Der «Tochter-Effekt»
Wer ein Mädchen hat, trennt sich öfter

Laut Forschern haben erstgeborene Mädchen eher das Potenzial, die Beziehung ihrer Eltern indirekt zu sprengen als Söhne.
Publiziert: 09.05.2021 um 11:29 Uhr
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Aktualisiert: 10.05.2021 um 10:26 Uhr
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Laut einer neuen Studie haben Paare mit einer Tochter als Erstgeborene ein erhöhtes Scheidungsrisiko im Vergleich zu jenen mit erstgeborenen Söhnen.
Foto: Keystone
Camille Kündig

Von werdenden Eltern ist oft zu hören: «Egal, ob Junge oder Mädchen, Hauptsache, das Baby ist gesund!» Aber stimmt das auch? Das Geschlecht des Kindes könnte nämlich durchaus etwas bedeuten – zumindest für die Zukunft der Beziehung zwischen Mami und Papi.

Paare, deren erstes Kind eine Tochter ist, tragen im Vergleich zu jenen mit erstgeborenen Söhnen ein höheres Scheidungsrisiko. Dies schreibt jetzt ein Team von US-amerikanischen und australischen Forschern im ehrwürdigen «Economic Journal», einem führenden akademischen Magazin aus Grossbritannien.

Gemäss ihrer Untersuchung nimmt die Gefahr des Auseinandergehens mit der Anzahl der Töchter sogar noch zu!

Bereits frühere Forschungen wiesen auf diesen Effekt hin, bisher ging man allerdings davon aus, dass dies – so seltsam es klingt – mit einer damals tief in der Gesellschaft verankerten Vorliebe für Söhne zusammenhing.

Eltern von jugendlichen Mädchen streiten sich häufiger über Erziehung

Die aktuelle Studie zeigt nun: Der «Tochter-Effekt» setzt erst bei Töchtern zwischen 13 und 18 Jahren ein – also wenn sie im Teeniealter sind.

Das Forschungsteam analysierte für seine Studie drei Millionen Ehen in den Niederlanden und Statistiken aus den USA. Die Daten zeigen, dass sich Eltern von jugendlichen Mädchen häufiger über die Erziehung stritten und insbesondere Väter und Töchter einander auf die Nerven gingen. Gemäss den Autoren deutet dies darauf hin, dass unterschiedliche Ansichten über Geschlechterrollen eine Ursache der Trennung sein könnten.

Häufiges Streitthema ist laut früheren Studien, wie viel Kontrolle die Eltern über die persönlichen Entscheidungen der Teenager haben sollten: wie sie sich kleiden, mit wem sie zusammen sind, wo sie arbeiten. Die Zürcher Familienberaterin Anna von Senger sagt: «Bei Mädchen stellt sich womöglich aus protektiver Sicht auch heute immer noch die Frage, ob man genauer hinschauen muss als bei den Buben.»

«Töchter dienen als Spiegel der Mütter»

Spannend: der Trennungseffekt zeigte sich nur bei Vätern, die keine Schwestern haben. Laut den Autoren verstanden Väter mit Schwestern ihre Töchter womöglich besser – da sie bereits im früheren Familienkreis miterlebt hatten, mit welchen Problemen Mädchen zu kämpfen haben, und konnten somit in der Pubertät auftretende Konflikte mildern.

Familienberaterin von Senger nennt eine weitere mögliche Erklärung: «Es sind oft die Mütter, die eine Trennung nach langem inneren Prozess initiieren. Die erstgeborenen Töchter dienen dabei der Mutter als Spiegel. Wenn sie ihre Pubertät mit all ihren Hinterfragungen durchmachen, kann dies für die Mutter als Weckruf wirken: Was habe ich mit meinem Leben gemacht? Ist vielleicht noch etwas anderes möglich?»

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