Frauen erzählen über die schwierige Beziehung zu dritt
Schwiegermütter gefährden Ihre Ehe

Die Schwiegermutter hat einen miserablen Ruf. Zu Recht. Doch sie ist nicht das einzige ­Problem. Da ­wären noch die übersensible Schwiegertochter und der feige Sohn.
Publiziert: 19.11.2017 um 19:50 Uhr
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Aktualisiert: 06.10.2018 um 12:38 Uhr
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Felicitas Heyne ist Familientherapeutin und Psychologin. Sie schrieb ein Buch über
 Schwiegermütter.
Foto: HEYNE

Die Schwiegermutter. Eigentlich sollte sie einem fast leidtun. Sie muss für so einiges Negatives herhalten. Es gibt einen Kaktus, der heisst Schwiegermuttersessel, und den unbeliebtesten Tisch im Restaurant – meist in Toiletten- oder Küchennähe – nennt man Schwiegermuttertisch.

Das Phänomen des unbeliebten Familienmitglieds ist kultur- und epochenübergreifend. Die Schwiegermutter wird in Volksweisheiten verschmäht, und in Italien benennen sie ein Brotgebäck in der Form einer langen Zunge (sie steht für verbale Angriffe und Gehässigkeit) nach ihr: Lingue di suocera.In Märchen waltet die Mutter des Mannes als vollkommene Verkörperung des Bösen. Doch nicht nur bei den Brüdern Grimm oder in Kaiserin Sisis Biografie (im Hause Habsburg hauste wohl der prominenteste Schwiegermutter-Schwiegertochter Konflikt), auch im ­realen Leben können Schwiegermütter die Hölle sein – oder einen zumindest Höllenluft schnuppern lassen. Das beweisen verzweifelte Hilferufe in Foren und auch die Statistik. In einer repräsentativen Umfrage in Deutschland gaben 28 Prozent der Frauen an, ihre Partnerschaft kranke unter der schwierigen Beziehung zwischen ihnen und ihrer Schwiegermutter. In der Weihnachtszeit steht bei den meisten Familien auch das unabdingbare Aufeinandertreffen mit der Schwiegermutter bevor. Und damit der nächste potenzielle Konflikt. Von wegen himmlisches Fest.

Das SonntagsBlick Magazin wollte es genau wissen: Wie schlimm sind Schwiegermütter wirklich? Nach einem Aufruf meldeten sich zahlreiche Frauen und sprachen über das Tabuthema. Sie erzählten von ihren Konflikten mit der Schwiegermutter. Und egal, wo das Thema angesprochen wurde – in der Kantine, im Freundeskreis, bei Verwandten –, jeder hatte dazu etwas zu sagen. Die Frauen verwarfen die Hände, rollten mit den Augen oder meinten: «Da könnte ich ein Buch darüber schreiben.» Das haben sie nicht getan, aber sie haben uns ihre üblen Erfahrungen geschildert. Auch Psychologen und Therapeuten beschäftigen sich mit dem Phänomen. Warum ist die Beziehung zwischen Mann, Frau und ­ihrer Schwiegermutter so heikel? Welche Themen haben am meisten Konfliktpotenzial, und was kann ­jeder Einzelne tun, damit die Dreiecksbeziehung so harmonisch wie möglich verläuft? Denn eines vorweg: Probleme mit der Schwiegermutter haben Konsequenzen für alle – und sind oft eine Gefahr für die Partnerschaft.

Doch kein Schwiegermonster?

Das Paradoxe ist: Die Mutter des Mannes ist selten ein Monster, das den Tod der Schwiegertochter will. Nein, es gibt sie in allen Varianten. Da wäre die, der keine Frau der Welt gut genug ist für ihren Sohnemann. Es steht ihr ins Gesicht geschrieben: Was will er von der? Oder die Glucke, die quasi selbst in ihren Sohn verliebt ist. Die Meckertante: «Du kochst zu wenig, putzt nicht gut genug – und vor allem, was denken die Leute?» Oder die Intrigante, die vornerum ganz schön lieb ist, bis sie mit ihrem Schätzchen alleine ist und ihre Schwiegertochter schlechtredet.

Felicitas Heyne, Familientherapeutin und Autorin des Buches «Hass­geliebte Schwiegermutter», sagt: «Schwiegersöhne haben weit weniger Stress mit der Mutter ihrer Partnerin.» Diese Konstellation rufe weniger Reibungen hervor. Es gebe kaum Berührungspunkte, Rollenkonflikte blieben aus.

Dem Mann ist es eher egal, was die Mutter seiner Partnerin über ihn denkt. «Bei Männern ist es nicht schlimm, solange es nicht bedrohlich ist. Frauen nehmen es persönlich», sagt Heyne, die sich um­fassend mit dem Dreier-Gefüge beschäftigt. Das habe damit zu tun, wie Frauen sich definieren. Frauen wollen beliebt sein. Die Konkurrenzsituation macht die Beziehung so schwierig. Die beiden Frauen vergleichen sich, es gibt einen Wettbewerb zwischen ihnen.

«Es kann handfeste Eifersuchts­szenen geben», sagt Heyne, «es geht darum, wer dem Mann und Sohn wichtiger ist. Das seien Szenen wie zwischen Ehefrau und Geliebter.

Alexander Grob, renommierter Entwicklungspsychologe an der Uni Basel, argumentiert: «Die Schwiegermutter war ja nicht immer Schwiegermutter. Sondern lange Mutter und damit erste weibliche Bezugsperson.» Sie zog ihn gross, erlebte seine ersten Freundinnen mit. Zack, bum, wird sie vor vollendete Tatsachen gestellt. In Form einer Frau, die zu bleiben scheint. «Es gibt eine neue Gewichtung in der Beziehung. Jemand anders hat Priorität», erklärt Grob. Es scheint, als habe sich das Schwiegermutter-Problem verschärft.

Das hat mit gesellschaftlichen Entwicklungen zu tun: Junge Menschen leben heute länger zu Hause, haben eine enge Bindung zu ihren Eltern. Kinder und Eltern sind ab einem gewissen Alter eher Freunde als Verwandte. «Ich bin etwas verstört, dass die 30-plus-Generation regelmässig mit ihren Eltern in den Urlaub fährt, dass Mütter Wohnungsschlüssel haben. Die Generationen davor haben stets um ihre Unabhängigkeit gekämpft, die jetzt sind Nesthocker», sagt Heyne. 

So wird die Abnabelung schwer, Konflikte sind vorprogrammiert. Wir verdrängen Abschiede, die Grenzen zwischenmenschlichen Lebens verwischen mehr. Weil heute alle miteinander online verbunden seien. Doch der Sohn wählt eine Partnerin, bildet eine neue Einheit mit ihr – und diese sollte ­respektiert werden.
Heikel wird die Beziehung der beiden Frauen vor allem, wenn Kinder ins Spiel kommen. Und in einer Gesellschaft, in der es immer weniger Kinder gibt, wird dafür umso mehr auf sie fokussiert. Heyne spricht von der narzisstischen ­Elterngeneration. Das Kind als Projekt darf nicht scheitern. Daher passt es der Schwiegertochter auch nicht, wenn die Schwiegermutter es (v)erzieht.

Situation abwägen

Gerade in der heutigen Zeit, in der die meisten Frauen arbeiten, sind Eltern froh um Omas Hütedienst. Sogar der Mann erkennt die Problematik: «Meine Freundin und meine Mutter können es gar nicht miteinander. Aber wir sind auf meine Mutter angewiesen wegen der Betreuung.» Laut Heyne muss sich die Mutter klarmachen: Grosseltern kümmern sich besser als jeder Babysitter, gratis, und sie sind wichtig für die Entwicklung der Kinder. «Da muss ich als Frau an der richtigen Stelle den Mund halten.» Auch bei der Gummibärchen-Überdosis und dem Topf-Haarschnitt? «Jede Frau muss für sich selber entscheiden, womit sie leben kann und inwiefern es eine Win-win-Situation für alle ist.» Dafür müsse sich die Frau auch zurücknehmen oder ansonsten die Grossmutter konsequent aus ihrer Pflicht entlassen.

Besonders schwierig ist es, wenn die Schwiegermutter keinen Partner hat. Diese Mütter sehen den Sohn oft als Ersatzmann. Das beobachtet auch Heyne. Alleinstehende Frauen seien stark auf Kinder fokussiert und hätten hohe Erwartungshaltungen an sie. Sie seien an vielen Fronten enttäuscht worden und sehen den einzigen wichtigen Lebenssinn in den Kindern. Heyne warnt: «Das kann für die Kinder zur fürchterlichen Last werden.» Es fallen dann Sätze wie: «Das kann ich meiner Mutter nicht antun.»

Schuld ist nicht nur die Schwiegermutter, auch Schwiegertöchter befeuern den Konflikt. Kommt eine Frau neu in eine Familie, will sie nicht nur dem Mann gefallen, sondern auch dessen Anhang. Das liegt in ihrer Natur. Daher gibt sich die aktuelle Partnerin an der Seite eigentlich Mühe.

Vor lauter Mühe geben werden Schwiegertöchter ganz sensibel. Bei jedem Aufeinandertreffen sind ihre Antennen schon halb ausgefahren, sie wittern überall Kritik. Ist eine bestimmte Meinung über jemanden gemacht, nimmt man ­alles selektiv wahr. Man ist selten fähig, seine voreingenommene Sichtweise zu revidieren. Man steckt bereits in der Negativspirale.

Frauen sollten sich zurücknehmen beim Schwiegermutter-Lästern. Sie ist immer noch die Mama ihres Mannes. Umgekehrt – und das sollte man sich immer in Erinnerung rufen – erträgt man es als Frau ja auch nicht, wenn der Partner über die eigene Familie schimpft.

Frauen spüren nicht selten zu wenig Rückhalt vom Mann und haben das Gefühl, gegen die Allianz Mutter-Sohn zu kämpfen. Schwiegermütter können nach Beobachtungen von Heyne immer nur so viel Ärger machen, wie es die eigenen Kinder ihnen erlauben. Wenn zwei sich streiten – was tut dann eigentlich der Dritte? Womit wir beim Lösungs-Protagonisten wären. Der Sohn steht zwischen den Stühlen, will weder seine Mutter vor den Kopf stossen noch seiner Frau in den Rücken fallen. Er geht aus dem Schussfeld. Und macht die Situation nur schlimmer. Psychotherapeutin und Psychologen sind sich einig: Das Problem entschärfen kann nur der Sohn. Das ist die Aufgabe der Ehemänner und Söhne. Entwicklungspsychologe Grob sagt konkret: Der Partner muss die Frau schützen. Warum ihm das so schwerfällt, erklärt Heyne: Männer seien oft sehr eng mit der Mutter verbunden, die ­Mutter-Sohn-Beziehung war schon immer ganz speziell. Daher scheuen sie sich auch, ihr die Stirn zu ­bieten. «Mütter sind Meister in der emotionalen Erpressung. Und das funktioniert beim Sohn am besten. Männer können damit nicht um­gehen und weichen aus.»

Der Mann verstünde oft gar nicht, was so problematisch sein soll. «Das meint sie ja nicht so, hör halt weg» sind typische Sätze. Das sei gemäss Heyne nicht böse gemeint, er selbst – würde es denn ihn betreffen – würde es so handhaben. Aber es gebe auch den Typus Mann, der sich hinter der Mutter verstecke und denke: Meine Mutter spricht Dinge an, die ich auch nicht so gut finde, aber die zu sagen ich mich nicht traue. Verdankenswerterweise übernimmt Mama das für mich.

Das ist gefährlich, denn dann ist nicht der Konflikt zwischen den Frauen die eigentliche Schwierigkeit, sondern die Beziehung zwischen Mann und Frau. Heyne schlussfolgert: «Jemand, der ein Schwiegermutterproblem im Haus hat, hat immer auch ein Problem mit seiner Ehe.»

Ratschläge: So gelingt die Beziehung zu dritt

Psychologin Felicitas Heyne kennt sich aus mit ­Schwiegermüttern. Die Autorin von «Hassgeliebte Schwiegermutter» hat für das SonntagsBlick Magazin konkrete Tipps für die Schwiegermutter, die Schwiegertochter sowie den Sohn und Partner zusammengestellt.

Für die Schwiegermutter Auf die Stirn schreiben: Ratschläge sind auch Schläge. Keine ungefragte Hilfestellung. Meist ist es gut gemeint, aber nicht gut gemacht und wird als Kritik verstanden. Je öfter man es schafft, den Mund zu halten, desto besser. Eine Schwiegermutter sollte sagen: Wenn ihr Hilfe braucht, meldet euch. Je jünger die Beziehung zwischen den Betroffenen ist, umso ­weniger gut kann die Frau das Einmischen seiner Mutter ein­ordnen. So gut wie möglich auf das eigene ­Leben ausserhalb der kleinen Familie konzentrieren. Warten, bis man eingeladen wird. Das erfordert viel Selbstdisziplin. Aber je mehr die Schwiegermutter darauf drängt,Zeit mit der Familie zu verbringen, destomehr muss die Schwiegertochter ihre Grenzen verteidigen. Nicht eifersüchtig auf die andere Oma sein. Schwiegermütter klagen oft, dass die Enkelkinder viel mehr bei der Oma mütter­licherseits sind. Das lasten sie der Schwiegertochter an. Als Schwiegermutter mit der ­Mutter zu konkurrieren, ist Unsinn. Es ist ­natürlich, sich als Erstes an die eigene Mutter zu wenden, niemand steht einem näher. Sie taten es genau gleich. Also bloss nicht persönlich nehmen.

Für die Schwiegertochter Es geht um Anerkennung und Wertschätzung. Eine neue Frau nimmt der Mutter quasi den Mann weg, der für sie so wichtig ist. Die Schwiegertochter sollte wissen: Die Schwiegermutter will bloss teilhaben, hören, dass sie es gut hinbekommen hat. Die ­Botschaft, die man vermitteln sollte: Ich nehm ihn dir nicht weg, ich finde ihn genauso toll wie du. Es gibt Platz für uns beide. Kinder sind kein Faustpfand. Die Schwiegertochter darf sie nicht benutzen und drohen: Sonst siehst du sie nicht mehr. Das steht ihr nicht zu. Auch bei berechtigtem Zorn auf die Schwiegermutter, für ihre Kinder ist sie schlichtweg die Oma. Und als solche eine sehr zentrale, wichtige Bezugsperson. Den Mann miteinbeziehen. Als Erstes sollte man das Problem natürlich mit der Schwiegermutter besprechen und nicht zu lange warten. Wenn das nichts nützt, es ein Muster der Schwiegermutter ist oder ein grundsätzliches Problem, muss der Mann helfen. Die Partnerin muss ihm sagen, was er zu tun hat und dass es seine Mutter ist. Es gibt auch Schwiegermütter, für die ist keine Frau gut genug. Da muss der Sohn klar sagen: «Ich hab sie ausgesucht, und du lässt sie in Ruhe.»

Für den Sohn Er muss seiner Frau gegenüber loyal sein. Im Grunde geht es immer wieder darum. Im ­unmittelbaren Konflikt muss der Mann Position für seine Partnerin ergreifen, das ist seine Aufgabe. Dafür muss er aus der Komfortzone raus. Hinterher kann er das Gespräch suchen und seiner Partnerin sagen, sie habe überreagiert. Aber unter vier Augen und nicht vor der Schwiegermutter. Er darf seiner Frau nicht vor der Schwiegermutter in den Rücken fallen, das löst Aggressionen in ihr aus.
Er sollte sich hinterfragen. Sohn zu sein, ist oft sehr bequem. Söhne nehmen bei Müttern eine ganz besondere Stellung ein. Aber ein Sohn muss irgendwann erwachsen werden. Er muss sich fragen: Warum lasse ich es zu, dass meine Mutter schlecht über meine Frau redet? Was sagt das über mich aus? Hat sie recht? Das ist schwierig, aber für eine langfristige Partnerschaft unausweichlich.
Auch er muss verhindern, dass Kinder zum Spielball werden. Er soll sich als Vater einbringen, zur Partnerin sagen: «Wir bringen die Kinder zu meiner Mutter.» Und seiner ­Mutter klare Grenzen aufzeigen, was die ­Erziehung seiner Kinder betrifft, sagen: «Mir ist das wichtig», und nicht: «Meiner Frau ist das wichtig.» So kann er Querelen, die sich um Enkelkinder ranken, schnell entzerren

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