Die Schweizer Weinhändler waren wieder Mal gefordert. Die Vorgabe: Ihren beliebtesten roten Toskaner zu eruieren, um ihn auf den Prüfstand der knallharten sechsköpfigen SonntagsBlick-Jury zu stellen, welche die Weine blind verkostete. Wie die Händler «beliebtesten» definierten, blieb ihnen überlassen. Ebenso, aus welcher Region der Toskana der Wein stammt, und aus welcher Traube er gekeltert wird.
Warum Italien? Warum Toskana?
Nun: Italienische Weine werden immer beliebter. Weltweit, denn zwanzig Prozent der Weltwein-Importe stammen mitttlerweile aus Italien. 1950 waren es noch lächerliche drei Prozent gewesen. Nur Spanien ist minim besser. Wir Schweizer trinken logischerweise am meisten einheimischen Wein mit 35% der konsumierten Menge. In Sachen ausländische Weine ist Italien die klare Nummer eins: 2017 waren es 51 Millionen Liter Flaschenwein, die in Schweizer Gaumen flossen.
Die Toskana ist in Sachen Produktionsmenge die Nummer sieben in Italien - die meistangebaute Traubensorte im Stiefel ist dennoch Sangiovese. Zehn Prozent der Rebfläche sind mit jener Varietät bepflanzt, aus der die klassischen Toskaner gekeltert werden: Chianti und Brunello, aber auch Morellino di Scansano und Vino Nobile di Montepulciano.
Bei uns ist die Toskana wegen der hohen Qualität der Weine äusserst beliebt. Massenproduktion wie im Veneto (Prosecco), Sizilien oder in Apulien gibts in der Toskana nicht. Wart-Sommelier Sebastian Uppena: «Das Tasting hat gezeigt, dass die Toskana nicht von ungefähr eine der wichtigsten Weinregionen der Welt ist.»
Und in dieser werden die Internationalen Sorten wie Cabernet Sauvignon und Franc, Merlot sowie Syrah immer wichtiger, wie unser Tasting zeigt. Die Mehrheit der eingereichten Weine waren solche Assemblagen und in den Top Ten klassierten sich nur gerade je ein Chianti und Brunello. Rutishauser-Chef Michael Balmer bilanzierte: «Die Internationalen Sorten bestachen fast ausnahmslos mit einer intensiven fruchtig-würzigen Nase. Die Spannbreite reichte von spröden Gerbstoffen bis zu leicht süsslichen, einfach gestrickten Weinen.» Winzer Johann-Baptista von Tscharner erklärt dieses Erfolgsmodell: «Die internationalen Cuvées kamen geschmeidiger daher, sind für den Durchschnitts-Konsumenten angenehmer.»
Der Siegeszug der Internationalen Sorten in der Toskana findet seinen Ursprung im Jahr 1968, als Marchese Mario Incisa della Rocchetta auf seinem Landgut in Bolgheri einen Wein keltert, der vornehmlich aus Cabernet Sauvignon und Franc bestand: Sassicaia. Der Wein geht durch die Decke, weshalb an der gesamten etruskischen Küste wie der Vorzeigeregion Bolgheri, aber auch in der südlichen Maremma, immer mehr Cabernet und Co. angebaut wird. Dort, wo die Etrusker bereits 1000 vor Christus und später die Römer Wein kelterten.
Master of Wine Ivan Barbic lobt die Qualität der Internationalen Toskaner: «Ich habe nur wenige Weine angetroffen, welche auf den ersten Schluck heimatlos sprich sehr international gemacht waren. Die Assemblagen hatten meistens gute Struktur und bestens eingebundene Säure.»
Sommelier Sebastian Uppena hingegen bricht eine Lanze für die Sangiovese: «Ich finde deren feine Säure-Tannin-Struktur spannend, weshalb bei mir Leisetreter weit vorne lagen.» Einem Pinot-Noir-Spezialisten wie Erich Meier liegen Sangiovese-Weine auch näher: «Sie sind filigraner und feingliedriger als die internationalen Powerweine.»
Auch unser Siegerwein ist ein «Internationaler», denn der Ilatraia des Schweizer Weinguts Brancaia wird aus 40% Cabernet Sauvignon, 40% Petit Verdot und 20% Cabernet Franc gekeltert. Der Brancaia-Hauptsitz liegt im Gebiet des Chianti Classico, in Castellina und Radda. Doch die Maremma-Weine stammen aus dem Anbaugebiet des Morellino di Scansano in der Region Grosseto, südlich von Bolgheri. Seit 1998 keltert Brancaia dort Weine. Das Klima ist mediterran – das Mittelmeer ist nur zehn Kilometer entfernt. Die Sommer sind heiss, die Winter mild. Die Unterschiede zwischen Tages- und Nachttemperatur sind gross. Und Meeresbrisen sorgen für eine Belüftung der Rebberge. Die Jahresniederschlags-Menge liegt bei 600 mm, was ziemlich genau der Menge im Wallis entspricht, derweil sie im Tessin bei 1500 oder in Zürich bei 1100 liegt. Produziert wird nach IP-Richtlinien, herkömmliche Insektizide werden nicht verwendet. Die Jahresproduktion liegt bei rund 45 000 Flaschen.
Betriebsleiterin Barbara Widmer: «Wir müssen die Rebsorten für den Ilatraia nicht bewässern. Auch deshalb wachsen sie im totalen Einklang mit der Natur und dürfen als typisch für die Region bezeichnet werden. So ist der Ilatraia ein echter Terroirwein. Ich hätte vor zwanzig Jahren nie erwartet, dass der Wein derart spannend werden würde.» Das verdankt der Ilatraia vor allem dem hohen Anteil an Petit Verdot, einer ruppigen Traubensorte, die 2002 nur mit 10% vertreten war. Widmer: «Wir haben im Laufe der Jahre gemerkt, wie gut sie hier wächst. Ich bin ein Fan dieser Rebsorte!
Das ist offenbar auch Parker-Degustatorin Monica Larner. Sie hat den 2013er Ilatraia mit sagenhaften 97/100 Punkten bewertet! Unseren Siegerwein auch mit sehr hohen 95/100. Im «Wine Advocate» schreibt Larner: «Der warme Jahrgang 2015 hat einen üppigen und intensiven Rotwein geformt, welcher den Gaumen mit verschwenderischem Reichtum erreicht. Das Mundgefühl ist nie zu schwer oder überextrahiert. Da gibts eine Menge zu Geniessen. Ein umwerfender Blend!»
Wie schliessen uns dem an. Vorbehaltlos.
Der Sieger: Ilatraia Toscana Rosso 2015 von Brancaia
1. Rang: 17,50 Punkte
Barbara Widmer ist stolz auf ihren Siegerwein: «Cabernet Franc und Petit Verdot fühlen sich im Mittelmeerklima der Maremma pudelwohl und sind im Einklang mit der Natur. Gerade im Jahr 2015, als die Bedingungen perfekt waren. Weil wir früh lesen konnten, gab es keine Überextraktion. Jede Lage wird handgelesen und einzeln in konischen Stahlbottichen vergoren. Nach 18 Monaten Reifung in französischen Barriques (50% neu), bleibt der Wein noch ein Jahr auf der Flasche.» Der Ilatraia ist in der Nase mächtig, Aromen von Espresso, Zedernholz, dunkle Früchte, knackige Säure neben viel Power, runde Tannine, aristokratisch-elegant, frisch, füllig, enorm langes minziges Finale. (57 Franken. www.vinothek-brancaia.ch)
Klicken Sie sich durch die elf besten Toskaner:
12. Carandelle Maremma DOC 2015, Podere San Cristofero, 16,5/20 (19.40 Fr., www.daniel-vins.ch)
12. Poggio Lombrone Montecucco DOC Riserva 2013, Colle Massari, 16,5/20 (42 Fr., www. hoferwineandspirits.ch)
12. Indaco Toscana IGT 2012, Tenuta Sette Cieli, Monteverdi Marittimo, 16,5/20 (Foto, 38 Fr., www.bauraulacvins.ch)
15. Marchese Antinori Chianti Classico DOCG Riserva 2015, Tenuta Tignanello Antinori, 16,45/20 (35.50 Fr., www.bindella.ch)
15. Brunello di Montalcino DOCG 2008, Valdicava, 16,45/20 (59 Fr., www.capelletti.ch)
17. Vino Nobile di Montepulciano DOCG 2015, Salcheto, 16,4/20 (24.80 Fr., www.ullrich.ch)
17. Eneo Costa Toscana IGT 2015, Montepeloso, 16,4/20 (39.60 Fr., www.riegger.ch)
17. Millepassi Bolgheri Superiore DOC 2013, Donna Olimpia, 16,4/20 (46.40 statt 58 Fr., www.vinazion-wein.ch)
20. Altrovino IGP Costa Toscana 2016, Azienda Vitivinicola Duemani, 16,35/20 (41 Fr., www.boucherville.ch)
12. Carandelle Maremma DOC 2015, Podere San Cristofero, 16,5/20 (19.40 Fr., www.daniel-vins.ch)
12. Poggio Lombrone Montecucco DOC Riserva 2013, Colle Massari, 16,5/20 (42 Fr., www. hoferwineandspirits.ch)
12. Indaco Toscana IGT 2012, Tenuta Sette Cieli, Monteverdi Marittimo, 16,5/20 (Foto, 38 Fr., www.bauraulacvins.ch)
15. Marchese Antinori Chianti Classico DOCG Riserva 2015, Tenuta Tignanello Antinori, 16,45/20 (35.50 Fr., www.bindella.ch)
15. Brunello di Montalcino DOCG 2008, Valdicava, 16,45/20 (59 Fr., www.capelletti.ch)
17. Vino Nobile di Montepulciano DOCG 2015, Salcheto, 16,4/20 (24.80 Fr., www.ullrich.ch)
17. Eneo Costa Toscana IGT 2015, Montepeloso, 16,4/20 (39.60 Fr., www.riegger.ch)
17. Millepassi Bolgheri Superiore DOC 2013, Donna Olimpia, 16,4/20 (46.40 statt 58 Fr., www.vinazion-wein.ch)
20. Altrovino IGP Costa Toscana 2016, Azienda Vitivinicola Duemani, 16,35/20 (41 Fr., www.boucherville.ch)
Das ist das Siegergut Brancaia
1981 verlieben sich die Zürcher Werbelegende Bruno (Kuoni, Migros, Hakle, SBG, Swissair etc.) und Brigitte Widmer in den Sommerferien in das verlassene toskanische Landgut Brancaia bei Castellina in Chianti mit damals zehn Hektaren. Sie kaufen und päppeln es auf. Bereits zwei Jahre später räumt der dort gekelterte Chianti einen wichtigen Preis ab. Und im Zürcher Seefeld eröffnet man einen Shop, um die Weine hier an den Mann zu bringen: Die Vinothek Brancaia, die mittlerweile zu den 70 grössten Weinverkäufern des Landes gehört.
Tochter Barbara indes erschliesst sich der toskanische Reiz nicht so richtig. Sie hat andere Pläne, macht die Matur und beginnt Architektur zu studieren. In einer Studienkrise geht sie in die Toskana – und kehrt als neuer Mensch zurück. Sie studiert Önologie in Wädenswil. 1998 übernimmt sie die Leitung des mittlerweile auf 65 Hektaren und drei Weingüter angewachsenen Betriebs. Heute produziert Brancaia stolze 725 000 Flaschen. Sympathisch: Alle 40 Mitarbeiter werden auf der Webseite namentlich erwähnt. Von Chefin Barbara bis Traktorfahrer Diego!
Ursprünglich stammt Brancaia aus dem Chianti-Gebiet, aus Castellina. Mittlerweile stammt die Mehrheit der rund 725 000 Flaschen Jahresproduktion von Parzellen des Guts in Grosseto in der Maremma: 400 000 bis 450 000 Flaschen. Denn dort werden neben dem Ilatraia der Cabernet sowie der aus Merlot-Trauben gewonnene Rosé gekeltert. «Als wir das Grundstück 1998 kauften, hatte es dort nicht mehr als ein paar Schafe», erinnert sich Brancaia-Chefin Barbara Widmer.
Das Top-Gewächs ist «Il Blu», eine Assemblage aus vornehmlich Merlot mit weiter Sangiovese und Cabernet Sauvignon. Dieser und der grossartige Chianti Classico Riserva teilen sich jeweils die Drei-Gläser-Bewertungen von Gambero Rosso. Der Ilatraia hingegen wird regelmässig abgestraft, weil sich die Herausgeber des Führers «Vini d’Italia» auf den Standpunkt stellen, ein Chianti-Weingut solle sich auf Sangiovese konzentrieren.
Diese drei Weine sind grossartig. Aber auch der Basis-Chianti. Ein Wein, der die Kehle von selber runtergeht, was bei einem Sangiovese im Regelfall ein Riesenkompliment ist…
- Brancaia Il Blu 2015: Ätherisch-ausladende, komplexe Nase, leicht parfümiert, Zedernholz, Kirschen, Zwetschgenkompott, Würze, Espresso, Schmelz, Power, Vanille, schöne Säure, tolle Tanninstruktur, Frische, Fruchtsüsse, Superlänge. Grossartig! Score: 18/20 (CHF 52.90 statt 64.--).
- Brancaia Chianti Classico Riserva 2015 (Foto): Rote Früchte und Kirschen sowie etwas Kräuter in der ätherisch-anmächeligen Nase, Dichte, Schmelz, Fülle, rechte Säure und Tannine, samten, knackig, Zwetschgen, Fruchtsüsse, die dem Wein die Länge verleiht. Ein absoluter Chianti-Archetyp! Toll: Score: 18/20 (CHF 37.50).
- Brancaia Chianti Classico 2015: Wunderbare Früchtnase mit einer Aromatik tendenziell eher zu rot, aber auch Chriesi, florale Noten wie Flieder, Kräuter, etwas Holzkohle, süffig, schlank, wunderbare Säure, Frische, Thymian, mittellang. Beeindruckend! Score: 17/20 (CHF 22.80).
- Brancaia Cabernet Sauvignon 2016: 16/20
- Brancaia Tre 2015 (Sangiovese und Merlot): 15,5/20
- Brancaia Rosé 2017 (Merlot): 15/20
- Brancaia Il Bianco 2017 (Sauvignon und Viognier): 16/20
(Die Weine findet man bei www.vinothek-brancaia.ch. Die technischen Daten unter www.brancaia.com)
Ursprünglich stammt Brancaia aus dem Chianti-Gebiet, aus Castellina. Mittlerweile stammt die Mehrheit der rund 725 000 Flaschen Jahresproduktion von Parzellen des Guts in Grosseto in der Maremma: 400 000 bis 450 000 Flaschen. Denn dort werden neben dem Ilatraia der Cabernet sowie der aus Merlot-Trauben gewonnene Rosé gekeltert. «Als wir das Grundstück 1998 kauften, hatte es dort nicht mehr als ein paar Schafe», erinnert sich Brancaia-Chefin Barbara Widmer.
Das Top-Gewächs ist «Il Blu», eine Assemblage aus vornehmlich Merlot mit weiter Sangiovese und Cabernet Sauvignon. Dieser und der grossartige Chianti Classico Riserva teilen sich jeweils die Drei-Gläser-Bewertungen von Gambero Rosso. Der Ilatraia hingegen wird regelmässig abgestraft, weil sich die Herausgeber des Führers «Vini d’Italia» auf den Standpunkt stellen, ein Chianti-Weingut solle sich auf Sangiovese konzentrieren.
Diese drei Weine sind grossartig. Aber auch der Basis-Chianti. Ein Wein, der die Kehle von selber runtergeht, was bei einem Sangiovese im Regelfall ein Riesenkompliment ist…
- Brancaia Il Blu 2015: Ätherisch-ausladende, komplexe Nase, leicht parfümiert, Zedernholz, Kirschen, Zwetschgenkompott, Würze, Espresso, Schmelz, Power, Vanille, schöne Säure, tolle Tanninstruktur, Frische, Fruchtsüsse, Superlänge. Grossartig! Score: 18/20 (CHF 52.90 statt 64.--).
- Brancaia Chianti Classico Riserva 2015 (Foto): Rote Früchte und Kirschen sowie etwas Kräuter in der ätherisch-anmächeligen Nase, Dichte, Schmelz, Fülle, rechte Säure und Tannine, samten, knackig, Zwetschgen, Fruchtsüsse, die dem Wein die Länge verleiht. Ein absoluter Chianti-Archetyp! Toll: Score: 18/20 (CHF 37.50).
- Brancaia Chianti Classico 2015: Wunderbare Früchtnase mit einer Aromatik tendenziell eher zu rot, aber auch Chriesi, florale Noten wie Flieder, Kräuter, etwas Holzkohle, süffig, schlank, wunderbare Säure, Frische, Thymian, mittellang. Beeindruckend! Score: 17/20 (CHF 22.80).
- Brancaia Cabernet Sauvignon 2016: 16/20
- Brancaia Tre 2015 (Sangiovese und Merlot): 15,5/20
- Brancaia Rosé 2017 (Merlot): 15/20
- Brancaia Il Bianco 2017 (Sauvignon und Viognier): 16/20
(Die Weine findet man bei www.vinothek-brancaia.ch. Die technischen Daten unter www.brancaia.com)
Die Jury: Diese sechs Supernasen degustierten
Ivan Barbic (51) ist einer von nur drei Schweizer Masters of Wine, also Inhaber des weltweit bedeutendsten Weindiploms. Er ist strategischer Einkäufer bei Weinimporteur Bataillard, schreibt regelmässig für «Vinum» und die «Schweizerische Weinzeitung». Sein Favorit: Dromos.
Erich Meier (44), gelernter Winzermeister, ist seit 1998 im Famlienbetrieb in Uetikon am Zürichsee tätig. Zuvor war er Schreiner und Leichtathlet. Er ist ein Perfektionist, dessen Keller auf Hochglanz poliert ist. Sein Pinot Noir gehört den besten in Zürich. Lieblingsweine: Ilatraia und Pagus.
Michael Balmer (43) ist Önologe/Betriebsleiter von Australien-Spezialist Rutishauser Barossa, einem Weinhandelshaus mit eigener Weinkellerei in Scherzingen am Bodensee. Das Vinea-Vorstandsmitglied war Betriebsleiter bei der Weinkellerei von Volg und der Cave Fin Bec in Sion. Sein Favorit: der Brunello von Canalicchio di Sopra.
Johann-Baptista von Tscharner (32) ist der Sohn der Bündner Winzerlegende Gian-Battista und verantwortlich für das Kult-Weingut mit eigenem Schloss, wo die Weine erst nach einer Reifezeit auf den Markt kommen. Er studierte Lebensmittel- und Getränketechnologie und hospitierte bei Georg Fromm in Neuseeland. Sein Liebling: Indaco.
Sebastian Uppena (35) ist Co-Gastgeber und Sommelier im Restaurant Wart in Hünenberg ZG, wo sich Sebastian Rabe auf Anhieb 15 Gault-Millau-Punkte erkocht hat. Der gelernte Hotelfachmann aus Deutschland war zuvor Restaurantmanager und Chefsommelier in der berühmten Chesery in Gstaad (ein Guide-Michelin-Stern). Favorit: Der Brunello von Valdicava.
Alain Kunz (56) ist Redaktor der Blick-Gruppe, schreibt über Fussball und Wein, was in der Schweiz einmalig ist. Seine regelmässige Wein-Kolumne erscheint auf blick.ch/life. Zudem degustiert er regelmässig für das Profipannel von «Vinum». Seine Lieblingsweine: Ilatraia und Ripa delle More.
Die Location: Restaurant Wart in Hünenberg ZG
Das Haus ist altehrwürdig, Baujahr 1684. Die Geschichte beginnt schlecht, brennt doch das Gesellenhaus 1702 bis auf die Grundmauern nieder, wird indes nur ein Jahr später auf ebendiesen wieder aufgebaut. Alle Rats- und Gemeindeversammlungen in Hünenberg werden in der Folge hier abgehalten. Das Haus dient aber auch als erstes Schullokal der Gemeinde. Später wird es seiner finalen Bestimmung zugeführt und wird Wirtshaus. Jahrelang gutbürgerlich. Und heute?
Seit Oktober 2017 hat die Wart neue Pächter. Und die haben einen anderen Anspruch als Vorgängerin Cornelia Waldispühl: Eines Tages soll ein Guide-Michelin-Stern die Fassade des Hauses schmücken. Dies das erklärte Ziel der Pächter Peter E. Egli und Daniel Kolbe sowie der Gastgeber Sebastien Rabe (Küche) und Sebastian Uppena (Sommelier). Klar gab dies in Hünenberg zu reden. Zumal die beliebte Hünenbergerin Waldispühl zwanzig Jahre lang in der Wart wirtete, bis sie sich mit der Hauseigentümerin, der Korporation, wegen des Pachtzins verkrachte und ging. Das Dorf Hünenberg hat wohl fast 9000 Einwohner. Aber da sind ganz viele, sagen wir, Nicht-Einheimische darunter. Topshot-Arbeitskräfte aus allen Herren Länder, wie das im Kanton Zug so üblich ist. Aber der Kern des Dorfes, der ist unverändert klein und rural geblieben. Bodenständig, wie die «Ureinwohner». Da ist eine gewisse Berührungsangst zu spüren in ein Lokal zu gehen, das nicht mehr «en Spunte» ist, sondern ein Gault-Millau-gekrönter Tempel.
Dabei ist das Credo von Rabe, dem Deutschen, der sich einst in Hamburg, Ascona und Uetikon in 18-Punkte-Lokalen seine Sporen abverdiente, ein enorm lokaler: «Zum einen sollen die Produkte alle aus der unmittelbarsten Region stammen, nur wenige Autokilometer von der Wart entfernt.» Meeresgetier kommt ihm nicht auf den Tisch. Neben Fischen aus dem Zugersee sind es sind maximal Flusskrebse aus einer nahen Zucht. «Zum anderen versuche ich sowohl die Tiere wie auch die Gemüse und Kräuter vollständig zu verwerten.» Head to tail nennt man das. Ökologisch.
Bester Beleg ist der Garten vor dem Haus. «Das war mit ein Grund, weshalb mich das Projekt reizte», sagt der talentierte Küchenchef, der bereits im «Pur» in Pfäffikon auf höchsten Niveau kochte und mit 15 GaultMillau-Punkten bedacht wurde. Und nun dieser Raketenstart im Kanton Zug! Auf Anhieb auch 15 Punkte, womit die Wart sich gleich hinter dem Falken in Neuheim (16 Punkte) auf Platz zwei im Kanton setzt.
Völlig zurecht, wie der an die Degustation anschliessende kleine Lunch eindrücklich aufzeigt. Die Prognose sei gewagt: Es ist nicht das Ende der Fahnenstange für die beiden Sebastians!