Von Alain Kunz

Zur Vermarktung der Region sind die Zugpferde unerlässlich. Diejenigen, die Glanz und Glamour versprühen. Diejenigen, die für uns Durchschnittsverdiener unerschwinglich sind. Neben den hohen Preisen zeichnen auch eine hervorragende Qualität diese Gewächse aus. Doch in diesem Bereich können einige Kleine absolut mit Sassicaia, Ornellaia und Co. mithalten. Wir haben sie in mühevoller Kleinarbeit herausfiltriert.

Die aufregende Liste von Wine Spectator

Da ist mal die Fattoria Casa die Terra. Ein Haus aus den Fünfzigern. Damals wurden Gemüse und Getreide sowie – obligat in der Toskana – Olivenöl angebaut. Von Wein redete niemand. Bis ein paar scheue Versuche mit einigen Flaschen für die Familie Frollani gemacht wurden. Als man das Traubengut an Ornellaia verkaufen durfte, merkte man: Hei, das Zeug ist qualitativ stark! So wurde der Weinbau allmählich wichtiger als Gemüse und Oliven. Heute produziert das Gut vier DOC-Bolgheri-Weine auf 13 Hektaren: Die Roten Maronea, Mosaico und Moreccio sowie einen Weissen, den Vermentino. Dazu gesellen sich 14 Hektaren in Gebiet Bibbona/Cecina sowie sieben in Montescudaio.

Den Durchbruch schaffte das Gut mit dem Moreccio, einer Assemblage aus Syrah, Merlot und Cabernet Sauvignon. Der 2005er schaffte es 2007 auf die Liste des „Wine Advocate“ der aufregendsten Weine des Jahres. Und das alles ohne bezahlte Werbung. Ja gar ohne in der italienischen Weinbibel „Vini d’Italia“ des Gambero Rosso vertreten zu sein. Giuliano Frollani sagt dazu achselzuckend: „Wer da Werbung macht, kommt besser weg. Also lassen wir es sein.“ Der Moreccio ist unser eindeutiger Preis-/Leistungssieger aus Bolgheri.

Dottore mit Musketier-Bärtchen

Zweites Beispiel für eine kleine Azienda mit typischen, unverfälschten Weinen ist Ceralti. Ein Familienunternehmen, das derzeit von Dottore Iacopo Alfeo geleitet wird. Der junge Mann, der das Gut von Papa Walter vor drei Jahren übernommen hat, wirkt mit seinem Musketier-Bärtchen indes gar nicht wie ein bornierter Akademiker. „Schreib etwas Gutes über uns. Das können wir immer gebrauchen“, sagt er. Die Weine von Ceralti verkaufen sich aufgrund ihres Preis-/Leistungsverhältnisses auch so schon gut. Auf dieses Verhältnis lege man das Hauptaugenmerk, sagt Iacopo. Wein hat man im Haus aus dem Jahr 1889 gleich ausserhalb von Donoratico übrigens schon im vorletzten Jahrhundert gekeltert.

Iacopo hat an der Uni Hohenheim in Stuttgart und in Florenz studiert, wo er seinen Doktor in Önologie gemacht hat. Seine Sporen abverdient hat er sich bei Guado al Tasso in Bolgheri sowie im Languedoc und in Deutschland. Er ist daran, den Betrieb auf biologischen Anbau umzustellen. Externe Berater gibts auf Ceralti nicht „So haben wir alles unter Kontrolle. Und sind auch für alles verantwortlich – auch für die Fehler.“ Solche gibts wenige. Sonst hätte man kaum einen derart mitreissenden Wein wie den Scirè zu einem erstaunlichen Preis kreieren können.

PS. Beide Betriebe produzieren ein fantastisches Olivenöl! Und bei Ceralti kann man auch Ferien machen, das Gut hat einige wenige Gästezimmer. Siehe www.ceralti.com.

DIE BOLGHERI-TRILOGIE

In einer kleinen dreiteiligen Serie, die hier zu Ende geht, haben wir ihnen das Wunder an Italiens etruskischer Küste näher zu bringen versucht. Alles begann in Bolgheri mit Pionier Mario Incisa della Rocchetta, der Sassicaia ins Leben rief (Teil 1). Es folgten potente und qualitativ hochstehende Nachahmer wie die Modernisten des exzellenten Gutes Argentiera (Teil 2). Doch auch kleine Betriebe fanden ihre Nische und bieten teils viel Bolgheri für wenig Geld, wie der Eliseo Rosso von Gualdo del Re (Bild). Darum geht es im letzten Teil. (A. Ku.)

WEITERE PREISHITS

Il Guado 2006, Poggio alle Querce
Kräftig in der Nase, Tabakanleihen, sehr dunkle Früchte, im Gaumen saftig, fast crèmig, lebhafte Tannine, wunderbare Länge. Toll!
Score: 17,5/20 (ca. € 11.50 in lokalen Enotecas)

Eliseo Rosso 2008, Gualdo del Re
Dieser Wein aus dem Val di Cornia besticht durch seine rotfruchtigen Aromen gepaart mit viel Alkohol, Süsse und Power. Alles gut bis auf den Ethanol-Überschwang.
Score: 16,5/20 (CHF 14.--. www.hoferweine.ch)

Noch gibts aber den 2007er Eliseo zu kaufen. Und der hat das Alkohol-Problem nicht: Dezentes Holz, leicht grünlich, Tannine, frisch, schöne Länge.
Score: 17/20

Ocra 2007, Tenute Guicciardini Strozzi
Extrovertierte Nase, Veilchen, ätherisch, rauchig. Exotische Frucht im Gaumen, floral, Kräuter. Rustikal und doch glamourös. Gute Länge. Super!
Score: 17/20 (CHF 22.50 www.cellier.ch, www.vinarium.ch)

DIE WEINE VON CASA DI TERRA (AUSWAHL)

Moreccio 2008
Wahnsinnsnase! Holz gut eingebettet, warme Früchte. Aristokratisch im Gaumen, filigran, rund, beerig, samtig. Power, stützende Säure. Wunderbare Länge. Schon vor einem Jahr degustiert. Ist seither nur noch besser geworden.
Score: 17,5/20 (CHF 13.--, www.animi-pastus.ch)

Maronea 2005
Typische Bordeaux-Nase, feingliedrig, Tannine, Kaffee-Aromen. Raffiniert und ausgewogen. Tolles Finale!
Score: 17/20 (CHF 28.--. www.animi-pastus.ch)

Mosaico 2007
Die 20% Shiraz verleihen ihm einen rotbeerig-grünen Touch, kräftig, frisch, noch etwas unharmonisch, toller Abgang.
Score: 16,5/29 (CHF 23.--. www.animi-pastus.ch)

Lenaia Rosso 2009
Extrem rotfruchtig, Johannisbeeren, Himbeeren, prickelnd, jugendlich, rechte Säure, wenig Struktur. Länge okay.
Score; 15,5/20 (CHF 9.50. www.animi-pastus.ch)

DIE WEINE VON CERALTI

Scirè 2009
Wuchtige, rotbeerige, dennoch dunkle Nase. Stützende Säure. Sehr frisch. Gegen Ende wieder sehr fruchtig.
Score: 16,5/20 (CHF 16.90, www.vinoverum.ch)

Scirè 2007
Reife Kirschen, Holunder, Sträucher. Harmonisch, gut eingebettete Tannine, eukalyptische Frische, gute Länge. Wunderbar!
Score: 17/20

Alfeo 2007
Ausladende Nase, Kirschen. Aristokratisches Gewächs, das noch recht grüne Noten hat, aber feingliederig daherkommt.
Score: 16,5/20 (CHF 33.80, www.vinoverum.ch)

Sonoro 2006
Nach 18 Monaten Barrique und anderthalb Jahren Flaschenreife ist dieser Merlot (100%) reif, ohne irgendwie müde zu wirken. Mächtig, alkoholisch, satte Tanninpackung rundherum, frisch, mittleres Finale.
Score: 17/20 (CHF 49.--, www.vinoverum.ch)

Für Sie degustiert Bolgheri-Weltklasse für 13 Franken!

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