Dieser junge Mann kämpft für Wildbienen
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Der Bienenflüsterer
Dieser junge Mann kämpft für Wildbienen

Der Zürcher Yannick Schauwecker (33) setzt sich für Wildbienen ein. Bei einem Besuch in seinem Garten erklärt er, warum Bienen die besten Haustiere sind, und zeigt, dass auch einige von ihnen Masken tragen.
Publiziert: 06.06.2020 um 15:31 Uhr
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Aktualisiert: 07.06.2020 um 11:58 Uhr
Alexandra Fitz

Vorbei an zwei Eseln, die zuoberst in einer Wiese stehen. Vorbei an Lämmern, die im Schatten eines Baumes liegen. Hier, am äusseren Rand der Stadt Zürich, am linken Zürichseeufer, wo bald ein Gewitter erwartet wird und es bereits verdächtig windet, liegt der Schrebergarten von Yannick Schauwecker.

Etwas wild und etwas wuchernd, aber wunderschön. Ohne Bohnenranken und Gemüsebeete, dafür mit rund 250 verschiedenen Pflanzen. Schauwecker kennt sie alle. Jetzt, Anfang Juni, blühen die meisten von ihnen um die Wette. Während sich die grossen, fleischigen Köpfe der Pfingstrosen und die zarten Blüten des Blauregens schon verabschiedet haben, ist nun die Zeit des Steppensalbeis, der Färberkamille und des Fingerhuts. Das sei das Schöne an so einem Naturgarten. Immer blühe etwas. Von März bis Oktober. Jedes Jahr setzt der 33-Jährige 10 bis 20 neue Arten. Schauwecker kniet nieder und sagt: «Ich habe drei Jahre gewartet, bis diese Pflanze endlich blüht.»

Die Pflanzen sind Schauweckers Leidenschaft. Er hegt und pflegt sie für jemand ganz Bestimmten. Für die Wildbiene. Schauwecker wird auch als Bienenflüsterer bezeichnet. Denn nicht nur privat, sondern auch beruflich engagiert er sich für den Schutz der Insekten. Schauwecker kümmert sich bei der Firma Wildbiene + Partner, ursprünglich ein Spin-off der ETH und von zwei Biologen gegründet, um das Wohl der Bienen.

Und tatsächlich. Wenn man auf der Steintreppe des Gartens steht, den seine Eltern schon seit über 30 Jahren bewirtschaften, schwirren überall Bienen herum und machen an den unterschiedlichsten Blüten halt. Sie schweben vor den bunten Blumen, kriechen hinein oder verharren schlaftrunken in deren Inneren.

Wildbienen produzieren keinen Honig

«Das hier ist eine Blattschneiderbiene. Sie bedient sich an Blättern und baut mit kleinen Stücken ihr Nest», sagt Schauwecker. Es sei ein Männlein. Woran erkennt man das? «Ich erkenne es am Flug.» Der Experte zeigt immer wieder auf Bienen – gross und haarig, dünn und kahl –, bei denen der Laie von einer Fliege oder einer Ameise ausging. So wie bei einem kleinen schwarzen Insekt, das gerade auf einer Blüte landete. Doch auch das ist eine Biene. Eine Maskenbiene. Tatsächlich hat das Tier eine weisse Zeichnung im Gesicht – auch Bienen tragen also Masken.

Wildbienen werden alle Bienenarten genannt, ausser Honigbienen. Der Unterschied: Die einen produzieren Honig, die anderen nicht. Die einen leben in einem Volk, die anderen nicht. Warum ist Schauwecker also nicht Imker, erntet feinen Honig und hat etwas von seinen Insekten? «Mich interessiert die Vielfalt», sagt Schauwecker. Es gibt in der Schweiz über 600 Arten von Wildbienen. «Honigbienen sind wie Kühe.» Kultiviert, überzüchtet und ohne den Menschen nicht überlebensfähig.

Ausserdem sind es die Wildbienen, die gefährdet sind. Weil sie Einzelgänger sind, müssen sie alles alleine erledigen. Die Honigbiene teilt sich die Aufgaben mit ihrem Volk. Und das ist auch der Grund, warum sich Schauwecker für die Wildbienen einsetzt, ihnen mit seinem Garten ein grosses Buffet und mit seinen Nistplätzen Übernachtungsmöglichkeiten jeder Kategorie anbietet. Deshalb lautet Schauweckers Tipp für zu Hause auch: «Pflanzen Sie verschiedene, einheimische Pflanzen.»

Für Bienen und für Biodiversität

Für seinen Arbeitgeber Wildbiene + Partner gestaltet Schauwecker wildbienenfreundliche Gärten, Kunden sind etwa die Migros oder die Zürcher Kantonalbank, die neben einer hübschen Blumeninsel auch noch ein gutes Image erhalten. Die Firma vertreibt auch Nisthilfen, BeeHome genannt. Die Message: Mit einem Wildbienen-Häuschen kann jeder dafür sorgen, dass harmlose Wildbienen einen Nistplatz haben und die Bestäuber in der Schweiz auch in Zukunft nicht verschwinden.

Ein weiterer Geschäftsbereich ist der Bestäubungsservice. Dabei können Obstbauern Wildbienen als Bestäubungshelfer kaufen. Rund 500 Insekten werden im Frühling in einem Niststand geliefert. Wenn die Bienen schlüpfen, bestäuben sie fleissig. Für dieses Angebot werden die Wildbienen vermehrt und kommerziell verwendet. Dies sei immer noch die nachhaltigste Variante, um die immer geringer werdende natürliche Bestäubung wettzumachen. Weil es einheimische Mauerbienen anstatt Import-Hummeln seien. Schauwecker fasst das Problem noch einmal konkret zusammen: «Eine Biene fliegt pro Tag mehrere Tausend Blüten an. Wenn wir keine Bienen mehr haben, haben wir einen enormen wirtschaftlichen Verlust.»

Und damit die Bienen bleiben, braucht es eben die unterschiedlichsten Pflanzen. Auch weil 50 Prozent der Wildbienen Spezialisten sind und nur Pollen von bestimmten Pflanzen nutzen. So wird Schauweckers Einsatz für Schweizer Wildbienen auch immer mehr zum Einsatz für Biodiversität in unserem Land. «Wir müssen unsere Kulturlandschaft verändern», sagt Schauwecker. Grossflächige Monokulturen, Bodenversiegelung und Pestizide sind die grössten Feinde der Bienen. «Bauern wollen die Natur nicht kaputt machen, sie wollen produktive Flächen und viel Ertrag», das ist auch Schauwecker klar. Daher müsse man einen Zwischenweg finden. Denn: Längerfristig geht es nicht mehr auf.

Es gibt über 600 Wildbienenarten in der Schweiz

Schauwecker zeigt auf ein Loch in einem Holzstamm, welches die Holzbiene gemacht hat. Sie sitzt drin. Ein kleiner schwarzer Köper mit langen Fühlern. Als er den Stamm aufhebt und umdreht, sagt er: «Ah, die Biene hat das Loch ganz durchgegraben, das freut mich!»

Genauso fasziniert erzählt er von der Wollbiene, die von einer Pflanze das Wollartige unterhalb der Blätter abtransportiert und damit ihr Nest baut. Den Laien erinnert sie mit ihrer schwarz-gelben Zeichnung an eine Wespe. Oder wussten Sie, dass Hummeln Bienen sind? Schauwecker lächelt. Es ist nicht seine Art, sich über Unwissen lustig zu machen.

Eine Hornisse fliegt über Schauweckers Kopf. Wir fragen den Bienenflüsterer, was sie Gutes tut? «Sie frisst Wespen», weiss Schauwecker. Wer in Schauweckers Garten inmitten von Hunderten von Bienen steht, hat gar kein Bedürfnis herumzufuchteln. Einerseits weil jeder weiss, Fuchteln macht es schlimmer, andererseits weil die Bienen hier so viel Nahrung haben und gewiss keinen Grund zum Angreifen. «Wildbienen stechen nicht einfach so, und ihr Gift ist im Gegensatz zu dem der Honigbiene sowieso ganz schwach», sagt der Experte.

Bienen mögen keinen Regen

Als das Gewitter endlich den Zürichsee erreicht hat und der Regen auf Schauweckers Garten herunterprasselt, sagt er bloss: «Endlich.» Seine Pflanzen brauchen dringend Wasser. In so einem Naturgarten gibt es keine Bewässerungsanlage. Nicht mal einen Schlauch. Seine Pflanzen müssen kämpfen und leiden. Als sich die Wolken wieder verzogen haben und wir wieder die Steintreppe hinauf zur Strasse steigen, fragen wir noch: «Herr Schauwecker, wo sind jetzt eigentlich all die Bienen hin?» – «Die haben sich verkrochen. Bienen mögen es gerne warm und trocken.»


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