Eltern sein in Zeiten von Corona
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Homeoffice vs. Home-Schooling:Kinderbetreuung, Homeoffice und Sex

Caroline Theiss über die schwierige Aufgabe von Eltern in der Corona-Zeit
«Die Chance in der Krise ist nicht mehr zu tun, sondern das, was wirklich zählt»

Die Schulen in der Schweiz bleiben noch bis Ende Mai geschlossen. Eltern stellt das vor eine grosse Herausforderung. Caroline Theiss (51), Trainerin im Bereich Selbstmanagement und Persönlichkeitsentwicklung, gibt Tipps, wie man damit umgehen soll.
Publiziert: 04.04.2020 um 11:53 Uhr
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Aktualisiert: 08.04.2020 um 14:03 Uhr
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Caroline Theiss (51), Trainerin im Bereich Selbstmanagement und Persönlichkeitsentwicklung, über die schwierige Aufgabe von Eltern in der Corona-Zeit.
Foto: Rainer Wolfsberger
Interview: Bettina Widmer

BLICK: Wie schafft man es, in der aktuellen Situation gleichzeitig Elternteil, Lehrer und berufstätig zu sein?
Caroline Theiss:
Das ist unmöglich. Wir befinden uns in einer Ausnahmesituation, in der wir alle überfordert sind. In den Medien findet man überall Ratgeber, die einem erklären wollen, wie man jetzt produktiv arbeiten und gleichzeitig eine gute Zeit mit der Familie verbringen soll, dabei ist das gar nicht zu schaffen. Die perfekte Familie, die jetzt zu Hause spielend leicht, effektiv und konzentriert im Homeoffice arbeitet und danach in Harmonie Salzzeigtierchen herstellt, existiert nicht. Eltern, die im Homeoffice tätig sind, sind mehr belastet als vorher. Um mit der aktuellen Situation klarzukommen, muss man zuerst die Erwartungen an sich selbst herunterschrauben.

Wie geht das?
Durchatmen, herunterfahren und sich überlegen, was möglich ist. Dafür muss man an seiner eigenen Haltung arbeiten. Wir befinden uns in einer Angstsituation. Wir haben Angst um unsere Gesundheit, Angst um den Job und unsere Existenz. In einer solchen Situation ist es schwierig, Zugang zu seinen eigenen Bedürfnissen zu haben. Helfen können dafür Mini-Auszeiten, damit es gelingt, innerlich wieder in Kontakt mit sich selbst zu kommen. Das kann ein langsam-meditatives Sockenaufhängen in der Waschküche sein mit guter Musik (am besten laut mitsingen, das hebt die Laune sofort), zehn Minuten in der Badewanne oder ein Skype-Gespräch mit der besten Freundin. Wir können die Anforderungen, die von aussen an uns gestellt werden, nicht verändern. Aber wir können die Erwartungen beeinflussen, die wir an uns selber haben. Das heisst: Ich mache, was nötig und machbar ist, und auf den Rest pfeife ich. Das ist eine gute Möglichkeit zu lernen, den eigenen Perfektionismus und das Pflichtgefühl ein für alle Mal auf ein für mich gesundes Mass herunterzuregeln.

Es ist also nicht so schlimm, wenn die Kinder in den nächsten Wochen weniger lernen als sonst?
Überhaupt nicht. Lehrer sein ist ein enorm anspruchsvoller Beruf, der nun hoffentlich endlich einmal entsprechend gewürdigt wird. Und als Eltern hat man ja noch unzählige andere «Baustellen», die Kinder sollen Ordnung halten, anständig essen, lernen, sich halbwegs sozialverträglich zu verhalten etc. Das Wichtigste für Familien ist jetzt nicht, alle Aufgaben abzuarbeiten, sondern eine möglichst gute Stimmung im Haus zu haben. Die Kinder werden nicht in eine schlechte Zukunft laufen, wenn sie mal eine Stunde vor Netflix hängen. Es wäre unrealistisch zu denken, dass Kinder, die sich häufig selbst nicht strukturieren können, alleine effizient lernen, während wir arbeiten. Man soll auch mal ein Auge zudrücken und weg von den hohen Ansprüchen an sich selbst und die Kinder kommen.

Wir sollten jetzt also alle weniger machen, als von uns erwartet wird?
Vor der Corona-Krise sind wir ständig in einem Hamsterrad gerannt. Wir wollten alles schaffen und uns ständig selber optimieren. Jetzt haben wir dieses Hamsterrad in unsere vier Wände verlegt, müssen in kürzester Zeit alle digitalen Anforderungen erfüllen und haben zusätzlich noch fünf weitere Jobs angenommen. Wir sind Judotrainer, Lehrer, Chorleiter und Eltern gleichzeitig. Und das noch unter erschwerten Bedingungen, nämlich mit Dichtestress. Wenn wir die Zeit jetzt richtig nutzen wollen, dann heisst das, wir müssen dieses Hamsterrad endlich hinter uns lassen. Die Chance in dieser Krise ist nicht mehr zu tun, sondern weniger.

Was sollten wir daraus für die Zukunft mitnehmen?
Das Schlimmste wäre, wenn nach der Krise alles so weitergehen würde wie vorher und sich nichts verändert hätte. Ich wünsche mir, dass wir alle etwas ruhiger werden und mehr lernen, im Moment zu leben und den Blick dafür zu schärfen, was im Leben wirklich zählt. Denn das ist doch das Lustigste an der Sache: Eben haben wir noch Pläne gemacht für den Herbst 2021 und uns furchtbar wichtig genommen und jetzt wissen wir nicht einmal mehr, was morgen für Regelungen herrschen werden und was die kommende Woche bringen wird. Wenn wir jetzt in einer negativen Stimmung versinken, bekommen wir einen Tunnelblick und dann sehen wir auch zu Hause nur noch das Nervige, Anstrengende, Stressige. Um das zu vermeiden, müssen wir zurück in eine gelassene Haltung. Was wir jetzt lernen können, ist, dass wir im Grunde im Leben sehr wenig kontrollieren können. Und das ist okay. Wir machen, was geht und was möglich ist. Dafür brauchen wir aber einen offenen Blick für den Moment und das Geschenk, das jede Familie im Grunde ist – und keine To-Do-Liste im Nacken.

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