Er macht öffentlich, worunter viele Menschen mit einer Behinderung leiden: Dölf Keller (57) wünscht sich eine Beziehung und hatte noch nie Sex – «ich bin noch Jungfrau». Als Grund dafür sieht er seine körperliche Einschränkung: Der Aargauer hat eine Cerebralparese, eine Bewegungsstörung als Folge einer Hirnschädigung, die seit Geburt besteht. Mit seinem öffentlichen Aufruf bricht er ein Tabu: «Wir Behinderte sind normale Menschen mit normalen Bedürfnissen.»
Sexualität und Partnerschaft haben einen hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft – doch bei Menschen mit Behinderung ist Sex ein Tabu. «Darum trauen sich viele nicht, offen darüber zu sprechen. Es ist jedoch ein sehr wichtiges Thema, denn Sex und Behinderung schliessen sich nicht aus», sagt Simon Müller (37), stv. Geschäftsführer der Stiftung MyHandicap. «Vielleicht lebt gar nicht weit weg von Herrn Keller jemand mit ähnlichen Erfahrungen. Darum wollen wir Betroffene zusammenbringen.» Auf der Plattform EnableMe.ch gibt es einen regen Austausch mit über 6000 registrierten Nutzern, allein zum Thema Partnerschaft werden über 750 Fragestellungen diskutiert. «Jede Behinderung und jede chronische Krankheit ist einzigartig. Die Fragen und Themen sind für Betroffene und Angehörige aber universell – das zeigt sich besonders beim Thema Liebe und Sexualität», so Müller.
Persönlichkeit kommt vor dem Handicap
Wie gross die Herausforderung, das passende Gegenüber zu finden, für Menschen mit Behinderung sein kann, das weiss Andrea Klausberger (54) von der Partnervermittlung mit Herz in Flawil SG. Seit dreissig Jahren bringt sie Menschen zusammen, darunter auch solche mit körperlichen, geistigen und psychischen Einschränkungen. «Das Bedürfnis, Liebe zu geben und Liebe zu bekommen, ist für jeden gleich», sagt sie. «Wichtig sind Offenheit, Toleranz und die persönliche Beratung.» Sie gehe dabei nicht anders vor als bei Menschen ohne Behinderung. Sie wünscht sich, dass mehr Menschen mit und ohne Handicap zusammenkommen. «Das wäre echt Integration, kommt aber leider selten vor.»
Sexualität ist ein Grundrecht
Wie zentral das Thema auch bei einer geistigen Behinderung ist, zeigt sich bei der Fachstelle Lebensräume von Insieme Schweiz. «Zu Liebe und Sexualität erhalten wir die meisten Anfragen für eine Kurzberatung», so die Psychologin Eva Mühlethaler (47). «Sexualität ist ein Grundrecht, das jedem zusteht, unabhängig von einer Behinderung oder der Art der Beeinträchtigung.» Heikel sei bei einer geistigen Beeinträchtigung die Balance zwischen Selbstbestimmung und Schutz. «Es geht darum, Erfahrungen zu ermöglichen und gleichzeitig vor sexueller Grenzverletzung zu schützen.» Darum sei Aufklärung zentral für Menschen mit geistiger Behinderung. «Damit Betroffene befähigt werden, ihre Bedürfnisse wahrzunehmen, um sich bei Bedarf abgrenzen können.»
Dölf Keller (57) träumt von einer echten Beziehung. Möchten Sie Dölf kennenlernen? Dann melden Sie sich gleich hier im Formular – wir vermitteln Ihnen gerne den Kontakt: