Wer sich mit erstklassigen Schweizer Pinot Noirs beschäftigt, wird ziemlich schnell über den Namen Tom Litwan (44) stolpern. Völlig unaufgeregt und zurückhaltend keltert der gelernte Maurer in und um das aargauische Dörfchen Oberhof AG Weine, die mittlerweile sogar Abnehmer in den hart umkämpften Weinmärkten Hongkong und USA gefunden haben.
«Ich arbeite gerne mit meinen Händen», antwortet Litwan auf die Frage, welche Parallelen er zu seiner ehemaligen Maurer-Tätigkeit ziehen würde.
Ein Aufenthalt im Burgund bewegte ihn dazu, seinen Job als Maurer an den Nagel zu hängen und fortan einen neuen Lebensabschnitt im Rebberg zu beginnen. So liess er sich in der Schweiz zum Winzer ausbilden und arbeitete mehrere Jahre auf einem Weingut in Genf.
«Chemische Spritz- und Düngemittel zerstören unsere Böden»
Von gepachteten Rebbergen keltert Litwan seit 2006 seine eigenen Weine. Mittlerweile bewirtschaftet er rund acht Hektar, die in einem guten Jahr zwischen 20'000 und 25'000 Flaschen hergeben. Laut dem aargauischen Weingesetz könnte er rund dreimal so viel Wein abfüllen. Aber Litwan arbeitet lieber mit winzigen Erträgen von gerade mal 20 bis 30 Hektoliter pro Hektar Rebfläche, also auf demselben Ertragsniveau, wie die rarsten Weine aus dem Burgund.
Zu chemischen Pflanzenschutzmitteln hat Litwan, der seit 2014 biodynamisch zertifiziert ist, eine klare Meinung: «Seit 80 Jahren wird unser Planet mit chemischen Spritz- und Düngemitteln an den Ranzen gefahren. Die von der Agrarindustrie gemachten Versprechungen hinsichtlich des Hungers auf dieser Welt wurden nicht erfüllt. Stattdessen sind viele Böden kaputt und ausgelaugt. Da mache ich nicht mit.»
Neben Chardonnay und Riesling-Sylvaner keltert Litwan auch etwas Zweigelt für seinen Rosé. Sein Hauptaugenmerk gilt jedoch dem Pinot noir, von welchem er verschiedene Rebbergparzellen separat vinifiziert und abfüllt. Während Haghalde mit rund 50 Prozent Neuholz auskommt, arbeitet Litwan bei seinen Lageweinen Fure, Rüeget, Auf der Mauer, Fricktal oder Chalofe mit wenig bis gar keinem Neuholz, um die finessereiche Pinot-noir-Stilistik möglichst unverfälscht in die Flasche zu bringen.
«Naturkorken grenzen schon fast an Food Waste»
Weil Litwan seinen Kunden keine Weine mit fehlerhaftem Zapfen-Geruch zumuten möchte, verzichtet er seit mehreren Jahren auf den Einsatz von Naturkorken und arbeitet ausschliesslich mit synthetischen Korken. Seinen Weinen und seinem Ruf hat das nicht geschadet. Ganz im Gegenteil: Sein 2019er Thalheim Chalofe wurde von «Robert Parkers Wine Advocate» mit 95 von 100 Punkten geadelt und zählt zu den besten Schweizer Rotweinen des Jahrgangs.
Dass Litwan in seinem Beruf als Winzer voll eingespannt ist, zeigt auch sein Handy, welches in regelmässigen Abständen klingelt. Wie er dennoch eine gesunde Work-Life-Balance erreicht, möchte ich von ihm wissen. Litwan lacht: «Ich habe eher eine Work-Work-Balance! Ab und zu haut mich meine Partnerin auf den Hinterkopf. Wir sind aber schon 18 Jahre zusammen, so schlimm kanns also nicht sein.»
Zurück in Litwans Weinkeller degustieren wir seine eleganten, Frucht betonten Weine. Vom 2015er Chalofe Alte Reben, einer einmaligen Abfüllung mit etwas mehr Neuholz-Anteil sowie vom 2019er Chalofe, war ich tief beeindruckt. Litwans Weine sind so ruhig und unaufgeregt wie ihr Macher, bergen aber eine geballte Ladung Kraft und Energie. Die Rotweine sollten mindestens ein paar Jahre in der Flasche reifen, um ihr volles Potenzial auszuschöpfen.
Finanzielle Einbussen mit dem 2021er-Jahrgang
Wie die meisten Schweizer Winzer hat auch Litwan unter der mageren 2021er-Ernte gelitten. «Gerade mal einen Viertel einer normalen Jahrgangsmenge konnte ich in die Flasche bringen», so Litwan zu Blick. Da er in diesem Jahr nicht genug Trauben hatte, um seine verschiedenen Lageweine abzufüllen, wird er für den Jahrgang 2021 lediglich einen einzigen Weiss- und Rotwein abfüllen. Mit dem gelungenen Jahrgang 2022 geben Litwans Einzellagen aber zum Glück wieder ein Comeback.
Die finanziellen Folgen eines Weinjahrgangs wie 2021 seien brutal, gibt Litwan zu. «Einmal alle zehn Jahre können kleine Winzer wie ich so eine Katastrophe finanziell vielleicht noch verkraften. Kommt so ein magerer Jahrgang alle drei bis vier Jahre, würde ich finanziell wohl nicht mehr über die Runden kommen.»
Kurz vor der Verabschiedung repariert Litwan noch seine Etikettiermaschine, bei welcher der Antriebsriemen gerissen ist. Wie viele andere kleine Schweizer Winzerbetriebe ist Litwan im Prinzip ein KMU, wo der Chef beziehungsweise Inhaber überall selbst noch anpackt. Nach wenigen Minuten läuft die Maschine wieder und Litwan ist sichtlich erleichtert. Jetzt kann er sich wieder seinen Weinreben widmen und sie auf den nahenden Winterschlaf vorbereiten.