Andere Länder, andere Sitten
Konfliktfrei essen in Italien

Das Land steht im Ruf, dass ein Tourist sich schwer blamiert, wenn er das Falsche bestellt. Ganz so schlimm ist es nicht mehr.
Publiziert: 26.07.2015 um 12:25 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 22:23 Uhr
Nicht nur Bier oder Wasser Die Italiener schätzen ein Glas Wein zur Pizza.
Von Christiane Binder

Die sprachlich unfallfreie Bestellung von «Brusketta», «Njokki» und «Tschabatta» am Ferienort schafft dank der kulinarischen Internationalisierung heute jeder. Ansonsten müssen Italienbesucher die – meist in gestrengem Ton vorgetragenen – Gesetze vieler Touristen-Guides («Kein Cappuccino nach 12 Uhr mittags!») nicht mehr sklavisch befolgen. Für Ausländer reicht beim Auswärtsessen auch in Rom, Florenz oder Neapel der gesunde Menschenverstand.

Die Auswahl der Lokalität ist leicht: Wimmelt es dort ab 20 Uhr von Einheimischen, kann nichts schiefgehen. An einem solchen Ort ist es klüger, sich – wenigstens beim Znacht und in besseren Etablissements – an die klassische Menü-Folge zu halten: Antipasti, Primo Piatto, Secondo Piatto und ein Dolce.

Vielleicht gehts für einzelne Personen am Tisch noch ohne Vorspeise, wahlweise ohne Dessert, aber dann sollte keinesfalls der billigste Wein bestellt werden – das empfände auch bei uns jeder Wirt als dreist. Steht einem der Sinn abends nur nach einem Teller Pasta, ist eine Bar besser, wo es Bistro-Küche gibt und man komplikationslos einen schnellen Salat essen kann. Mittags speist dasselbe auch der moderne, kalorienbewusste Italiener.

Sich an manche kulinarischen Landesnormen zu halten, ist dennoch kein Fehler. «Nie Käse zum Fisch!» zum Beispiel macht Sinn, da Käse das zarte Fischaroma ruiniert. Verlangt der Feriengast ge­riebenen Parmesan zur Thon-Pasta oder Seezunge, passiert in Lokalen in städtischen Zentren allerdings dasselbe wie im Zürcher «Baur au Lac», wenn er Ketchup ordert: Nichts. Der Ober serviert es ohne mit der Wimper zu zucken, vielleicht sogar in der Silberschale. Ist es einem aber wichtig, dass das Personal sich nicht hinten in der Küche über einen mokiert, lässt mans lieber. Augenrollendes Entsetzen erntet der Tourist allenfalls in Trattorien auf dem Land, wo der Chef grosse Stücke auf seine traditionelle Kochkunst hält.

Das Verdikt «Zur Pizza nur Bier oder Wasser!» halten hingegen die Italiener selber nicht ein und lassen sich dabei erwischen, wie sie ein Glas Wein dazu trinken. Anzuraten ist aus Geschmacksgründen ein roter – zur Margarita ein leichter, zur deftigen Calzone ein schwererer. Auch Cola zur Pizza wurde bereits auf von echten Italienern besetzten Tischen gesichtet. In dem Fall gilt für unsereins dasselbe wie beim Fisch-Käse-Problem: Es muss einem schnurz sein, was der capocameriere denkt. Auf­weichungs-Tendenzen zeigt auch das Cappuccino-­Gebot. Sich einen erst um 16 Uhr zu genehmigen, ist kein kulinarischer Beinbruch mehr.

Besteht der Wunsch nach Extrawürsten, gilt, wie überall in der Welt: Reden mit den Leuten, und auch mal per favore und grazie sagen. Nur eine Regel muss im Stiefel wirklich eingehalten werden: Lädt man italienische Ferienbekanntschaften zu sich ins Miet-Appartment, müssen sich die Tische biegen. Sie mit einer Tiefkühl-Lasagne abzuspeisen, empfinden gastfreundliche Südländer als Affront.

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