Für mich ist klar: Fällt am Essen etwas auf, dann muss man sich dazu äussern. Positiv sowieso. Negativ auch. Daran musste ich beim Essen im Zürcher Ferlin denken. Seit Generationen ein Ort der Gastlichkeit. Ein guter Ruf, der vor allem auf den in hauchdünnem Teig eingepackten Ravioli beruht.
Das Ristorante am Stampfenbachplatz ist nur locker und nur mit Zweiertischen besetzt. Der Service lautlos, diskret, freundlich. Auf der kartonierten Menükarte ist seit Jahr und Tag das gleiche Angebot aufgeführt. Kein Grund für Depressionen, wenn dann die Dinge auf dem Teller gut, sogar noch einen Tick besser sind als anderswo. Wir ordern.
Abschmecken gehört – meiner Information nach – zum Handwerk eines Kochs
Es ist die Zeit der kleinen Artischocken, die vollständig gegessen werden, weil ihre Blätter kaum hart und bitter sind. Drei in Salzwasser gekochte, der Länge nach halbierte Exemplare (21 Franken) liegen in einer mit einem Schuss Weisswein verlängerten Butter. Sie schmecken tadellos. Die Minestrone (15 Franken) ist allerdings – sagen wir es freundlich – sehr kräftig gesalzen. Doch ich esse sie ganz auf. Das Resultat einer Erziehung, die «Aufessen» verlangte. Das ist dumm. Diese erste Reklamation nimmt der Kellner nämlich ent-gegen. Aber es ist, als hätte ich nichts gesagt.
Die legendären Ravioli des Hauses
Dann liegen die legendären Ravioli des Hauses vor mir. Die halbe Portion (25 Franken) schien mir als Hauptgang zu wenig (ich zahlte an einem anderen Ort für acht Ravioli auch schon knappe 20 Franken). Es muss also eine ganze Portion sein. Auf dem ersten Teller liegen sicher 15 in Butter gedrehte Ravioli. Beim zweiten Auftritt sind es die grünen Ausgaben. Eine recht flüssige Käsesauce umspielt sie. Beides ist eine geradezu riesige Portion (was man ja nicht weiss, wenn man ordert, s.o.). Sie schmecken. Also: eine sehr grosse, sehr gute Portion zu einem rechten, aber gerechten Preis (46 Franken).
Was man vom Kalbskotelett nicht behaupten kann. Das Fleisch (300 g, 52 Franken ) kommt unter einer Schicht kohlschwarz verbrannter Butter vor den Gast. Dass es verbrannt riecht … na ja. Dass es grausig schmeckt, dass solche Butter gesundheitsschädlich ist ... was soll man da noch sagen? Wir schaben sie vom Fleisch. Der begleitende Risotto (12 Franken) ist … versalzen. Erklärung des Kellners: Das kommt vom Käse, der ihn sämig macht. Abschmecken gehört aber – meiner Information nach – zum Handwerk eines Kochs. Allerdings: Der Risotto steht nicht auf der Rechnung. Wir haben auch kaum davon gegessen. Die schwarze Butter wird uns bis in die späte Nacht quälen.
Reklamiert? Haben wir nicht mehr.
Wir sind allerdings mit uns selbst nicht sehr zufrieden, fragen uns, ob wir es nicht doch noch ein drittes Mal hätten tun sollen. Aber: Es gibt da eben auch eine Art Schamgrenze. Also bezahlen wir. Und gehen.
Und noch etwas: Jeder Gast, der ins Ferlin geht, bezahlt ein sogenanntes Couvert. Das sind pro Person 1.50 Franken, weil Serviette und Besteck auf dem Tisch liegen. Eine Reminiszenz an das 19. Jahrhundert, als die Kutschenfahrer noch ihr eigenes Essen mit ins Restaurant nahmen. Oh, hätten wir es doch getan!
Restaurant Ferlin
Stampfenbachstrasse 38, 8006 Zürich (044 362 35 09)