Eselbesuch im Altersheim in Grandson VD
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Emotionale Helfer:Eselbesuch im Altersheim in Grandson VD

Eselbesuch im Altersheim
Übers Fell direkt ins Herz

Wie wichtig der Kontakt mit Tieren für ältere Menschen ist, zeigt der Besuch der beiden Esel Pipo und Ticoeur in einem Alters- und Pflegeheim.
Publiziert: 25.12.2022 um 10:11 Uhr
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Aktualisiert: 27.12.2022 um 16:03 Uhr
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Fühlt sich in ihre Kindheit zurückversetzt: Ruth möchte den Esel Ticoeur am liebsten behalten.
Foto: Philippe Rossier

Vorsichtig streichen ihre Hände über das dichte, graue Fell, dann werden die Augen von Ruth (60) feucht: «Da muss ich an meine Kindheit denken. Mit sechs Jahren bin ich auf genau so einem Esel geritten. Aber der war viel wilder, nicht so zart.» Liebevoll schaut sie das Eseli an: «Dich würde ich am liebsten behalten.»

Ruth lebt im Alters- und Pflegeheim Bru in Grandson VD, einem Ort für Senioren und Menschen mit psychosozialer oder körperlicher Behinderung. Kurz vor Weihnachten bekommen Ruth und ihre Mitbewohner tierischen Besuch von Ticoeur und Pipo. Die beiden Esel sind es gewöhnt, dass runzlige Hände nach ihnen greifen. «Sie haben aber ihren eigenen Willen, sie müssen gar nichts», sagt Florence Scheidegger (56). Regelmässig besucht sie Alters- und Pflegeheime im Umfeld von höchstens einer Stunde Fahrzeit, damit die Anreise für Pipo und Ticoeur nicht zu weit ist. Die beiden Esel passen dafür besonders gut. «Sie sind eher klein und gewohnt im Umgang mit ganz unterschiedlichen Menschen», sagt Scheidegger. «Vor allem haben sie keine Angst vor Rollstühlen und Stöcken.»

Der Besuch vom Esel Ticoeur lässt die Emotionen im Altersheim hochgehen: Ruth ist als Kind auf Eseln geritten.
Foto: Philippe Rossier

Die Esel lösen Emotionen aus

Vier Jahre ist es her, seit Scheidegger Pipo zu ihrem Vater ins Heim mitgenommen hat. «Als ich das erste Mal gesehen habe, was für Emotionen das auslöst, hat mich das so berührt, dass mir die Tränen gekommen sind.» Warum die Esel eine solche Wirkung haben? «Es ist diese Ruhe, die sie ausstrahlen», sagt sie. Zudem sind die Esel über Jahre sozialisiert worden. «Natürlich spielt der Charakter auch eine Rolle. Nicht jeder Esel eignet sich dafür.»

Bevor es mit der Begegnung zwischen Mensch und Tier losgeht, wird den Eseln ihre «Arbeitsuniform» angelegt, ein Geschirr mit einem Holzsattel mit Kreuzstreben, um Satteltaschen zu befestigen oder ein Kind darauf zu setzen. «Daran kann sich auch jemand festhalten, wer nicht mehr so gut zu Fuss ist», erklärt Scheidegger. Aber auch für die Esel ist diese Uniform wichtig, damit sie wissen, dass der Einsatz losgeht: «Sie passen sich an, wenn sie in der Nähe von geschwächten Menschen sind, also alten oder behinderten oder kleinen Kindern. Esel wissen immer, mit wem sie es zu tun haben.» Ausserhalb solcher Personengruppen sind sie laut der Besitzerin eigenwilliger: «Bei mir nutzen sie jede Ablenkung zum Fressen.»

Sie besucht mit ihren Eseln regelmässig Alters- und Pflegeheim: Florence Scheidegger.
Foto: Philippe Rossier

Die stoische Geduld hat ihre Grenzen

An die zwanzig Bewohnerinnen und Bewohner haben sich draussen versammelt, um den vierbeinigen Besuch in Empfang zu nehmen. Einige beobachten das Geschehen noch aus Distanz, dann ist da plötzlich nur noch ein Klungel aus sehnsüchtigen Händen und weichem Fell. «Anfangs haben wir versucht, das mehr zu strukturieren, aber ich passe mich lieber der Situation an», sagt Scheidegger. Die stoische Geduld der Esel hat allerdings ihre Grenzen. Nach spätestens einer Stunde ist es genug, dann ziehen die Tiere auf die kleine Wiese zum Grasen, bis es im Transporter wieder nach Hause geht.

Einen, den der Besuch der Tiere besonders rührt, ist Raphaël (60). Der Zufall will es, dass der Heimbewohner an diesem Tag seinen runden Geburtstag feiert. Ein schöneres Geschenk könnte es für ihn nicht geben. «Es ist 15 Jahre her, seit ich so ein Tier gestreichelt habe», sagt er leise. Auch bei ihm fliessen die Emotionen mit dem Augenwasser über. Er erzählt, dass er früher auf einem Bauernhof gelebt hat und wie sehr er den Bezug zu Tieren vermisse.

Fabienne Häberli arbeitet beim Schweizer Tierschutz STS für das Projekt «Grizzly», Ziel ist mehr Tiere im Altersheimen zu integrieren.
Foto: Philippe Rossier

Der Kontakt mit Tieren öffnet das Herz

Gibt es denn im Heim keine ständigen vierbeinigen Bewohner? «Wir haben eine Katze», sagt Michaël Schöpf (48), er leitet die Abteilung «Begleitung» im Heim. «Aber die macht, was sie will.» Ein eigenes Kino und ein Garten, wo eigenes Gemüse gezogen wird, sowie verschiedene Workshops sorgen für Geselligkeit im Alltag. Es ist das erste Mal, dass tierischer Besuch vorbeikommt, organisiert wird dies im Rahmen des Projekts «Grizzly» des Schweizer Tierschutzes (STS). «Wir sind etwa alle zwei Wochen in verschiedenen Alters- und Pflegeheimen», sagt die Zuständige Fabienne Häberli (42). Im Einsatz sind neben Eseln auch Hunde und Alpakas.

Für ältere Menschen, ganz besonders für Demenzbetroffene oder Alzheimerpatienten, sei der regelmässige Kontakt mit Tieren äusserst wertvoll und hilfreich. Häberli: «Sie sprechen in der Regel sehr gut darauf an und können sich gegenüber einem Tier oft besser öffnen als im Austausch mit ihren Mitmenschen.» Wichtig sei es darum auch, dass ältere Menschen ihre Haustiere wenn immer möglich mit ins Heim nehmen können. Die Bereitschaft dafür ist gross, laut einer Umfrage des STS sind 83 Prozent der Alters- und Pflegeheime bereit, die tierischen Mitbewohner aufzunehmen. Am beliebtesten sind Katzen, gefolgt von Fischen, Hunden und Vögeln. Häberli: «Mit dem eigenen Haustier kommt auch ein Stück aus dem eigenen Daheim mit. Für die Seniorinnen und Senioren ist das eine emotionale Stütze. Die Tiere tun dem Herzen gut, sorgen für Nähe und geben dem Alltag Struktur.»

«Esel bieten die grösstmögliche Kuschelfläche»

Nachgefragt bei Bettina Mutschler (54) von Ani.Motion, Coach für tiergestützte Therapie.

SonntagsBlick: Esel standen schon bei Maria und Josef in der Krippe, was macht die Tiere so besonders?
Bettina Mutschler: Esel sind eigenwillig und zugleich sehr sozial. In der Herde sind sie eng beieinander, aber es gibt keine Hierarchien. Da ist also kein Chef, der entscheidet, sondern jedes Tier in der Herde ist gleich. Das ist anders als bei Hunden oder Pferden, da muss ich den Chef spielen, bei Eseln geht das nicht.

Warum eignen sich so sture Tiere für Therapien?
Weil sie in ihrer Reaktion ehrlich sind. Wenn ein Esel von selber kommt und sich streicheln lässt, fühlt sich das für die Patienten besonders echt an, man wird erkannt und gesehen. Und für einen Besuch im Altersheim bieten Esel die grösstmögliche Kuschelfläche. Sie sind nicht schreckhaft wie Pferde, weil sie so tiefenentspannt und ruhig sind. Das überträgt sich, und darum haben die Leute auch keine Angst vor ihnen.

Warum tut es gut, Tiere zu berühren?
Im Altersheim werden die Leute ständig umsorgt und sind in einer abhängigen Rolle – ganz anders als in all ihren Lebensjahren davor. Wenn sie Tiere streicheln oder füttern, können sie etwas geben und sind selbstwirksam. Zudem wird beim Streicheln Oxytocin ausgeschüttet, das Kuschelhormon reduziert Stress.

Was ist daran anders, als mit Menschen zu kuscheln?
In unserer Gesellschaft kuschelt man meist nur als Paar, aber gerade im Alter fehlt oft der Partner. In dem Kontext ist Berührung oft sexualisiert. Ein Tier hat etwas Unschuldiges, mit ihm kann man hemmungslos kuscheln – sofern es das auch will. Interview: Katja Richard

Bettina Mutschler von Ani.Motion ist Coach für tiergestützte Therapie.
Zvg

Nachgefragt bei Bettina Mutschler (54) von Ani.Motion, Coach für tiergestützte Therapie.

SonntagsBlick: Esel standen schon bei Maria und Josef in der Krippe, was macht die Tiere so besonders?
Bettina Mutschler: Esel sind eigenwillig und zugleich sehr sozial. In der Herde sind sie eng beieinander, aber es gibt keine Hierarchien. Da ist also kein Chef, der entscheidet, sondern jedes Tier in der Herde ist gleich. Das ist anders als bei Hunden oder Pferden, da muss ich den Chef spielen, bei Eseln geht das nicht.

Warum eignen sich so sture Tiere für Therapien?
Weil sie in ihrer Reaktion ehrlich sind. Wenn ein Esel von selber kommt und sich streicheln lässt, fühlt sich das für die Patienten besonders echt an, man wird erkannt und gesehen. Und für einen Besuch im Altersheim bieten Esel die grösstmögliche Kuschelfläche. Sie sind nicht schreckhaft wie Pferde, weil sie so tiefenentspannt und ruhig sind. Das überträgt sich, und darum haben die Leute auch keine Angst vor ihnen.

Warum tut es gut, Tiere zu berühren?
Im Altersheim werden die Leute ständig umsorgt und sind in einer abhängigen Rolle – ganz anders als in all ihren Lebensjahren davor. Wenn sie Tiere streicheln oder füttern, können sie etwas geben und sind selbstwirksam. Zudem wird beim Streicheln Oxytocin ausgeschüttet, das Kuschelhormon reduziert Stress.

Was ist daran anders, als mit Menschen zu kuscheln?
In unserer Gesellschaft kuschelt man meist nur als Paar, aber gerade im Alter fehlt oft der Partner. In dem Kontext ist Berührung oft sexualisiert. Ein Tier hat etwas Unschuldiges, mit ihm kann man hemmungslos kuscheln – sofern es das auch will. Interview: Katja Richard


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