Fremdbestimmt, frustriert und total überfordert: So fühlt sich Stéphanie Berger (44) sieben Wochen nach der Geburt ihres Sohnes. Sie habe den anstrengendsten Job der Welt: Mami im Dauereinsatz – ohne Lohn.
Damit bricht Berger ein Tabu, sagt Psychiaterin Barbara Hochstrasser (67), Chefärztin des Ambulatoriums der Privatklinik Meiringen in Bern: «Wer will sich eingestehen, dass dieses Kind, das man sich sehr gewünscht hat, statt dem erhoffen Glück an den Rand der totalen Erschöpfung bringt.» Die Erschöpfung von Berger sei wohl ein beginnendes Burnout.
Schweizer Eltern leiden am häufigsten
Allein ist sie damit nicht. Fünf Prozent der Schweizer Eltern leiden an einem elterlichen Burnout. Zu diesem Schluss kommt eine internationale Studie, die in 40 Ländern durchgeführt wurde und an der auch die Universität Genf beteiligt war. Die Schweiz gehört zu den Ländern mit der höchsten Burnout-Raten unter Eltern.
Barbara Hochstrasser, die 2004 eine Spezialstation für Burnout eröffnet hatte, begegnet in ihrer Tätigkeit immer wieder solchen Eltern, vor allem Müttern. Sie kennt die Faktoren, die zum Zusammenbruch führen können: «Die Doppelbelastung von Beruf und Kindern, der Verlust von persönlichem Freiraum, fehlende Unterstützung und eine grosse finanzielle Verantwortung.»
Steigende Erwartungshaltung
Dazu kommen ein schwach ausgebautes Betreuungssystem – und die steigende Erwartungshaltung. «Wir sind hier sehr leistungsorientiert, das gilt auch fürs Elternsein», sagt Hochstrasser. Heutzutage arbeiten meist beide Eltern, die Erziehungsarbeit bleibe aber noch immer an der Frau hängen: «Das hat sich in der Pandemie gezeigt, meist waren es die Mütter, die sich um das Homeschooling und Schulaufgaben gekümmert haben.»
Symptome für das Eltern-Burnout sind körperliche und emotionale Erschöpfung. Man fühlt sich ausgelaugt und verliert die Freude in der Elternrolle. Das kann bis zur emotionalen Distanzierung von den Kindern führen!
Doppelte Leistung der Mütter
Zu Zeiten unserer Grossmütter war Burnout noch kein Thema, zumindest sei nicht darüber gesprochen worden: «Damals wurde von Müttern aber auch nicht die doppelte Leistung verlangt.» Einer Frau, die heute «nur» Mutter ist, fehlt oft die Wertschätzung von aussen. «Das Elternsein braucht mehr Anerkennung, denn Kinder sind unsere Zukunft», sagt Hochstrasser. «Sie grosszuziehen, ist eine unserer wichtigsten Aufgaben und sollte entsprechend honoriert werden.»