Feinschmeckerei
St. John Bar and Restaurant in London: Qualität und Preiswürdigkeit

Wie wäre es mit einem Mittagessen im St. John Bar and Restaurant? Auch wenn nicht mehr alles so ist wie einst – Vergleichbares ist kaum zu finden. Hier die Restaurantkritik von unserem Gastro-Experte Michael Merz.
Publiziert: 06.02.2019 um 15:48 Uhr
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St. John Bar and Restaurant, 26 St. John Street, Smithfield, London
Foto: @st.john.restaurant
Michael Merz

Wenn die kulinarische Welt im Moment nach «Nose to Tail»-Küche giert, dann hat das – selbst wenn man es nicht akzeptieren möchte – viel mit London zu tun. Die Stadt (und damit England) hat der Esskultur mehr geschenkt, als wir uns vorstellen mögen. Was auch mit dem ungeheuren Reichtum zu tun hat, der sich in einigen Quartieren an der Themse versammelt. Und damit einer stetig wachsenden, kaufkräftigen Kundschaft.

Es war der Restaurateur Fergus Henderson, der diese moderne «Von Kopf bis Fuss»-Küche formulierte. Sie ist im Grunde genommen nichts anderes als französische Hausfrauenküche, die mit klarer Technik und besten englischen Produkten in die Gegenwart gebracht wird. Die Resultate überzeugen seit über 20 Jahren.

Lohnt sich Besuch im St. John Bar and Restaurant in London immer noch?

Gerne ass ich früher im St. John hinter dem Leicester Square. Es ist inzwischen geschlossen, und so besuchte ich jenes beim Barbican-Kulturzentrum, einer ehemaligen Bank. Die hohe, geweisselte Schalterhalle ist voller Gäste. Die Tische weiss gedeckt. Alles ist proper poliert. Ein einziges A4-Blatt genügt fürs Menü. Für die Weinkarte ein weiteres Blatt, beidseitig eng beschrieben mit fabelhaften Fundstücken unbekannter Provenienz und einem Schaumkrönchen von herausragender Herkunft und genauso herausragenden Preisen. Das Glasweise ist wenig aufregend – und teuer.

Der legendäre Brunnenkresse-Salat des Hauses steht heute nicht im Angebot. Dafür mein alter Favorit «Roast Marrow with Parsley Salad» (umgerechnet 13 Franken). Danach soll es Seehecht mit Schwarzwurzeln und Kapern (30 Franken) sein. Zum Kaffee wünsche ich mir, was es sonst nirgendwo gibt: sechs Madeleines, im letzten Moment gebacken, direkt aus dem Ofen. Der Kellner kommt zurück. Der Küchenchef habe Brunnenkresse. Er richte mir diese an. Das Resultat (10 Franken) ist leider nicht die frisch-pikante Version von einst, angereichert mit winzigen Kapern und einem Regen von feinst geschnittenen Schalotten. Viel French Dressing macht diese etwas gar pampig. Lässt sich verschmerzen, denn das überbackene Markbein steht bereits wunderbar heiss vor mir. Es kommt auf eine der zwei dünnen, gerösteten Scheiben Brot, wird mit Peterlisalat belegt, der zweiten Brotscheibe bedeckt und von einem Schluck kühlem süddeutschem Roten (1,75 dl/17 Franken) begleitet. Magnificent!

Lecker und preiswürdig

Der Seehecht schmeckt so kräftig, wie er soll, dazu ist er zart und – wie es bei diesem Fisch so ist – etwas trocken in der Struktur. Die Kapernsauce bringt dann Perfektion zum Fisch. Fatalerweise ist die Hälfte der Schwarzwurzeln hart geblieben. Glücklicherweise kommen dann die Madeleines! Sie werden, fast noch heiss, mit den Fingern zerkrümelt und schmecken besser, leichter, süsser als das letzte Mal. Und weil sich gute Laune damit verlängern lässt, steht alsbald ein Rum-Rosinen-Parfait (10 Franken) vor mir. Der Kaffee dazu ist wie immer: sehr unenglisch, dafür sehr italienisch und damit perfekt.

Die vier Gänge mit Wasser, etwas Wein, Brot und Service inklusive kosteten gute 90 Franken. Auch wenn nicht mehr alles so ist wie einst: Vergleichbares ist kaum zu finden in Qualität und Preiswürdigkeit. Was man nicht vergessen darf: Es braucht das Taxi hin und das Taxi zurück. Aber: Auch so lohnt sich der Besuch. Immer noch. 

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