Ein Fest des Schweinefleischs
Die Geschichte der Metzgete

Bei diesem Schweizer Brauch dreht sich alles um die Sau. Woher die Tradition der Schweizer Metzgete kommt und warum sie Vorreiterin einer nachhaltigen Esskultur ist.
Publiziert: 27.10.2023 um 00:04 Uhr
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Aktualisiert: 27.10.2023 um 14:55 Uhr
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Vom Schnörrli bis zum Schwänzli – bei der Metzgete schmeckt alles.
Foto: Thomas Meier
Nataša Mitrović

Die Metzgete ist ein alter Brauch des späten Herbstes. In der Romandie wird das Fest liebevoll «la fête du cochon» genannt – auf Deutsch «Schweinefest». Zu Recht. Das grunzende Tier steht im Mittelpunkt dieser alten Tradition.

Wann die erste Metzgete stattfand, ist nicht überliefert. Der Ursprung der Tradition geht auf die Zeit vor der industrialisierten Landwirtschaft und professionellen Schweinezucht zurück. Damals galten Schweine als Haustiere und wurden nicht nur auf den Höfen, sondern auch in Städten gehalten. Die Allesfresser wurden das Jahr durch mit Essensresten gemästet oder von Schweinehirten zum Fressen in den Wald begleitet. Der Zeitpunkt der Schlachtung vor dem Wintereinbruch hatte einen praktischen Hintergrund. Denn nur die wenigsten konnten es sich leisten, die Tiere durch den harten Winter zu füttern. 

«Die einen freuen sich aufs Kesselfleisch, die anderen auf Blutwurst»
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Bei Rüeggs gibts Metzgete:«Einige wollen Kesselfleisch, andere Blutwurst»

Die Metzgete steht aber nicht nur für die Schlachtung der Schweine, sondern auch für das anschliessende Festmahl. Handwerk, Gemeinschaft und Genuss finden hier zusammen. Was früher auf Bauernhöfen zelebriert wurde, fand mit der Professionalisierung und Industrialisierung der Fleischproduktion 1940 auch Einzug in Beizen und Gasthöfen.

Dabei wird in der jurassischen Region Ajoie am opulentesten aufgetischt. Das Festmahl am Sankt-Martinsfest um den 11. November besteht hier aus einem 8- bis 12-Gangmenü aus Schweinefleisch – von Bouillon und Aspik bis hin zu Blutwurst, Adrio und Braten. Anderswo werden die deftigen Fleischerzeugnisse auf einer währschaften Schlachtplatte oder als Buffet serviert – wo jeder schöpfen kann, so viel er oder sie essen mag. 

Nachhaltigkeit auf traditionell

Früher wurden leicht verderbliche Stücke des Schweins direkt am Schlachttag verwertet. Kopf, Schwanz, Zunge und Innereien werden dabei über mehrere Stunden gekocht und als Kesselfleisch serviert oder sie dienten als Grundlage für Leber- und Bratwürste. Aus dem Blut entstehen Blutwürste. Die «edlen» Teile wie Bauch, Brust, Rippli und Hals wurden eingesalzen und geräuchert, um sie für den Winter haltbar zu machen.

Claudia Blum (57) vom Landgasthof Ochsen in Roggliswil LU erklärt, dass heute die Möglichkeit der Kühlung der Fleischerzeugnisse den Gästen eine grössere kulinarische Vielfalt bietet: «Blutwürste, Leberwürste und Innereien sind nicht mehr nur am Schlachttag erhältlich.»

Zum Fleisch werden traditionell Salzkartoffeln, Rösti, Sauerkraut, Dörrbohnen und Äpfel als Mus oder Schnitze serviert. Claudia Blum beobachtet ein wachsendes Interesse am alten Brauch. Deftige Schweinefleischerzeugnisse seien früher vor allem bei Bauern beliebt gewesen, «heute sehe ich immer mehr Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten und jeden Alters herzhaft in eine Blutwurst beissen.» Die Gastwirtin erklärt sich den Trend unter anderem mit dem nachhaltigen Aspekt dieses Brauchs, bei dem das ganze Tier verwertet wird. 

Die Nachfrage nach Schweinefleisch ist das ganze Jahr hindurch gross: Laut dem Schweizer Fleischverband Proviande wurden im letzten Jahr über 2,5 Millionen Schweine geschlachtet. Doch die Metzgete-Saison ist für Fleischliebhaberinnen und Fleischliebhaber besonders. Die Metzgete wird als kulinarisches Fest und Erbe der Schweizer Landwirtschaft zelebriert und kann durchaus als Vorreiterin des nachhaltigen Fleischkonsums bezeichnet werden.

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