Rund 86 Prozent der kinderlosen Frauen und Männer im Alter von 20 bis 29 Jahren wünschen sich laut dem Bundesamt für Statistik zwei oder mehr Kinder. In der Schweiz gehört es immer noch dazu, dass man eine Familie gründet. Wer sich dagegen entscheidet, sieht sich häufig mit Vorurteilen konfrontiert. Dabei gibt es durchaus Menschen, die ganz einfach keine eigenen Kinder möchten.
Wir haben mit BLICK-Leserinnen gesprochen, die sich bewusst gegen Nachwuchs entschieden haben. Einige aus ethischen Gründen – sogenannter Antinatalismus –, andere, weil sie mit Kindern ganz einfach nicht viel anfangen können und auch so glücklich sind. Hier liest du die spannendsten Rückmeldungen.
Birgit Lang-Rauch (40): «Manche bezeichnen mich als egoistisch»
«Als Kind hat man mir zum Spielen immer Puppen gegeben. ‹Du wirst das später brauchen›, sagten sie. Ich habe mich aber schon damals mehr für Autos interessiert und sass im Kindergarten immer in der Jungs-Ecke, weil ich die Spielsachen dort spannender fand. Als ich zehn war, sagte ich dann zu meiner Mutter: ‹Bitte nicht traurig sein, aber du wirst nie Oma.› «Werd du zuerst mal erwachsen, dann reden wir weiter», meinte sie. Mittlerweile hat sie das aber akzeptiert und sagt, es sei mein Leben, obwohl sie Enkelkinder schon schön fände.
Mein Partner sagt auch, er brauche keine Kinder, um glücklich zu sein. Wir reisen viel und geniessen es, unabhängig und spontan zu sein. Trotzdem muss ich mich häufig rechtfertigen. Manche bezeichnen mich als Egoistin. Jemand sagte mir deswegen sogar mal ins Gesicht, ich sei eine richtig böse Frau. Dabei möchte ich einfach mein Leben selbst gestalten und mich nicht nach einem Kind richten – was soll daran falsch sein? Aber die Gesellschaft drückt einem einen Stempel auf, und das ist einfach nur traurig.
Mittlerweile habe ich mich sterilisieren lassen. Das war aber gar nicht so einfach. Ich musste dafür kämpfen, dass die Frauenärztin meine Entscheidung akzeptiert. Das finde ich diskriminierend, weil wir somit nicht über ihren eigenen Körper entscheiden dürfen. Aber ich habe das Thema gerade erst kürzlich – nachdem mich meine Cousine gefragt hat, ob ich Gotti von ihrem Kind werden möchte – erneut mit meinem Mann besprochen. Wir können uns nicht vorstellen, dass wir die Entscheidung je bereuen werden.»
Alessandra C. (43): «Ich spürte, dass es bereits zu viele Menschen gibt»
«Mir war schon als Kind klar, dass ich nie Mutter werden möchte. Ich war schon damals sehr naturverbunden und liebte Tiere. Unterschwellig hatte ich das Gefühl, dass es bereits zu viele Menschen gibt, die den Tieren und der Umwelt schaden. Als mich dann meine Eltern fragten, ob ich einmal Kinder möchte, sagte ich: ‹Um Himmels Willen, bloss nicht!› Das hat sie nie gestört. Meine Geschwister wollten ja Kinder, also gab es da keinen Druck.
Natürlich verurteile ich niemanden, der selbst Kinder möchte. Ich persönlich kann einfach nicht nachvollziehen, dass man in eine kaputte Welt noch Kinder setzen will. In meinen Augen sind Babys auch nicht gerade das Herzigste, was es gibt. Ich weiss auch schlichtweg nicht, was mit ihnen anfangen. Dann lieber noch, wenn sie etwas älter sind, so sieben oder acht – dann kann man ihnen wenigstens Quatsch beibringen. Aber allgemein beschäftige ich mich lieber mit einem Büsi als mit Kindern.
Ich kann Paare nicht verstehen, die alles daran setzen, Eltern zu werden – aber umgekehrt sind sie wohl genauso skeptisch meiner Haltung gegenüber. Diese stösst zwar nicht direkt auf Ablehnung, aber ich glaube, ich werde manchmal für meine Einstellung belächelt. Man sagt es mir nicht ins Gesicht, aber unbewusst spüre ich es. Mein Partner und ich haben schon vor Jahren darüber geredet. Er mag Kinder zwar gerne und war nicht so abgeneigt wie ich, welche zu kriegen, aber wir haben uns letzten Endes gemeinsam dagegen entschieden und sind glücklich damit.»
Sonja Zumbrunnen (34): «Meine Frauenärztin sagt, ich sei zu jung, um mich sterilisieren zu lassen»
«Eigentlich wollte ich immer noch vor 30 mein erstes Kind. Aber die Beziehung mit einem Mann, den ich für den Richtigen hielt, ging unschön in die Brüche. Meinen 30. Geburtstag feierte ich dann mit meiner Mutter und ein paar Freundinnen in London und das war eine wunderschöne Zeit. Kurz darauf fragte ich mich, ob ich denn wirklich Kinder brauche, um glücklich zu sein. Heute ist die Antwort für mich klar: Ich liebe Kinder, möchte aber keine eigene.
Der Punkt ist: Ich habe sowieso genügend Kinder um mich. Mein Partner hat zwei Töchter, die ich regelmässig sehe und zu denen ich ein gutes Verhältnis habe. Ausserdem bin ich kürzlich Gotti geworden. Ich geniesse die Zeit mit den Kleinen sehr und bin gerne Tante und habe alles, was ich zum Glücklichsein brauche.
Meine Eltern haben kein Problem mit meiner Entscheidung. Sie finden, wir müssen selbst wissen, was uns glücklich macht. In meiner Familie und meinem Freundeskreis ist das kein Tabuthema, aber in der Gesellschaft schon. Ich versuche schon seit Jahren, mich sterilisieren zu lassen, aber meine Frauenärztin sagt, ich sei dafür noch zu jung. Dabei ist das doch meine eigene Verantwortung und nur ich müsste mit den Konsequenzen leben. Für mich fühlt sich das wie Bevormundung an. Aber naja. Falls ich halt doch plötzlich ungewollt schwanger werde, würde ich nicht abtreiben. Ich würde das Kind lieben und wie jede Mutter auch mein Bestes geben.»
Irena Schmid (37): «Viele Eltern sagen, es habe sie niemand gewarnt»
«Der Plan war ursprünglich anders, aber es ist einfach so passiert, dass ich nun kinderlos geblieben bin. Mal lag es am falschen Partner, mal am falschen Timing. Es hat halt einfach nicht sein sollen und jetzt lebe ich dafür mit meinem kleinen süssen Biewer Yorkie. Ich wüsste aber auch gar nicht, wo ein Kind in mein Leben passen würde. In meiner Freizeit mache ich Triathlon und verbringe den Tag lieber auf dem Rennrad als auf dem Spielplatz.
Ich hätte also gar keine Zeit für ein Kind. Mein Leben ist voll. Ist es auch erfüllt? Nun, ich habe einfach das Gefühl, dass es mir sehr schwerfallen würde, auf all meine Freiheiten zu verzichten. Für ein Kind müsste ich alles komplett umkrempeln oder sogar aufgeben. Sollte es doch noch passieren, würde ich das schon tun, aber ich wünsche es mir nicht.
Ein grosser Teil meines Umfelds scheint das aber nicht wirklich ernst zu nehmen. Sie glauben, dass sich meine Haltung noch ändern wird und dass ich es im Alter bereuen werde. Diesen Druck empfinde ich als stressig. Ausserdem stelle ich immer wieder fest, wie sich Freunde und Bekannte unbewusst negativ über ihr Elterndasein äussern: Alles habe sich verändert und man müsse sich selbst komplett zurückstellen. Viele sagen auch, es habe sie niemand davor gewarnt, wie das Leben mit Kindern wirklich sei. Manchmal kommt es mir auch vor, als würden vor allem jüngere Eltern am liebsten mit mir tauschen – auch wenn sie es nie zugeben könnten.»
Marianne Schurter (36): «Wir könnten uns unseren Lebensstandard nicht mehr leisten»
«Als Teenager hatte ich die klassische Vorstellung vom Leben: Haus, Mann, Kinder, Hund. Ich habe damals ab und zu Männer kennengelernt, die bereits Familie hatten. Die meisten von ihnen waren unglücklich – trotz Kindern. Das war für mich der Beweis, dass Kinder keine Garantie für eine glückliche Beziehung sind.
Nun bin ich seit 15 Jahren mit meinem Partner zusammen und seit über zwei Jahren verlobt. Vor drei Jahren haben wir uns bewusst gegen Nachwuchs entschieden. Wir geniessen einfach unseren Lebensstandard, den wir uns mit Kindern niemals leisten könnten – teure Wohnung, drei Katzen, und Freunde, mit denen wir sehr viel unterwegs sind. Das macht uns glücklich, und es stimmt für uns beide. Mein Partner hat ausserdem eine erwachsene Tochter aus erster Ehe. Er war also eigentlich ganz froh, dass er nicht nochmals von vorne anfangen musste.
Nachdem wir dieses Gespräch hatten und uns sicher waren, dass wir keine Kinder möchten, sagte ich auch meinen Eltern, dass sie von mir keine Enkel erwarten dürfen. Meiner Mutter konnte ich die Enttäuschung ansehen. Aber es wäre in meinen Augen falsch, nur ihr zuliebe eine Familie zu gründen. Zum Glück ist mein Bruder mittlerweile Vater geworden, und ich bin froh, dass meine Eltern das doch noch erleben dürfen.»
Mehrere Leserinnen berichten, es brauche Überzeugungsarbeit, um sich als junge Frau sterilisieren zu lassen. Der Gynäkologe Thomas Hess erklärt, warum die Abklärungen so aufwendig sind.
Warum ist es für junge Frauen so schwierig, sich sterilisieren zu lassen?
Eine Sterilisation ist grundsätzlich als nicht reversibel anzusehen. Es gibt die sogenannte Good Clinical Practice, also Vorgaben, die in solchen Fällen zu beachten sind. Die Patientinnen müssen vollständig über den Eingriff und die Risiken aufgeklärt werden.
Manche Frauen empfinden das als Bevormundung.
Es geht auch darum, dass sich die Ärzte absichern können. Wenn zum Beispiel die Frau später einen neuen Partner hat und ihre Einstellung ändert, muss man nachweisen können, dass sie vorher ausführlich informiert wurde. Ausserdem möchte man als Klinik nicht den Ruf bekommen, dass man zu lasch Sterilisationen durchführt. Das ist auch ein Qualitätsausweis.
Warum ist es für Männer einfacher?
Da gibt es schon rein anatomische Unterschiede. Eine Vasektomie kann man ambulant mit lokaler Anästhesie vollziehen, bei Frauen ist das ein viel grösserer Eingriff. Ausserdem ist eine Vasektomie auch reversibel, was dann deutlich teurer wird.
Wann darf sich eine Frau denn sterilisieren lassen?
Also vor 30 bis 35 gibt es das selten. Danach geht es eben um die neutrale Aufklärung – meist durch eine Psychologin, damit die Entscheidung gut überlegt ist. Ein neutrales psychologisches Gutachten kann deshalb hilfreich sein. Wir möchten aber niemanden plagen und grundsätzlich ist der Eingriff auch für junge Patientinnen möglich, wenn auch eher aussergewöhnlich.
Was empfehlen Sie denn den Frauen unter 30, die sich bereits sicher sind?
Am besten suchen sie das Gespräch mit einer neutralen Fachperson, also jemandem, der nicht chirurgisch tätig ist, und legen ihre Beweggründe dar. Letzten Endes gibt es aber auch andere empfängnisverhütende Massnahmen, die nicht hormonell wirken und sich auch rückgängig machen lassen.
Mehrere Leserinnen berichten, es brauche Überzeugungsarbeit, um sich als junge Frau sterilisieren zu lassen. Der Gynäkologe Thomas Hess erklärt, warum die Abklärungen so aufwendig sind.
Warum ist es für junge Frauen so schwierig, sich sterilisieren zu lassen?
Eine Sterilisation ist grundsätzlich als nicht reversibel anzusehen. Es gibt die sogenannte Good Clinical Practice, also Vorgaben, die in solchen Fällen zu beachten sind. Die Patientinnen müssen vollständig über den Eingriff und die Risiken aufgeklärt werden.
Manche Frauen empfinden das als Bevormundung.
Es geht auch darum, dass sich die Ärzte absichern können. Wenn zum Beispiel die Frau später einen neuen Partner hat und ihre Einstellung ändert, muss man nachweisen können, dass sie vorher ausführlich informiert wurde. Ausserdem möchte man als Klinik nicht den Ruf bekommen, dass man zu lasch Sterilisationen durchführt. Das ist auch ein Qualitätsausweis.
Warum ist es für Männer einfacher?
Da gibt es schon rein anatomische Unterschiede. Eine Vasektomie kann man ambulant mit lokaler Anästhesie vollziehen, bei Frauen ist das ein viel grösserer Eingriff. Ausserdem ist eine Vasektomie auch reversibel, was dann deutlich teurer wird.
Wann darf sich eine Frau denn sterilisieren lassen?
Also vor 30 bis 35 gibt es das selten. Danach geht es eben um die neutrale Aufklärung – meist durch eine Psychologin, damit die Entscheidung gut überlegt ist. Ein neutrales psychologisches Gutachten kann deshalb hilfreich sein. Wir möchten aber niemanden plagen und grundsätzlich ist der Eingriff auch für junge Patientinnen möglich, wenn auch eher aussergewöhnlich.
Was empfehlen Sie denn den Frauen unter 30, die sich bereits sicher sind?
Am besten suchen sie das Gespräch mit einer neutralen Fachperson, also jemandem, der nicht chirurgisch tätig ist, und legen ihre Beweggründe dar. Letzten Endes gibt es aber auch andere empfängnisverhütende Massnahmen, die nicht hormonell wirken und sich auch rückgängig machen lassen.