Die 20 besten Bücher aus 2020
Die guten Seiten des Corona-Jahres

Frauenpower in diesem Bücherjahr! Nicht weniger als 16 der 20 Romane, Bühnenstoffe und Sachbücher, die uns 2020 am meisten überzeugten, sind von Autorinnen.
Publiziert: 20.12.2020 um 12:21 Uhr
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Aktualisiert: 30.04.2021 um 15:54 Uhr
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Anna Stern, «das alles hier, jetzt.», Elster & Salis.
Foto: zVg
Daniel Arnet

UNTERSCHÄTZT Rote Zoras sind sie beide – die Schweizer Autorin Zora del Buono (57) wegen der Haarfarbe, ihre gleichnamige Grossmutter (1896–1980) wegen der Einstellung: Als Kommunistin in die Aristokratenfamilie del Buono eingeheiratet, kämpfte sie in Italien gegen Mussolini, in ihrem Herkunftsland Slowenien für Tito. Die grosse Familiensaga bringt ihrer Enkelin leider keinen Preis ein.
Zora del Buono, «Die Marschallin», C. H. Beck

FRIEDLICH Mit ihrem Buch «Das Unbehagen der Geschlechter» (1990) schrieb die amerikanische Philosophin Judith Butler (67) gegen die Geschlechterunterscheidung an und forderte eine Gleichbehandlung ein. Gleichheit ist auch das Losungswort in dieser visionären Abhandlung, denn nur so könne man eine gewaltlose Gesellschaft erreichen.
Judith Butler, «Die Macht Gewaltlosigkeit – über das Ethische im Politischen», Suhrkamp

UNGLEICH Arbeitswelt, Architektur oder Alltag – überall ist der Mann das Mass der Dinge. Bei Raumtemperatur, Kücheneinrichtung oder öffentliche WCs, um nur ein paar Beispiele zu nennen, «übersieht» die Gesellschaft die Bedürfnisse der Frauen. Dieses Buch macht sie endlich sichtbar.
Caroline Criado-Perez, «Unsichtbare Frauen – wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert», btb

MUTIG Während die Nazis Bücher verbrannten, bildete Emil Oprecht (1895–1952) im Schaufenster seiner Zürcher Buchhandlung einen Scheiterhaufen aus ebendieser verfemten Literatur und bot die Werke feil. Mit seinem Europa-Verlag förderte er zudem antifaschistische Autoren. Diese Biografie würdigt das Leben des Bibliophilen erstmals umfassend.
Christoph Emanuel Dejung, «Emil Oprecht – Verleger der Exilautoren», Rüffer & Rub

HEUCHLERISCH Die 13-jährige Giovanna Trada wächst als behütetes Einzelkind in einer neapolitanischen Lehrerfamilie auf. Doch die Pubertät erschüttert den Hormonhaushalt und die Harmonie mit den Eltern, zumal Giovanna deren Lügen durchschaut. Der lang ersehnte erste Roman von Elena Ferrante (77) nach ihrer hochgelobten vierbändigen Neapolitanischen Saga.
Elena Ferrante, «Das lügenhafte Leben der Erwachsenen», Suhrkamp

DIALEKTISCH Die Berner Spoken-Word-Künstlerin Stefanie Grob (45) schreibt auf Mundart, ist aber nie auf den Mund gefallen. Der Titel dieses Buches verweist auf etwas, das dieses Jahr wegen Corona ausblieb: das vorweihnachtliche Firmenessen. In «Budäässä» erzählt Grob die philosophisch tiefsinnige Begebenheit eines solchen Anlasses, der vollständig aus dem Ruder läuft.
Stefanie Grob, «Budäässä», Der gesunde Menschenversand

AUSGESPROCHEN Muttersprache klingt so vertraulich. Doch was, wenn die keinen Wert hat? Und was, wenn man in einer anderen Sprache kein Zuhause findet? Die in Deutschland geborene und perfekt deutsch sprechende Journalistin türkischer Abstammung, Kübra Gümüşay (32), erörtert die Abgründe, die sich auftun, wenn man einer Person in einer Sprache die Existenz abspricht.
Kübra Gümüşay, «Sprache und Sein», Hanser Berlin

KRIEGERISCH November 1944: Nazideutschland setzt in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs die V2 gegen Grossbritannien ein, die erste funktionsfähige Grossrakete der Menschheit. Doch die Briten holen zum Gegenschlag aus und schicken eine Offizierin auf Geheimmission ins befreite Belgien. Eine faktenreiche Fiktion des englischen Meisterautors Robert Harris (57, «Vaterland»).
Robert Harris: «Vergeltung», Heyne

FAMILIÄR Erster Weltkrieg: Auch in Vorarlberg müssen die Männer an die Front. Der eifersüchtige Joseph muss seine wunderschöne Maria im Dorf zurücklassen. Und dann wird sie auch noch schwanger – wer ist der Vater? Die österreichische Autorin Monika Helfer (73) erzählt in diesem Roman die fiktionalisierte Geschichte ihrer Grossmutter, eine Weihnachtsgeschichte der anderen Art.
Monika Helfer, «Die Bagage», Hanser

WEIBLICH 40 Jahre ist es her, dass ein Irrer den Ex-Beatle John Lennon (1940–1980) erschoss. Zum traurigen Jahrestag veröffentlicht die britische Musikjournalistin Lesley-Ann Jones (62) eine Biografie, die aufzeigt, wie Frauen Lennons Leben bestimmten – keine Groupie-Geschichten, sondern Fakten zum frühen Tod der Mutter, zur gescheiterten Ehe, zum Verlust der Stieftochter.
Lesley-Ann Jones, «John Lennon – Genie und Rebell», Piper

AUFDECKEND 2017 bringen die «New York Times»-Journalistinnen Jodi Kantor und Megan Twohey den US-Filmmogul Harvey Weinstein (68) zu Fall. Weinsteingate? Hollywoodgate? Weit mehr, denn ihr Artikel tritt eine weltweite Bewegung los, in der sich betroffene Frauen gegen sexuelle Übergriffe von Männern wehren: #MeToo. Dieses Buch demonstriert die ungebrochene Kraft des investigativen Journalismus.
Jodi Kantor/Megan Twohey, «#Me Too», Tropen

LEHRREICH Rassist? Ich doch nicht! Doch wir seien alle Rassisten, sagt der US-amerikanische Historiker Ibram X. Kendi (38, «Gebrandmarkt»). Und er nahm sich bis vor kurzem nicht aus, ist jetzt aber geläutert. Denn letztes Jahr veröffentlichte Kendi diese Anleitung, wie man Antirassist wird. Sein Fazit: Gegenüber Rassismus gibt es keine Neutralität.
Ibram X. Kendi, «How To Be An Antiracist», btb

HISTORISCH Staubig und trocken wirken Historien häufig. Nicht so, wenn sie die englische Bestsellerautorin Hilary Mantel (68) erzählt, dann wird Geschichte zu DER Geschichte. Mit diesem Wälzer vollendet Mantel die Trilogie über den britischen Staatsmann Thomas Cromwell (1485–1540), der Königinnen aufs Schafott brachte und schliesslich selber den Kopf verlor.
Hilary Mantel, «Spiegel und Licht», Dumont

PRAKTISCH Im Zeichen von Corona ist die räumliche Bewegung von da nach dort hindernisreich. Als Alternative bietet sich die zeitliche Versetzung vom Jetzt ins Einst an: Zeitreisen sind der Hit in diesem Jahr! Der passende Reiseführer kommt von der deutschen Autorin Kathrin Passig (50) und dem Astronomen Aleks Scholz (45).
Kathrin Passig/Aleks Scholz, «Handbuch für Zeitreisende, von den Dinosauriern bis zum Fall der Mauer», Rowohlt Berlin

ERZIEHERISCH Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, heisst es gemeinhin. Deshalb rät die britische Psychotherapeutin Philippa Perry (62) zur Stammbaumbetrachtung – bis hin zu den Wurzeln. Denn wenn dort etwas faul ist, dann wird der Apfel einen Wurm haben.
Philippa Perry, «Das Buch, von dem du dir wünschst, deine Eltern hätten es gelesen (und deine Kinder werden froh sein, wenn du es gelesen hast)», Ullstein

ERSCHRECKEND Es geht ein Virus um, und das kommt nicht nur aus China, es heisst auch China. Das Land infiziert die Lebensadern anderer Länder und strebt nach der Weltherrschaft. Die Lebensgeschichte der aus China geflüchteten Sayragul Sauytbay (44) lässt keinen Zweifel daran.
Sayragul Sauytbay/Alexandra Cavelius, «Die Kronzeugin – eine Staatsbeamtin über ihre Flucht aus der Hölle der Lager und Chinas Griff nach der Weltmacht», Europa

GÖTTLICH Richard Gärtner, 78 Jahre alt, ist physisch und psychisch gesund – und will dennoch sterben. Nach dem Tod seiner Frau sieht er keinen Sinn mehr im Leben. Nun diskutiert ein Ethikrat das Anliegen aus medizinischer, juristischer und religiöser Sicht. Am Schluss stimmen die Zuschauer ab – der deutsche Jurist Ferdinand von Schirach (56) sorgt mit seinem Stück für Diskussionsstoff.
Ferdinand von Schirach, «Gott», Luchterhand

HUMORVOLL Sie sind ein Paar – sie dick, er kleinwüchsig – und alle starren sie an. Doch während sie sich verstecken möchte, will er sich um jeden Preis präsentieren. Der türkischen Erfolgsautorin Elif Shafak (49) gelingt mit diesem Frühwerk, das nun endlich auf Deutsch erscheint, ein witziges Kabinettstück zum Thema «Sehen und gesehen werden» – lange bevor es Instagram gab.
Elif Shafak, «Schau mich an», Kein & Aber

SIEGREICH (Ihr) Stern ist dieses Jahr am Schweizer Literaturhimmel aufgegangen, gewinnt die 30-jährige Ostschweizerin doch den renommierten Schweizer Buchpreis und lässt namhafte Konkurrenz hinter sich. Doch ihr kunstvoller Roman über Sterben und Abschiednehmen ist bereits ihr vierter – Anna Stern ist also alles andere als eine Überraschungssiegerin.
Anna Stern, «das alles hier, jetzt.», Elster & Salis

UNWÜRDIG Piff, Paff, Puff – das klingt nach einem harmlosen Kinderspiel. Doch in diesem schonungslosen Report der SonntagsBlick-Magazin-Reporterin Aline Wüst (34) geht es um das entwürdigte Leben der Sexarbeiterinnen in der Schweiz. Wüst hat mit Dutzenden von ihnen gesprochen, auch mit Freiern, und lässt sie im Buch zu Wort kommen. Ein starkes Plädoyer gegen die Prostitution.
Aline Wüst, «Piff, Paff, Puff. Prostitution in der Schweiz», Echtzeit

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