Stucki
Trotz Knochenjob Zeit für Emma

Vor Jahren hat unser Gastrokritiker Tanja Grandits entdeckt. Nun wollte er wissen, wie sie heute im Basler Nobellokal kocht.
Publiziert: 10.10.2008 um 16:44 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 19:35 Uhr
Von Feinschmecker Beat Wüthrich

Ein Fremder, der Tanja Grandits auf der Strasse sieht, käme nie und nimmer auf die Idee, dass er eine der besten Köchinnen des Landes vor sich hat – so zart und zierlich, wie sie ist. Die 37-jährige Frau mit den Mandelaugen könnte einen asiatischen Einschlag haben. Hat sie aber nicht. In ihr fliesst zu hundert Prozent deutsches Blut.

Sie hat seit gut vier Monaten den schwierigsten Job in der Schweizer Gastronomie: Rund zehn Jahre nach dem Tod des begnadeten Hans Stucki, des liebenswürdigsten und vielleicht ehrlichsten Kochs der Schweiz, ist nun Tanja Grandits die Küchenverantwortliche im Bruderholz in Basel. Das Lokal war einst weltbekannt.

Nach einigen Wirren kaufte nun eine Familie, die nicht namentlich genannt sein will, das villenartige Gebäude und liess es innen total umbauen. Das Intérieur ist gelungen, gediegen. Nichts wirkt überladen und neu ist eine Bar dazugekommen. Nur der schöne Garten blieb der alte.

Tanja Grandits zog im Frühling mit Sack und Pack vom kleinen Eschikofen TG in die grosse Stadt. Das heisst mit René Graf Grandits, 43, ihrem Ehemann, Geschäftsführer und Koch, mit der dreijährigen Tochter Emma samt Nanny sowie Stefan Pfanzelt, 33, Chef de Service und Sommelier in Ausbildung.

In Basel kamen neu ein Pâtisseur, ein Koch und zwei Kellner dazu. In Eschikofen, muss man wissen, war das Trio seit 2001; SonntagsBlick entdeckte das Restaurant als erste Zeitung. Im Jahr 2006 ernannte «Gault Millau» Grandits zur Köchin des Jahres und gab ihr grossartige 16 Punkte.

Doch jetzt ist Basel aktuell. Ein mit Jasmintee geräuchertes Seeteufelfilet mit Gelbwurz-Glasnudelsalat, Sesamsalsa und Zitronengrasschaum (36 Franken) ist meine erste Vorspeise. Gleich hier fällt die Freude der Chefin an Farben und Aromen auf; nirgendwo sticht ein Gewürz als zu stark heraus. Trotzdem erzeugen die einzelnen Komponenten Spannung auf dem Gaumen.

Vom Hauptgericht bin ich begeistert: Kaninchenfilet im Knusper-Kataifiteig mit Honigtomaten, weisser Bohnencrème und Rosenessig-Glace (54 Franken). Der Teig, am ehesten mit streifig geschnittenem Filoteig zu vergleichen, ist herrlich knusprig, das Fleisch zart; die Tomaten waren zwei Stunden bei 90 Grad im Ofen.

Ein Traum von einem Dessert schliesst das Essen ab: ein mit frischem Estragon gewürzter, gebratener Pfirsich mit Olivenöl-Eis, Zitronenparfait und -gelée mit Mandelcrumble (26 Franken).

Das Angebot an offenen Weinen ist gross. Rund 600 Spitzenprodukte lagern im Keller. Welcher Tropfen zum Rezept (siehe rechts) passt, möchte ich von Sommelier Stefan Pfanzelt wissen. Er empfiehlt den Monolith 2005 von Christian Obrecht vom Weingut zur Sonne in Jenins GR. «Dieser Blauburgunder passt wunderbar zu diesem kräftigen Fleischgericht. Eine Flasche kostet bei uns 110 Franken.»

Tanja Grandits mag keine Vorschusslorbeeren. Schliesslich muss sie ganz einfach beweisen, dass sie etwas kann. Doch ihre Fröhlichkeit kommt ihr auch im grössten Stress nicht abhanden. Und für Töchterchen Emma nimmt sie sich auch immer Zeit. Da hätte Hans Stucki, der ihr ganz bestimmt von irgendwo da oben zusieht, seine helle Freude.


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