«Dr. Eurovision», der Journalist und Kulturwissenschaftler Irving Wolther (46) aus Hannover (D), ist seit seinem fünften Lebensjahr ESC-Fan und hat sogar seine Doktorarbeit über den ESC geschrieben. Sein Favorit beim Contest heute Abend in Lissabon ist Ungarn.
BLICK: Herr Wolther, warum ist die Schweiz so erfolglos?
Irving Wolther: Die Schweizer vertrauen nicht genug auf ihre eigenen Künstler. Es wurde zu viel aus dem Ausland eingekauft, wie Rykka aus Kanada – mit wenig Erfolg. Wo sind Züri West, Berner Rap und die aktuelle Schweizer Musik? Die Schweiz muss mehr Mut haben, ihre Kultur zu präsentieren.
Soll sie also Jodler auf die Bühne schicken?
Das Publikum erwartet etwas für ein Land Typisches. Aber es muss glaubwürdig sein. Man muss vermitteln, dass man hinter dem steht, was man macht. 1977 war «Swiss Lady» mit Alphorn einer der erfolgreichsten Schweizer Beiträge.
Was ist am ESC so faszinierend?
Er ist eine der wenigen Gelegenheiten, sich mit Europa jenseits der tagesaktuellen Nachrichten zu beschäftigen und Länder zu entdecken, die man zuvor nicht kannte. Wenn heute mehrere 100 Millionen Zuschauer den ESC schauen, verbindet sie ein Gemeinschaftsgefühl. So etwas gibt es sonst nur bei Olympia oder der Fussball-WM.
Die Strassen in Skandinavien und Osteuropa sind am Final-Abend leer gefegt. Bei uns nicht. Warum?
Diese Länder haben ein anderes nationales Selbstverständnis. Patriotismus war zum Beispiel in Deutschland lange Zeit ein Problem. Erst nach der Fussball-WM 2006 hat man sich wieder getraut, die Fahne zu schwingen, auch beim Sieg von Lena. Im Fahnenmeer des ESC bewegen sich Länder wie Griechenland oder Spanien viel unverkrampfter.
Was macht einen Sieger-Song aus?
Es ist wichtig, dass man eine Geschichte erzählt. Die Leute wollen nicht nur gute Musik hören, es muss auch stimmig sein. Der letzte Gewinner Salvador Sobral war ein Jazz-Nerd und völlig in seine Musik versunken, so, als ob er um sich herum nichts mitbekomme. Das wirkte sehr authentisch.
Wo sind die Emotionen im Song der Favoritin Netta Barzilai?
«Toy» hat mit der #MeToo-Debatte zu tun. Junge Frauen sollen sich nicht schlecht behandeln lassen. Das Gegacker soll die Männer als Gockel repräsentieren. Dass Netta äusserlich nicht dem Pop-Ideal entspricht, könnte bei jungen Frauen gut ankommen.
Wer ist Ihr Favorit?
Ungarn mit einer Metal-Nummer. Der Sänger verarbeitet darin den Tod seines Vaters. Ich bekomme davon jedes Mal Gänsehaut.
Irving Wolther wurde 1969 geboren und ist studierter Sprach- und Kulturwissenschaftler sowie Diplom-Übersetzer für Französisch, Italienisch und Englisch.
Seit seiner Kindheit ist er glühender Fan des Eurovision Song Contest. 2006 promovierte er an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover (D) – natürlich über den ESC.
Wolther ist heute erfolgreich als freier Autor und Experte unterwegs.
Irving Wolther wurde 1969 geboren und ist studierter Sprach- und Kulturwissenschaftler sowie Diplom-Übersetzer für Französisch, Italienisch und Englisch.
Seit seiner Kindheit ist er glühender Fan des Eurovision Song Contest. 2006 promovierte er an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover (D) – natürlich über den ESC.
Wolther ist heute erfolgreich als freier Autor und Experte unterwegs.
Sven Epiney (46) moderiert heute Abend für SRF 1 live vor Ort (ab 21 Uhr). «Ich habe den ESC schon als Kind mit der Familie geschaut und dabei mitgetippt. Meine Faszination ist heute so gross wie damals.»
Weil es keinen klaren Favoriten gebe wie in den letzten Jahren, könne er punkto Sieger nur spekulieren.
«Mir gefallen viele Songs. Das Schwierige ist: Wenn man involviert ist, hört man sie etliche Male, kennt die Künstler und hat nicht dasselbe Bild wie die Zuschauer zu Hause. Sie hören die Lieder in der Sendung oft zum ersten Mal und bilden sich so ihre Meinung. Aber wenn ich mich für einen Beitrag entscheiden muss, sage ich: Zypern! Eleni Foureira verknüpft südländisches Temperament mit einer tollen Bühnenshow und bringt mit ihrer eingän-gigen Melodie ein gutes Gesamtpaket mit.»
Sven Epiney (46) moderiert heute Abend für SRF 1 live vor Ort (ab 21 Uhr). «Ich habe den ESC schon als Kind mit der Familie geschaut und dabei mitgetippt. Meine Faszination ist heute so gross wie damals.»
Weil es keinen klaren Favoriten gebe wie in den letzten Jahren, könne er punkto Sieger nur spekulieren.
«Mir gefallen viele Songs. Das Schwierige ist: Wenn man involviert ist, hört man sie etliche Male, kennt die Künstler und hat nicht dasselbe Bild wie die Zuschauer zu Hause. Sie hören die Lieder in der Sendung oft zum ersten Mal und bilden sich so ihre Meinung. Aber wenn ich mich für einen Beitrag entscheiden muss, sage ich: Zypern! Eleni Foureira verknüpft südländisches Temperament mit einer tollen Bühnenshow und bringt mit ihrer eingän-gigen Melodie ein gutes Gesamtpaket mit.»