So werden in der Schweiz Merino-Schafe gezüchtet
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Absolute Seltenheit:So werden in der Schweiz Merino-Schafe gezüchtet

Eine kleine Herde Schweizer Merinoschafe trotzt dem globalen Markt
Daisy gehts an die Wolle

Das feine Vlies der Merinoschafe ist begehrt, fast alles davon kommt aus Australien. Nur fast alles: Eine kleine Herde mit Merinoschafen weidet auch im Jura – dahinter steckt Unternehmerin Cécile Aschwanden.
Publiziert: 23.11.2021 um 00:23 Uhr
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Aktualisiert: 26.11.2021 um 19:54 Uhr
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Merinoschafe sind eine absolute Seltenheit in der Schweiz, es gibt nur eine Herde mit 130 Tieren in der Schweiz.
Foto: STEFAN BOHRER
Katja Richard

Daisy hat doppelt so viel Haare wie die meisten Schafe in der Schweiz.

Ihr Vlies ist dicht und besonders fein: Superfein nennt sich das in der Wollindustrie. Daisy ist ein Merinoschaf, aus Wolle wie ihrer entstehen hochwertige Funktionswäsche, Pullis, Schals und sogar Sneakers. Merino ist temperaturausgleichend, wärmt bei Kälte, bringt einen aber nicht ins Schwitzen und ist geruchsneutral. Sogar Stoffwindeln werden daraus gemacht. «Superfeine Merino kratzt nicht mal am Baby-Fudi», sagt Cécile Aschwanden.

Daisy ist eine absolute Seltenheit in der Schweiz, nur 130 Tiere ihrer Art gibt es hierzulande. Im globalen Vergleich kaum von Bedeutung, in Australien weiden 160 Millionen Merinoschafe. Das macht Aschwanden nicht weniger stolz auf die Herde, die sie 2017 mit dem Huttwiler Landwirt Alexander Grädel (34) gestartet hat, ganz im Gegenteil: «Es hiess immer, eine solche Zucht sei in Europa nicht möglich, weil es hier zu viel regnet und so das feine Haar verfilzen könnte.» Für die Tierfreundin und Risikomanagerin, die sonst grosse Unternehmen berät, eine willkommene Herausforderung. Ihre Saxon-Merinos stammen aus England, wo sie für europäische Wetter- und Klimaverhältnisse gezüchtet wurden, ergänzt mit der Genetik aus allerbesten australischen Zuchtfarmen. «Das Wetter ist nicht das Problem, die Tiere haben so viel Lanolin in der Wolle, das Fett schützt sie vor Nässe.»

Aufgepasst bei Kaschmir und Angora

Ein Grossteil der Tiere, die ihr feines und wärmendes Haar oder Federn für unsere Bekleidung lassen, wird in Ländern wie Peru, China oder Südafrika im grossen Stil gezüchtet. Kaschmir- und Angoraziegen sowie Alpakas werden meist extensiv gehalten, sie werden draussen auf der Weide oder in der Steppe sich selbst überlassen. Die Folgen sind oft unzureichende Verpflegung, kein Schutz vor Wind und Wetter, ausbleibende oder zu späte ärztliche Versorgung sowie eine fehlende Mensch-Tier-Beziehung. Letzteres löst vor allem Stress und Panik aus, wenn es zur Schur kommt. Tierschutz und Richtlinien fürs Tierwohl gibt es dort kaum. Zu Wolle und Daune gibt es zuverlässige Standards wie den RWS oder den RDS, beim Kaschmir den Good Cashmere Standard, bei Alpaka und Mohair fehlt das. Von Angorawolle raten Tierschutzorganisationen dringend ab.

Kaschmir: Die Premiumwolle stammt zu 60 Prozent aus China mit etwa 120 Millionen Kaschmirziegen. Das besonders feine Unterhaar wird ihnen mit Metallkämmen im Akkord schmerzhaft herausgerissen.

Alpaka: 3,5 Millionen der weltweit rund 4,4 Millionen Tiere leben in Peru. Aus dem Andenstaat stammen 90 Prozent der Alpakawolle. Sie werden extensiv gehalten, sind Kälte und Wind ausgesetzt, zur Schur werden die scheuen Fluchttiere festgebunden und erleiden Todesängste.

Mohair: Das lange, weiss gelockte Fell der Angoraziegen gehört zu den leichtesten Textilfasern, die es gibt. Die Hälfte des weltweit vertriebenen Mohairs stammt aus Südafrika. Der Rest kommt aus den USA, Australien und der Türkei. Millionen Angoraziegen müssen für ihr begehrtes Haar leiden.

Angora: In China werden 50 Millionen Angorakaninchen in engen Einzelkäfigen gehalten. Die Kaninchen werden alle drei Monate auf einem Streckbett angebunden und grausam blutig gerupft oder geschoren. Nach zwei bis fünf Jahren wartet die Schlachtbank.

Daunen: Die Federn stammen von Gänsen und Enten aus der Intensivtierhaltung. Im schlimmsten Fall leiden die Tiere unter grausamem Lebend-Rupf oder Stopfmastproduktion. Folgende Siegel schliessen Letzteres aus: Responsible Down Standard (RDS) oder der Downpass 2017.

Wollalternativen: Recyceltes Acryl oder Polyester aus recycelten Plastikflaschen, Biobaumwolle Tencel Lyocell – aus Holzzellstoff. Dieser wird in einem umweltfreundlichen Verfahren hergestellt und ist biologisch abbaubar und wiederverwertbar.

Daunenalternativen: PrimaLoft oder recyceltes Polyester. Empfehlenswert sind pflanzliche Alternativen wie Tencel oder Kapok. Kapok ist eine Hohlfaser aus den Schalen des tropischen Kapokbaums, die zu 80 Prozent aus Luft besteht und von Natur aus mit einer wasserabweisenden Wachsschicht überzogen ist.

Ein Grossteil der Tiere, die ihr feines und wärmendes Haar oder Federn für unsere Bekleidung lassen, wird in Ländern wie Peru, China oder Südafrika im grossen Stil gezüchtet. Kaschmir- und Angoraziegen sowie Alpakas werden meist extensiv gehalten, sie werden draussen auf der Weide oder in der Steppe sich selbst überlassen. Die Folgen sind oft unzureichende Verpflegung, kein Schutz vor Wind und Wetter, ausbleibende oder zu späte ärztliche Versorgung sowie eine fehlende Mensch-Tier-Beziehung. Letzteres löst vor allem Stress und Panik aus, wenn es zur Schur kommt. Tierschutz und Richtlinien fürs Tierwohl gibt es dort kaum. Zu Wolle und Daune gibt es zuverlässige Standards wie den RWS oder den RDS, beim Kaschmir den Good Cashmere Standard, bei Alpaka und Mohair fehlt das. Von Angorawolle raten Tierschutzorganisationen dringend ab.

Kaschmir: Die Premiumwolle stammt zu 60 Prozent aus China mit etwa 120 Millionen Kaschmirziegen. Das besonders feine Unterhaar wird ihnen mit Metallkämmen im Akkord schmerzhaft herausgerissen.

Alpaka: 3,5 Millionen der weltweit rund 4,4 Millionen Tiere leben in Peru. Aus dem Andenstaat stammen 90 Prozent der Alpakawolle. Sie werden extensiv gehalten, sind Kälte und Wind ausgesetzt, zur Schur werden die scheuen Fluchttiere festgebunden und erleiden Todesängste.

Mohair: Das lange, weiss gelockte Fell der Angoraziegen gehört zu den leichtesten Textilfasern, die es gibt. Die Hälfte des weltweit vertriebenen Mohairs stammt aus Südafrika. Der Rest kommt aus den USA, Australien und der Türkei. Millionen Angoraziegen müssen für ihr begehrtes Haar leiden.

Angora: In China werden 50 Millionen Angorakaninchen in engen Einzelkäfigen gehalten. Die Kaninchen werden alle drei Monate auf einem Streckbett angebunden und grausam blutig gerupft oder geschoren. Nach zwei bis fünf Jahren wartet die Schlachtbank.

Daunen: Die Federn stammen von Gänsen und Enten aus der Intensivtierhaltung. Im schlimmsten Fall leiden die Tiere unter grausamem Lebend-Rupf oder Stopfmastproduktion. Folgende Siegel schliessen Letzteres aus: Responsible Down Standard (RDS) oder der Downpass 2017.

Wollalternativen: Recyceltes Acryl oder Polyester aus recycelten Plastikflaschen, Biobaumwolle Tencel Lyocell – aus Holzzellstoff. Dieser wird in einem umweltfreundlichen Verfahren hergestellt und ist biologisch abbaubar und wiederverwertbar.

Daunenalternativen: PrimaLoft oder recyceltes Polyester. Empfehlenswert sind pflanzliche Alternativen wie Tencel oder Kapok. Kapok ist eine Hohlfaser aus den Schalen des tropischen Kapokbaums, die zu 80 Prozent aus Luft besteht und von Natur aus mit einer wasserabweisenden Wachsschicht überzogen ist.

Jetzt gehts den Schafen an die Wolle

Etwa alle zehn Monate werden die Tiere geschoren. Keine vergnügliche Prozedur für die Schafe, aber dank Rolf Grossenbacher (48) geht das zackig und garantiert schmerzfrei. Er ist einer der wenigen Profis in der Schweiz und hat 20 Jahre Erfahrung im Scheren: Mit 44 sicher geführten Zügen ist Daisy innert fünf Minuten glatt geschoren. Grossenbacher wischt sich den Schweiss von der Stirn: «Das ist Akkordarbeit und bei den Merinos nicht immer ganz einfach wegen der feinen Wolle und den Hautfalten.»

Aber frieren die Schafe nicht, wenn sie um diese Jahreszeit geschoren werden? Aschwanden schüttelt den Kopf: «Sie kommen jetzt eh in den Stall. Und das Lanolin bleibt auf der Haut und schützt.» Ausschlaggebend sei die Länge der Haare mit acht bis zehn Zentimetern. Und die 40 Lämmer von diesem Frühling werden noch nicht geschoren. Verschont werden die jungen Schafe auch vom sogenannten Mulesing (siehe Box), eine schmerzhafte Prozedur, die in Australien praktiziert wird, um sie vor Fliegenbefall zu bewahren. Aschwanden: «Das ist bei uns schon vom Gesetz her nicht erlaubt, und das würden wir unseren Tieren auch niemals antun. Zum Schutz vor Fliegeneiern rasieren wir ihnen die Köpfe, und sie werden regelmässig vom Tierarzt gecheckt.»

Eine Herausforderung für 500 Kilo Wolle

Der grösste Teil der Herde ist mit 100 Tieren auf dem biodynamischen Demeter-Bauernhof von Silas Siegrist (29) auf dem Mont Soleil im Jura gut aufgehoben. Weil die Tiere ausschliesslich für Wolle gezüchtet werden, können sie über zehn Jahre alt werden, und es gibt auch viele Böcke. Von Daisy gibt es pro Schur vier bis sechs Kilo Wolle, von den kleineren Auen – so heissen die weiblichen Schafe – zwei bis vier Kilo.

Leiden für Kuschelwolle

Die hochqualitative Merinowolle ist beliebt – weniger bekannt ist jedoch, mit wie viel Tierleid die Herstellung verbunden ist. Etwa 90 Prozent der feinen Merinowolle stammen aus Australien. Dort werden jährlich über zehn Millionen Lämmer dem sogenannten Mulesing unterzogen.

Damit sie möglichst viel Wolle liefern, wurden Merinoschafe auf viele Hautfalten gezüchtet und sind deshalb anfällig für den Befall von Fliegenmaden, vor allem in der Region um den Po, wo sich Fäkalien und Urin in den Hautfalten sammeln. Dieser Parasitenbefall kann, wenn er unbehandelt bleibt, zum Tod der Schafe führen. Um das zu verhindern, werden den Lämmern beim Mulesing grosse Hautstreifen um den Schwanz und After weggeschnitten sowie der Schwanz kupiert. Ziel ist ein glattes und faltenfreies Narbengewebe, auf dem keine Wolle mehr wächst.

Brutale Verstümmelung

Die Methode sei vor 100 Jahren mit guter Intention entwickelt worden. «Aber heute ist das eine brutale Verstümmelung und eine überholte Praxis», sagt Rebecca Picallo Gil (32), Expertin für Wolle bei der Tierschutzorganisation Vier Pfoten. «Diese Prozedur ist traumatisierend für die jungen Lämmer und wird in der Regel ohne Betäubung durchgeführt. Es dauert Wochen, bis die Wunde heilt, und die Fliegen können ihre Larven immer noch in andere Hautfalten am Schafskörper legen.»

Schmerzfreie Alternative

Die schmerzfreie Alternative ist die Zuchtumstellung auf faltenfreie Schafe, die resistenter gegenüber Fliegenmadenbefall sind. In Australien sind laut Schätzungen von 30'000 Produzenten bereits 3000 zertifiziert mulesing-frei. Die Nachfrage danach ist grösser als das Angebot. Outdoor-Marken wie Patagonia und Ortovox gelten als Vorreiter und sind gänzlich frei von Mulesing-Wolle. Inzwischen sprechen sich über 220 Bekleidungsmarken gegen die Verstümmelung aus und wollen schrittweise auf zertifizierte mulesingfreie Wolle umsteigen, dazu gehören H&M, Mammut und C&A.

Diese Zertifikate garantieren mulesingfreie Wolle: Responsible Wool Standard (RWS), Nativa™, ZQ Merino oder der Organic Content Standard (OCS).

Die hochqualitative Merinowolle ist beliebt – weniger bekannt ist jedoch, mit wie viel Tierleid die Herstellung verbunden ist. Etwa 90 Prozent der feinen Merinowolle stammen aus Australien. Dort werden jährlich über zehn Millionen Lämmer dem sogenannten Mulesing unterzogen.

Damit sie möglichst viel Wolle liefern, wurden Merinoschafe auf viele Hautfalten gezüchtet und sind deshalb anfällig für den Befall von Fliegenmaden, vor allem in der Region um den Po, wo sich Fäkalien und Urin in den Hautfalten sammeln. Dieser Parasitenbefall kann, wenn er unbehandelt bleibt, zum Tod der Schafe führen. Um das zu verhindern, werden den Lämmern beim Mulesing grosse Hautstreifen um den Schwanz und After weggeschnitten sowie der Schwanz kupiert. Ziel ist ein glattes und faltenfreies Narbengewebe, auf dem keine Wolle mehr wächst.

Brutale Verstümmelung

Die Methode sei vor 100 Jahren mit guter Intention entwickelt worden. «Aber heute ist das eine brutale Verstümmelung und eine überholte Praxis», sagt Rebecca Picallo Gil (32), Expertin für Wolle bei der Tierschutzorganisation Vier Pfoten. «Diese Prozedur ist traumatisierend für die jungen Lämmer und wird in der Regel ohne Betäubung durchgeführt. Es dauert Wochen, bis die Wunde heilt, und die Fliegen können ihre Larven immer noch in andere Hautfalten am Schafskörper legen.»

Schmerzfreie Alternative

Die schmerzfreie Alternative ist die Zuchtumstellung auf faltenfreie Schafe, die resistenter gegenüber Fliegenmadenbefall sind. In Australien sind laut Schätzungen von 30'000 Produzenten bereits 3000 zertifiziert mulesing-frei. Die Nachfrage danach ist grösser als das Angebot. Outdoor-Marken wie Patagonia und Ortovox gelten als Vorreiter und sind gänzlich frei von Mulesing-Wolle. Inzwischen sprechen sich über 220 Bekleidungsmarken gegen die Verstümmelung aus und wollen schrittweise auf zertifizierte mulesingfreie Wolle umsteigen, dazu gehören H&M, Mammut und C&A.

Diese Zertifikate garantieren mulesingfreie Wolle: Responsible Wool Standard (RWS), Nativa™, ZQ Merino oder der Organic Content Standard (OCS).

Aus dieser und der Schur vom letzten Jahr ergibt das total 500 Kilo Wolle. «Die grösste Herausforderung ist die kleine Menge, die wir verarbeiten», so Aschwanden. Gewaschen wird die Wolle in Norditalien bei der Pettinatura di Verrone der renommierten Firma Schneider Group. «Normalerweise nehmen die erst Mengen ab zwölf Tonnen an, wir sind eine Ausnahme, damit unterstützen sie auch unser Projekt.» In der Schweiz gibt es keine Firma mehr, die Schafwolle wäscht, sie enthält Lanolin, was problematisch für den Gewässerschutz ist. Dann geht es weiter in die letzte Kammgarnspinnerei hierzulande, Flasa im Kanton Jura, wo aus Daisys Haaren feinste Merinowolle gesponnen wird.

Erstklassige Merinowolle made in Switzerland

Aus der ersten Schur von rund 120 kg Rohwolle sind etwa 400 Mützen und 50 Schals ab 129 Franken entstanden, die bei Spycherhandwerk in Huttwil BE, bei Rotauf und über den Onlineshop Finefibers.ch erhältlich sind – ein Nischenprodukt. «Geld verdienen wir damit nicht, es ist eine Investition.» Wichtig ist ihr und ihrem Geschäftspartner Grädel von Swiss Merino: «Wir haben bewiesen, dass sich in der Schweiz mit Merinoschafen erstklassige Wolle ziehen lässt.» Und das erst noch klimafreundlich mit kurzen Transportwegen und ohne Tierleid.

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