Ragaz – damals spielte Skilegende Marie-Theres Nadig bei den St. Gallerinnen. In den 1990er-Jahren war ich ein paar Mal in den USA, als gerade Endrunden im Frauenfussball liefen – das ging ab, TV-Stationen strahlten alle Spiele aus. Ich wurde heillos Fan.
Und zurück in der Schweiz ...
... hat dann mein Neffe eine Spielerin des Schweizer Nationalteams geheiratet. Ich ging häufiger ins Stadion, um sie spielen zu sehen.
Was fasziniert Sie beim Zuschauen?
Der Frauenfussball hat sich in den letzten Jahren enorm verbessert. Die erste Generation unserer Spitzenspielerinnen wie Nora Häuptle, Martina Moser und Lara Dickenmann kommt nun nach und nach aus dem Ausland zurück und wird das Niveau noch mehr heben.
Doch diese Freude teilen Sie mit wenigen anderen Fans in den Stadien.
Ja, das ist tragisch.
Hartnäckig hält sich das Vorurteil, Frauen könnten mit den Männern nicht mithalten. Was entgegnen Sie?
Man darf nicht ständig mit dem Männerfussball vergleichen. In der Leichtathletik sagt man auch nicht, Mujinga Kambundji sei weniger schnell als Usain Bolt – dort fanen die Zuschauer für beide Geschlechter gleich. Offenbar ist Fussball die letzte Männerbastion, die man nicht mit Frauen teilen will.
Sie sind seit Kindsbeinen Fan der Berner Young Boys – da sind die Frauen schon per Definition ausgeschlossen.
Ja, es ist absurd, dass sich unser Frauenteam «Young Boys Frauen» nennt und nicht «Young Girls». Ich verstehe auch nicht, dass selbst Fussballerinnen ständig von «unserer Mannschaft» sprechen. Das ist ein Team, eine Equipe – was immer.
Ihre Tochter und Ihr Sohn forderten immer ein Kinderbuch von Ihnen. Nun sind sie fast erwachsen, endlich veröffentlichen Sie das Buch. Haben Sie den richtigen Moment verpasst?
Ich sollte, glaub ich, ein Kinderbuch schreiben, damit wir nach Hawaii in die Ferien fliegen können. Meine Kinder dachten, dass wir durch die Veröffentlichung reich würden – sie hatten Joanne K. Rowling und Joachim Masannek, den Erfinder der «Wilden Fusballkerle», im Kopf – beides Millionäre.
Ging es den Kindern gar nicht so sehr um den Inhalt?
Schon auch. Mich rührte es sehr, dass sie mir überhaupt ein Kinderbuch zutrauten. Aber mir fehlte lange der Schnauf, um etwas Längeres zu schreiben.
Jetzt müssen Sie andere Kinder von Ihrem Buch überzeugen.
Das Fiese ist, dass Kinder das Buch nicht ganz selber beurteilen können, denn Acht- bis Elfjährige kaufen es in der Regel nicht selber – sie bekommen es von der Gotte oder dem Grosspapi.
Und die denken beim Buchtitel «Machs wie Abby, Sascha» sofort an den Film «Bend It Like Beckham». Bewusst gesucht?
Die indische Fussballerin, die als Vorlage für den grossartigen Film diente, lebt heute als Künstlerin in Basel. Sie war die erste asiatische Profi-Fussballerin. Doch bei meinem Titel dachte ich nicht mehr daran. Erst als wir das Buch ins Englische übersetzten, um es Abby zu schicken, merkte ich: Das ist ja «Bend It Like Abby»!
Denn für Sascha ist nicht David Beckham das Vorbild, sondern die US-Amerikanerin Abby Wambach.
Sie ist der grösste Fussballstar. Kürzlich hatte ich eine Lesung, bei der in der ersten Reihe viele Knaben sassen. Die fragte ich, wer weltweit die meisten Länderspieltore geschossen habe. Messi, Ronaldo, Maradona – alle Namen fielen, nur nicht Abby Wambach. Sie schoss 184, Ronaldo erst 78.
Müssten Mädchen mehr Frauen zum Vorbild nehmen?
Absolut. Als ich kurz Trainer von Juniorinnen des FC Blue Stars war, fand ich es immer absurd, wenn die Mädchen mit Zidane-T-Shirts ins Training kamen. Warum nicht ein Leibchen von Birgit Prinz? Die Deutsche war eine Weltklasse-Fussballerin. In den USA ist das anders: Dort wollen die Mädchen Soccer spielen und wie Abby Wambach werden, nicht wie Landon Donovan.
Wie hat Abby Wambach auf Ihr Buch reagiert?
Sie fand es ermutigend für Kinder – das hat mich sehr gefreut. Sie will nun ein signiertes Exemplar. Das bringe ich ihr dann persönlich vorbei.
Wambach ist nicht die einzige Spitzenfussballerin, die offen zu ihrer Homosexualität steht. Den Fussballern fällt es ungleich schwerer, sich zu outen.
Ein weiterer Punkt, weshalb ich Fussballspielerinnen so viel cooler finde. Nach dem WM-Titel der USA 2015 küsste Wambach einfach ihre Frau – und die ganze Welt hat es gesehen.
1965 in Bern geboren, war Bänz Friedli jahrelang Redaktor in den Bereichen Sport und Populärkultur. Seine Pendlerregeln in der Gratiszeitung «20 Minuten» machten ihn berühmt. Inzwischen schreibt Friedli eine Kolumne für das «Migros-Magazin» und ist sporadisch in der Satiresendung «Zytlupe» auf SRF 1 zu hören. Für sein Kabarettprogramm «Gömmer Starbucks?» bekam er 2015 den Salzburger Stier. Friedli lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Zürich.
1965 in Bern geboren, war Bänz Friedli jahrelang Redaktor in den Bereichen Sport und Populärkultur. Seine Pendlerregeln in der Gratiszeitung «20 Minuten» machten ihn berühmt. Inzwischen schreibt Friedli eine Kolumne für das «Migros-Magazin» und ist sporadisch in der Satiresendung «Zytlupe» auf SRF 1 zu hören. Für sein Kabarettprogramm «Gömmer Starbucks?» bekam er 2015 den Salzburger Stier. Friedli lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Zürich.