Erst jetzt veröffentlicht der Schweizer Sterne-Koch Andreas Caminada (42) sein erstes Kochbuch
«Es war nicht Liebe auf den ersten Blick»

Drei Michelin-Sterne und 19 Gault-Millau-Punkte: Auf Schloss Schauenstein in Fürstenau GR ist der Schweizer Star-Koch Andreas Caminada (42) im Gourmet-Himmel. Jetzt veröffentlicht er in seinem ersten Kochbuch bodenständige Bündner Rezepte.
Publiziert: 26.10.2019 um 15:36 Uhr
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Der Bündner Andreas Caminada (42) gehört schon seit Jahren zur kulinarischen Spitze
Foto: Thomas Meier
Daniel Arnet

BLICK: Andreas Caminada, «Pure Leidenschaft» ist Ihr erstes Kochbuch. Weshalb warteten Sie damit so lange?
Andreas Caminada:
Ich hatte stets das Gefühl, alle publizieren Kochbücher, da wollte ich etwas anderes machen – deshalb das Magazin seit 2012. Doch dieses Jahr erkannte ich die Notwendigkeit für ein Buch.

Wie das?
Im Oktober 2018 eröffneten wir neben dem Schloss Schauenstein in Fürstenau die Casa Caminada. Dort bieten wir traditionelle Bündner Gerichte wie Pizokel, Capuns und Maluns an, die man zu Hause nachkochen kann. Das Rezeptbuch mit den schönen Naturfotos von Gaudenz Danuser soll zeigen, was wir in der Casa zelebrieren.

Ist es für ein gedrucktes Kochbuch nicht zu spät? Im Gault-Millau-Kanal auf Youtube kochen Sie in Videos Rezepte vor.
Beides hat seine Berechtigung. Im Gault-Millau-Channel machen wir wöchentlich einen Dreh. Aber heute, wo alles so schnell vergeht, gewinnt ein Buch wieder an bleibendem Wert: Man kann es jederzeit aus dem Regal nehmen, gemütlich durchblättern oder ein Rezept nachkochen.

Kochen Menschen in Zeiten von Convenience Food noch selber?
Mehr denn je. Je mehr man sich nämlich so ernährt, umso häufiger hat man Lust, sich etwas Gutes zu gönnen. Die Menschen sehnen sich wieder danach, traditionelle, regionale Gerichte zu kochen.

Der Koch-König

«Kann es einen faszinierenderen Rahmen geben für Kochkunst à la Caminada als ein wunderbares Schloss?», lautet die rhetorische Frage im «Guide Michelin». Natürlich nicht, denn Andreas Caminada (42) ist der Koch-König der Schweiz und Schloss Schauenstein in Fürstenau GR sein passender Wirkungsort. Seit 2003 ist Caminada dort Pächter und Chef de Cuisine und machte das Restaurant letztes Jahr zum «Besten Restaurant in Europa» (OAD-Liste).

1977 in Sagogn GR zur Welt gekommen, absolvierte er 1996 eine Kochlehre in Laax GR. Ab 1998 arbeitete Caminada in verschiedenen Spitzenrestaurants in der Schweiz und im benachbarten Ausland, unter anderem als Chef Tournant im Restaurant Bareiss in Baiersbronn (D) und als Küchenchef in der Wirtschaft zum Wiesengrund in Uetikon am See ZH. Caminada lebt heute mit seiner Frau und zwei gemeinsamen Söhnen in Fürstenau GR.

«Kann es einen faszinierenderen Rahmen geben für Kochkunst à la Caminada als ein wunderbares Schloss?», lautet die rhetorische Frage im «Guide Michelin». Natürlich nicht, denn Andreas Caminada (42) ist der Koch-König der Schweiz und Schloss Schauenstein in Fürstenau GR sein passender Wirkungsort. Seit 2003 ist Caminada dort Pächter und Chef de Cuisine und machte das Restaurant letztes Jahr zum «Besten Restaurant in Europa» (OAD-Liste).

1977 in Sagogn GR zur Welt gekommen, absolvierte er 1996 eine Kochlehre in Laax GR. Ab 1998 arbeitete Caminada in verschiedenen Spitzenrestaurants in der Schweiz und im benachbarten Ausland, unter anderem als Chef Tournant im Restaurant Bareiss in Baiersbronn (D) und als Küchenchef in der Wirtschaft zum Wiesengrund in Uetikon am See ZH. Caminada lebt heute mit seiner Frau und zwei gemeinsamen Söhnen in Fürstenau GR.

Ihr Buch ist eine kulinarische Liebeserklärung an Ihre Heimat Graubünden. Lokal statt global?
In den letzten zehn, zwanzig Jahren haben wir Globalisierung hoch 20 betrieben: Jeder konnte jederzeit überall hinfliegen, und bei uns gibt es an jeder Ecke Thai-Restaurants oder Sushi-Lokale. Wir kennen die ganze Welt, wissen aber nicht mehr, was unsere Vorfahren assen.

Lassen Sie mit «Pure Leidenschaft» Ihre Kindheit in der Surselva aufleben?
Sicherlich auch.

Welches war damals Ihr Lieblingsgericht?
Meine Mame hat immer Härdöpfelchüechli gemacht: Rohe Kartoffeln durch die Röstiraffel, ein Ei dazu, ein wenig Mehl, abgeschmeckt mit Pfeffer – fertig war ein leichter Teig. Ausgebraten gab das ganz knusprige Kartoffeln. Dazu Apfelmus – megagut!

Gingen Sie Ihrer Mutter zur Hand?
Mein zwei Jahre älterer Bruder und ich halfen stets in den drei, vier Wochen vor Weihnachten. Das Backen faszinierte uns sehr.

Dann folgte die Kochlehre als Herzensentscheid?
Nein, es war nicht Liebe auf den ersten Blick. Mein Vater hatte ein kleines Baugeschäft, da ging ich manchmal mit. Der Vater meines damaligen Jugendfreundes war Maler, da zogen wir ein paar Monate mit ihm rum. Wir haben verschiedene Berufe angeschaut.

Es wäre also möglich, dass es heute einen Maurer oder Maler Andreas Caminada gäbe?
Durchaus. Aber dann machte ich eine Schnupperlehre in einem Hotel. Die Küchen-Crew war sehr sympathisch, und ich fühlte mich sofort wohl. Das erleichterte meinen Entscheid, eine Kochlehre zu absolvieren.

Sie sind in Sagogn aufgewachsen, wo Hilda Veraguth, die Köchin des Jahres 1996, wirtete. Hatte sie einen Einfluss auf Ihre Karriere?
Hilda Veraguth war in unserem Dorf eine Ikone, aber ich getraute mich nicht, dort zu arbeiten. Ich hatte einen Riesenrespekt vor ihr. Mit einem anderen Dorfjungen sass ich manchmal auf der Wiese vor ihrem Küchenfenster. Wir schauten rein, um zu sehen, was sie dort kocht. Das war spannend.

Nach der Lehre gingen Sie für ein Jahr ins kanadische Vancouver, kamen aber wieder zurück. Weshalb sind Sie so stark in der Heimat verwurzelt?
Das ist die Sehnsucht nach den Bergen. Ich arbeitete auch in Zürich. Aber ich ging jedes Wochenende zurück ins Bündnerland. Ich wollte einfach zu Hause sein.

Sie sind nun seit 16 Jahren Pächter und Chef de Cuisine vom Schloss Schauenstein in Fürstenau. Bleiben Sie noch lange hier?
Für mich gibt es keinen Grund, hier aufzuhören. Ich habe jetzt kein Projekt, um anderswo ein neues Schauenstein zu eröffnen.

Hatten Sie nie Lust, etwa in Los Angeles einen Gourmet-Tempel zu betreiben?
Solange die Gäste hierherkommen, gibt es keinen Grund für eine Änderung. Das ist einzigartig hier. Wir gehen aber immer wieder raus und eröffneten zum Beispiel 2015 mit Igniv by Andreas Caminada Aussenstellen in Bad Ragaz und St. Moritz, die nicht so stark an meine Person gebunden sind.

Mit Igniv, Rätoromanisch für Nest, bieten Sie ein Restaurant ohne klassische Gang-Abfolge – ab 2020 auch in Zürich.
Ja, wir haben dort ein Sharing-Konzept – vor fünf Jahren war das noch neu. Wir haben im Igniv auch vom Geschirr her eine andere Sprache als im Schloss, aber alles musste unseren Qualitätsanforderungen entsprechen. Wir wollten etwas im gehobenen Bereich, das trotzdem entspannt und locker ist für junge Leute.

Machen Sie solche Nebenprojekte, weil Sie im Schloss nicht höher steigen können? Sie sind dort mit drei Michelin-Sternen und 19 Gault-Millau-Punkten bereits im Gourmet-Olymp angekommen.
Nicht nur. Mit den neuen Betrieben konnten wir auch gute Mitarbeiter behalten und ihnen eine neue Perspektive geben. Im Schloss steht man irgendwann an: Die verantwortungsvollen Stellen werden hier nicht jedes Jahr neu ausgeschrieben.

Wie viele Mitarbeiter haben Sie auf Schloss Schauenstein?
Am Anfang machte ich mich mit zwei Mitarbeitern selbständig, heute sind wir über 45.

Wie viele davon sind Köche?
13 – und drei Hilfsköche.

Kann sich in der Küche jeder individuell einbringen?
Manchmal braucht es bei gewissen Gerichten eine kleine Anpassung – da noch ein wenig Salz, dort noch ein Gewürz. Aber wenn einer denkt: Da menge ich noch ein bisschen Dill oder Basilikum bei, der Chef sieht es ja nicht, dann würde das in eine falsche Richtung gehen. Wenn ich ein Rezept definiert und abgesegnet habe, dann ist es zu befolgen.

Sie sind der Chef de Cuisine. Wie sieht Ihr Tagesablauf aus?
Meistens stehe ich zwischen sieben und acht Uhr auf, esse mit der Familie Frühstück und gehe dann mit dem Hund raus. Manchmal bringe ich die Buben in den Kindergarten. Gegen halb neun Uhr gehe ich in den Betrieb, trinke in der Casa Caminada einen Kaffee und habe dann Termine und Meetings, manchmal ein Interview. Nach dem Mittagsservice oder zum Nachtessen versuche ich, nach Hause zu gehen, bringe vielleicht noch die Kinder ins Bett und stehe dann abends um sieben Uhr wieder in der Küche.

Kochen Sie selber nach Rezept oder haben Sie alles im Kopf?
Im salzigen, herzhaften Bereich brauche ich keine Rezepte. Wenn man etwas jeden Tag macht, dann ist es drin. Aber mit der Zeit sammeln sich so viele Rezepte an, dass man sicherheitshalber auch mal nachschaut.

Wann haben Sie das letzte Mal in ein Rezeptbuch eines anderen Spitzenkochs geschaut?
Eben hat mir Rodolfo Guzmán aus Chile sein Buch «Boragó» geschenkt. Wenn ich Zeit habe, schaue ich mir das gerne an. Für mich ist das primär ein Bilderbuch und ein Eintauchen in die Welt eines Freundes. Es geht nicht darum, ein Rezept nachzukochen – wir haben unsere eigene Rezeptbasis.

Ändern sich aufgrund eines anderen Geschmacksempfindens die Rezepte von Zeit zu Zeit?
Wir kreieren stets neue Menüs, bei denen immer wieder auch alte Bestandteile einfliessen. Rezepte verändern sich über die Jahre schon ein wenig, ein gewisses Fine-Tuning.

Ein guter Koch muss also auch ein Gourmet sein?
Ja, wir wachsen alle mit unserem Geschmack und unseren Erfahrungen.

Bekommen Sie hinter den Töpfen nie Heisshunger?
Nein, ich mache meinen Job. Beim Kochen bin ich höchstens am Probieren und Verbessern.

Stört Sie die Vergänglichkeit Ihrer Kochkunst?
Sicherlich: Man kriegt ein Gericht, isst es und dann ist es weg. Aber ein gutes Essen in schönem Ambiente bleibt ganz lange in Erinnerung.

Würdigen die Gäste Ihre Kochkunst genügend?
Wenn ein Gast das Menü gerne isst, muss er nicht genau wissen, wie wir es zubereiteten. Vielleicht 20 Prozent sind an der Zubereitung interessiert – dann kann man es erklären.

Und das ist kein kompliziertes Küchenlatein?
Nein, wir haben einfache Produkte und keine exotischen, die eine crazy Geschichte haben. Das ist nicht unser Ansatz. Wir wollen aus bekannten Produkten etwas kreieren, das nicht alltäglich ist.

Etwas noch nie Dagewesenes?
Nein, es muss nicht etwas sein, das es noch nie gab. Aber es muss so gut gekocht und perfekt mit anderem kombiniert sein, dass es einem das Herz höher schlagen lässt, wenn man es isst.

Lassen Sie sich selber gerne bewirten?
Sehr. Ich gehe gerne in andere Restaurants, gerne zu Berufskollegen.

Verstehen Sie sich gut mit anderen Spitzenköchen?
Das sind zum Teil Freundschaften, die über Jahre gewachsen sind. Wir sind Gleichgesinnte, da kann man sich austauschen.

Worüber reden Sie mit Berufskollegen?
Kürzlich traf ich mich auf Schloss Schauenstein mit anderen Köchen wie Rodolfo Guzmán, René Redzepi und Norbert Niederkofler, um über Nachhaltigkeit zu diskutieren: Wie viel CO2-Ausstoss haben unsere Produkte? Wenn wir regionale Tomaten anbauen, das Gewächshaus aber heizen müssen, ist es besser, man kauft sie im Süden oder verzichtet ausserhalb der Saison darauf. Und ein Rindfleisch verursacht sehr viel mehr CO2 als Gemüse oder Getreide. Doch auch der teils hohe Wasserverbrauch macht nachdenklich.

Ist eine vegetarische oder gar vegane Spitzengastronomie möglich?
Bestimmt. Viele wollen sich in einem guten Restaurant aber etwas gönnen. Und da gehört halt oft ein Stück Fleisch oder Fisch dazu. Doch einzelne Gänge können durchaus vegetarisch sein – da muss einfach die Balance stimmen. Bei uns sind das je nach Jahreszeit die Hälfte des Menüs.

Ist «nose to tail», die Verwertung eines Tieres von Schnauze bis Schwanz, ein Thema für Sie?
Auf jeden Fall. Das macht man einfach, das gehört zur Ethik eines Chefs. Ein Schmorstück muss nicht schlechter sein als ein Filet. In unserem aktuellen Menü im Schloss haben wir Schweinsnacken – nicht gerade das beliebteste Tierteil. Aber wenn man ihn speziell zubereitet, sorgt man beim Gast für ein einmaliges, noch nie erlebtes Geschmackserlebnis.

Kochen wie Caminada

«Warum kochen und essen wir?», fragt der Schweizer Spitzenkoch Andreas Caminada (42) im Vorwort seines ersten Kochbuchs – und gibt gleich selber die lapidare Antwort: «Um satt zu werden, klar.»

Doch er schreibt weiter: «Aber kochen tun wir doch auch, um uns und andere glücklich zu machen.» Und im Beglücken kennt er sich wahrlich aus – und tut es seit Jahren in seinem Restaurant.

Mit «Pure Leidenschaft – meine einfache Küche» liefert der Bündner das Glück nun frei Haus. Nur schon das Buch mit Naturfotos von Gaudenz Danuser und der eleganten Gestaltung von Caminadas preisgekröntem Cousin Remo (45) ist ein Augenschmaus.

Doch das Werk ist auch praktisch: In Kapiteln wie «Unser alpiner Garten Eden» oder «Wilde Wasser, sanfte Seen» bietet er einfach nachkochbare Rezepte aus seiner Heimat mit Zutaten von dort. Auf dass man selber als Koch seine Gäste beglücken kann.

Andreas Caminada, «Pure Leidenschaft – meine einfache Küche», mit Fotos von Gaudenz Danuser, AT-Verlag; ab 7. November im Buchhandel

«Warum kochen und essen wir?», fragt der Schweizer Spitzenkoch Andreas Caminada (42) im Vorwort seines ersten Kochbuchs – und gibt gleich selber die lapidare Antwort: «Um satt zu werden, klar.»

Doch er schreibt weiter: «Aber kochen tun wir doch auch, um uns und andere glücklich zu machen.» Und im Beglücken kennt er sich wahrlich aus – und tut es seit Jahren in seinem Restaurant.

Mit «Pure Leidenschaft – meine einfache Küche» liefert der Bündner das Glück nun frei Haus. Nur schon das Buch mit Naturfotos von Gaudenz Danuser und der eleganten Gestaltung von Caminadas preisgekröntem Cousin Remo (45) ist ein Augenschmaus.

Doch das Werk ist auch praktisch: In Kapiteln wie «Unser alpiner Garten Eden» oder «Wilde Wasser, sanfte Seen» bietet er einfach nachkochbare Rezepte aus seiner Heimat mit Zutaten von dort. Auf dass man selber als Koch seine Gäste beglücken kann.

Andreas Caminada, «Pure Leidenschaft – meine einfache Küche», mit Fotos von Gaudenz Danuser, AT-Verlag; ab 7. November im Buchhandel

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