Für Sie degustiert
Sassicaia oder das Wunder an der etruskischen Küste

Die Super-Toskaner haben Italiens Weinbau revolutioniert. Das Wunder möglich gemacht hat Sassicaia. Ein Besuch auf dem Kult-Weingut.
Publiziert: 21.01.2011 um 15:24 Uhr
|
Aktualisiert: 06.09.2018 um 21:09 Uhr
Von Alain Kunz

Die Tenuta San Guido zu finden ist gar nicht so einfach. Zuerst wird man von wilden Hengsten begrüsst. Man ist aber richtig, denn die Familien Incisa della Rocchetta und Della Gheradesca halten auch eine Pferdefarm. Fast schon versteckt liegt das Gut auch, weil es architektonisch nicht eine extravagante Augenweide wie Ornellaia oder Argentiera ist. Egal. Was zählt ist das, was in den Flaschen ist.

Bolgheri-Klima = Bordeaux-Klima

Wie es zum Bolgheri-Wunder kam, ist eine erstaunliche Geschichte. Mario Incisa della Rocchetta, Spross einer alten piemontesischen Adelsfamilie, interessierte sich schon als Student für vinologische Experimente. Er träumte von Weltklasseweinen made in Italy, die es in den 30er-Jahren schlicht nicht gab. Erst probierte er es im Piemont mit einem barriquegereiften Pinot Noir. also einem Burgund-Klon. Doch erst die Heirat mit Clarice della Gheradesca brachte den entscheidenden Kick. Ihre Familie besass an der etruskischen Küste ein Gut, die Tenuta San Guido, auf welcher traditionsgemäss vor allem Sangiovese angebaut wurde. Mario indes fiel sofort das mit Bordeaux vergleichbare Mikroklima mit ähnlichen Kiesböden auf. Er beschloss Cabarnet Sauvignon zu pflanzen. Der erste Sassicaia – zu deutsch «Ort der vielen Steine» – war geboren. Und wurde natürlich sogleich von den Traditionalisten niedergemacht. Was das solle, Cabernet hier in der Toskana. Und dann die Idee mit der langen Reifung in diesen französischen Holzdingern. So blieb Sassicaia von 1948 bis 1967 eine Familienangelegenheit.

DOC Sassicaia – ein italienisches Unikum

Der Durchbruch gelang mit dem 68er – nicht nur politisch ein wegweisender Jahrgang. Man verglich diesen Wein alsbald mit den besten Bordeaux. Der erste Super-Toskaner war geboren, die Erfolgsstory, auch durch das Marketing der grössten italienischen Weinhandelsfamilie, den Antinoris, in die Wege geleitet. 1994 erhielt Sassicaia, ursprünglich als Vino di tavola klassifiziert, gar eine eigene DOC. Das Gut, das nun von Marios Sohn Niccolò geführt wird, ist bis heute das einzige in Italien mit eigener DOC.

Auch der Guidalberto ist ein Geduldsspiel

Eigen am Sassicaia ist, dass er eine gewisse Reife braucht, bis er sein Potenzial offenbart. «Wir füllen den Wein relativ früh ab und lassen ihn nicht in den Flaschen reifen», begründet Commercial Director Sebastiono Rosa, auch er ein Familienmitglid seit seiner Heirat mit Niccolòs Tochter. Diese Gedulderfordernis ist auch dadurch zu rechtfertigen, dass nur 20% neue Barriques verwendet werden. A propos Barriques: Der Stolz von Sassicaia ist seit 2008 ein nigelnagelneuer Fasstempel mit fast 1500 Barriques auf High-Tech-Racks. Speziell ist auch, dass für den Sassicaia nur immer Cabernet Sauvignon und Franc gemischt werden. «Wir wollen verhindern, dass der Wein zu viel Alkohol hat, den die Merlot-Traube üblicherweise generiert», so Rosa.

Ein Sassicaia-Besuch kostet 25 Euro

Wer das Gut besuchen will: Das ist an Dienstagnachmittagen möglich, aber nur gegen Voranmeldung, und kostet 25 Euro. Inbegriffen sind eine Kostprobe von Sassicaia sowie der Zweit- und Drittweine Guidalberto resp. Le Difese. Von jedem dieser Gewächse werden jährlich 200 000 Flschen produziert, dies auf 75 Hektaren. www.sassicaia.com.

Und schlemmen kann man auf dem Gut auch, in einem prachtvollen Restaurant in uralten Gemäuern, der Osteria San Guido. Diese ist auch eine Enoteca, welche nicht nur die Weine des eigenen Guts verkauft. www.enotecasanguido.it. Und übrigens: Auch der von Poli destillierte Grappa von Sassicaia ist Weltklasse!

SASSICAIA 2006
Das Holz ist nur dezent spürbar in dieser Assemblage aus 85% Cabernet Sauvignon und 15% Cabernet Franc. Die Nase ausladend, nach schwarzen Beeren und Lakritze duftend. Der Sassicaia wirkt einerseits aristokratisch, andrerseits rustikal-herb. Man spürt die Trauben in diesem Gewächs regelrecht pulsieren. Tolle Länge. Braucht noch ein paar Jährchen.

Score: 18/20 (€ 130.-- auf dem Gut, CHF 145.--, www.bindellaweine.ch; CHF 180.--, Jahrgang 2007, www.moevenpick-wein.com)
Alain Kunz
Das Holz ist nur dezent spürbar in dieser Assemblage aus 85% Cabernet Sauvignon und 15% Cabernet Franc. Die Nase ausladend, nach schwarzen Beeren und Lakritze duftend. Der Sassicaia wirkt einerseits aristokratisch, andrerseits rustikal-herb. Man spürt die Trauben in diesem Gewächs regelrecht pulsieren. Tolle Länge. Braucht noch ein paar Jährchen.

Score: 18/20 (€ 130.-- auf dem Gut, CHF 145.--, www.bindellaweine.ch; CHF 180.--, Jahrgang 2007, www.moevenpick-wein.com)
DIE BOLGHERI-TRILOGIE
In einer kleinen dreiteiligen Serie beleuchten wir die Weine aus Italiens «Bordeaux-Appellation» Bolgheri" in der Toskana. Folge1 widmet sich dem Bolgheri-Pionier Mario Incisa dell Rocchetta, mit dem Sassicaia der Begründer des Bolgheri-Wunders. In Folge 2 stellen wir mit Argentiera einen typischen Neo-Vertreter der Boom-Appellation vor. Und den Abschluss bilden einige kleine Weingüter, die im Windschatten der Super-Toskaner sensationelle Weine zu tollen Preisen machen.
Alain Kunz
In einer kleinen dreiteiligen Serie beleuchten wir die Weine aus Italiens «Bordeaux-Appellation» Bolgheri" in der Toskana. Folge1 widmet sich dem Bolgheri-Pionier Mario Incisa dell Rocchetta, mit dem Sassicaia der Begründer des Bolgheri-Wunders. In Folge 2 stellen wir mit Argentiera einen typischen Neo-Vertreter der Boom-Appellation vor. Und den Abschluss bilden einige kleine Weingüter, die im Windschatten der Super-Toskaner sensationelle Weine zu tollen Preisen machen.
GUIDALBERTO 2008
Verschlossen. Starke Tannine, präsente Merlot-Aromen, wirkt sogar noch grünlich. Erst gegen Ende öffnet sich die Assemblage aus 60% Cabernet Sauvignon und 40% Merlot behutsam. Wunderbare Frische und Länge. Auch der Guidalberto ist ein Geduldsspiel.

Score: 17/20 (€ 33.-- auf dem Gut; CHF 41.--, www.bindellaweine.ch, CHF 49.50, www.moevenpick-wein.com, CHF 46.50, www.kellerei-st-georg.ch)
Alain Kunz
Verschlossen. Starke Tannine, präsente Merlot-Aromen, wirkt sogar noch grünlich. Erst gegen Ende öffnet sich die Assemblage aus 60% Cabernet Sauvignon und 40% Merlot behutsam. Wunderbare Frische und Länge. Auch der Guidalberto ist ein Geduldsspiel.

Score: 17/20 (€ 33.-- auf dem Gut; CHF 41.--, www.bindellaweine.ch, CHF 49.50, www.moevenpick-wein.com, CHF 46.50, www.kellerei-st-georg.ch)
LE DIFESE 2008
Fruchtige Nase, rote, aber reife Beeren, etwas dünnlich im Gaumen, wieder Johannisbeeren in der Assemblage von rund 70% Cabernet Sauvignon und 30% Sangiovese. Kraft. Länge mittel.

Score: 16/20 (€ 17.-- auf dem Gut, CHF 21.--, www.bindellaweine.ch. CHF 25.50 ,www.kellerei-st-georg.ch)
Alain Kunz
Fruchtige Nase, rote, aber reife Beeren, etwas dünnlich im Gaumen, wieder Johannisbeeren in der Assemblage von rund 70% Cabernet Sauvignon und 30% Sangiovese. Kraft. Länge mittel.

Score: 16/20 (€ 17.-- auf dem Gut, CHF 21.--, www.bindellaweine.ch. CHF 25.50 ,www.kellerei-st-georg.ch)
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?