Man fühlt sich wie im Paradies, wenn man Robert Edens (55) Weingärten betritt. Alles spriesst und blüht, selbst an diesem kalten Januarmorgen. Tiefbrauner Humus bricht sich im etwas diffusen Winterlicht mit einer intensiven Farbenpracht, die an einen toskanischen Frühlingstag erinnert. Es riecht nach Minze, Thymian, Lavendel und Rosmarin.
Aber nicht überall zeigt sich solch eine Vielfalt. Genau genommen erinnert das Bild unmittelbar neben Edens Rebberg eher an eine Wüstenlandschaft. Nackte, grauweisse Rebstöcke stehen auf versengtem Gras, als hätte man demselben Boden sämtliches Leben entzogen.
Schweres Erbe
Robert Eden ist kein alltäglicher Winzer: Seine Vorfahren regierten einst als Gouverneure in den Kolonien Indiens und Marylands. Sein Grossonkel Sir Anthony Eden (1897–1977) belegte während des Zweiten Weltkriegs den Posten des Aussenministers und diente der Queen später als Premierminister. Robert ist das schwarze Schaf der Familie. Er wurde aus der Stowe School – einem Eliteinternat – ausgeschlossen, weil er seinen Mitschülern selbst gebrautes Bier verkaufte.
Den unfreiwilligen Schulabbrecher zog es anschliessend nach Australien, wo er in den Weinbergen von Len Evans (1930–2006) das Einmaleins des Weinbaus erlernte. Es folgten Lehr- und Wanderjahre, unter anderem beim renommierten Weingut Castello dei Rampolla im italienischen Chianti-Gebiet, bevor es ihn ins französische Burgund verschlug. Dort lernte er nicht nur die Bedeutung des Terroirs, sondern vor allem auch die Winzerkunst an sich kennen. «Nirgends sonst auf der Welt wirkt sich der Einfluss des einzelnen Weinbauern so stark auf den Wein aus wie im Burgund», erinnert sich Eden.
Mit dieser Erfahrung im Gepäck machte sich der Engländer auf, im fruchtbaren südfranzösischen Languedoc seinen eigenen Wein anzubauen. Die Vielfalt des natürlichen Lebens musste Robert Eden seinen Weinbergen in der winzigen Appellation Minervois-La-Livinière allerdings neu einhauchen.
Als er sich 1997 entschloss, das mittlerweile legendäre Chateau Maris zu übernehmen, bot sich ihm ein trauriges Bild. Für lange Zeit galt diese mediterrane Gegend unweit der katalanischen Grenze ausschliesslich als Traubenlieferant für billige Massenweine. Beinahe perfekte klimatische Bedingungen liessen Erträge zu, von denen die Weinbauern in Bordeaux oder im Burgund nur träumen konnten. Doch Monokulturen und die damit verbundene viel zu intensive Bewirtschaftung hinterliessen völlig ausgezehrte Böden. Dementsprechend schmeckten auch die Trauben. «Die Beeren waren total ungeniessbar», so der Winzer.
Neues Leben im Glas
Eden begann am Weinbau herkömmlicher Art und Weise zu zweifeln. «Es macht wenig Sinn, alles auszurotten, was zwischen den Reben wächst. Nur damit die Nährstoffe im Boden einzig und allein für die Traubenproduktion verwendet werden können!», enerviert er sich noch heute. Nach und nach gab der Winzer dem Boden zurück, was ihm über Jahrzehnte entzogen wurde. Er pflanzte Oliven-, Mandel- und Granatapfelbäume rund um seine Parzellen. Auch die Erde zwischen den Rebzeilen wurde begrünt, beispielsweise mit Eisenkraut oder Kamille. Lavendel-, Thymian-, Wacholder- und Rosmarinsträucher komplettieren den natürlichen Kreislauf genauso wie eine Bienenzucht und Brutplätze verschiedener Vogelarten.
Der Engländer wurde somit bereits vor über zwei Jahrzehnten zum Pionier biodynamischen Weinbaus. «Die Römer hatten das Potenzial dieser Gegend damals schon erkannt, und sie sorgten sich auch um deren biologische Vielfalt», sagt Robert Eden. Und fügt an: «Seht her, ein Pilz! Ein sehr gutes Zeichen, denn dieser Boden kommuniziert mit seiner Oberfläche.»
Nicht nur im Weinberg, sondern auch in der Verarbeitung nach der Ernte geht Eden unkonventionelle Wege. Wie die Besichtigung des Hemp Cellars in La Livinière beweist. Solarpanels auf dem Dach machen die Kellerei zu einem energieneutralen Gebäude. Die Aussenmauern der neu gebauten Anlage bestehen zu 100 Prozent aus biologischem Hanf, bedeckt mit Kalk. «Das Erstaunlichste an dieser Anlage ist aber, dass sie in diesem heissen Weinbaugebiet weder Lüftungs- noch Kühlgeräte benötigt», so Eden.
Scharlatan oder Genie?
Das grosse Rätsel wird schliesslich am Kaminfeuer des betriebseigenen Gasthauses in Félines-Minervois gelüftet. Wirken sich die unorthodoxen An- und Ausbaumethoden auch auf die Qualität im Glas aus? Oder handelt es sich vielmehr um geschicktes Marketing oder gar um esoterischen Hokuspokus? In der Tat ist biologisch-dynamischer Weinbau in Fachkreisen weiterhin umstritten. Der Weinberg wird als Organismus betrachtet, der sich in einem natürlichen Kreislauf revitalisiert. Die Grundlagen gehen auf den österreichisch-schweizerischen Anthroposophen Rudolf Steiner (1861–1925) zurück.
Das Chateau Maris hält dessen strenge Richtlinien ein, düngt mit Kuhmist, besprüht die Reben mit Kräuteraufgüssen und belebt den Boden mit Kompost. Aber ist Robert Eden deshalb ein Sektierer oder ein Scharlatan? «Mitnichten», wiegelt er ab, «wir haben nie danach gestrebt, biologisch oder gar biodynamisch zu produzieren. Natürlich liegen wir damit momentan total im Trend, aber das interessiert uns nicht. Alles passierte aus reiner Notwendigkeit und aus Liebe zur Natur.»
Das Resultat kann sich sehen lassen, und der Erfolg gibt ihm recht. Der einflussreiche Weinkritiker Robert Parker (72) verleiht den Weinen regelmässig Bestnoten. Sie haben eine betörende Frucht, sind gleichzeitig unglaublich dicht und trotzdem elegant. Das Bouquet seiner Top-Syrahs Dynamique und Les Amandiers beispielsweise ist enorm vielschichtig, die Tropfen kraftvoll und komplex.
Und tatsächlich: Wenn man sich mit den Weinen Robert Edens auseinandersetzt, riecht man die Blumen, die schwarzen Oliven und die Garriguekräuter. Wenn man sie trinkt, spürt man die Energie der Weingärten am Gaumen und fühlt sich ein bisschen wie im Paradies.