Mit der Sammlung des Nazi-Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt besitzt das Kunstmuseum Bern die umstrittenste Kunstsammlung der Welt. Jetzt zeigt es den zweiten Teil der Bestandesaufnahme der 1557 Werke der Sammlung, die jahrzehntelang versteckt war und vor vier Jahren per Zufall an die Öffentlichkeit kam.
Im ersten Teil zeigte das Museum über den Winter die kleineren Werke auf Papier, nun sind 120 Bilder zu sehen. Imposante Ölgemälde der französischen Impressionisten Claude Monet, Edouard Manet und Auguste Renoir, ein charmantes Porträt des Realisten Gustave Courbet, ein Klassiker von Pieter Brueghel dem Jüngeren und Schlüsselwerke der deutschen Vorkriegs-Starkünstler Max Liebermann, Max Beckmann und Otto Dix. Ein paar davon sind Raubkunst und werden wohl bald den Nachfahren ihrer ursprünglichen Besitzer zurückgegeben. «Jedes Bild, das wir an die rechtmässigen Besitzer zurückgeben können, ist für uns ein Triumph», sagt Kunstmuseumsdirektorin Nina Zimmer (45).
Nur ein kleiner Teil ist Raubkunst
Cornelius Gurlitt (†81), der kauzige Sohn des schillernden Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt (1895–1956), hatte dessen Sammlung «gehütet», wie er es nannte. 2014 vermachte er sie kurz vor seinem Tod dem Berner Museum (siehe Box). Die Berner überlegten lange, ob sie das Erbe annehmen wollten. Was Gurlitt senior zusammengetragen hatte, galt als höchst toxisch – eine Milliarde wert, aber angeblich alles Raubkunst, die Gurlitt senior für sich und die Nazis bei jüdischen Sammlern zusammengeklaut habe.
Inzwischen hat sich herausgestellt: Nur ein kleiner Teil der Gurlitt-Sammlung ist Raubkunst. Ein halbes Dutzend Bilder sind zweifelsfrei ihren früheren Eigentümern abgepresst worden, vier davon sind inzwischen deren Erben zurückgegeben worden. Bei 61 weiteren Werken ist der Verdacht gross, dass sie ebenfalls illegal in Gurlitts Besitz kamen. Wenn sich diese Vermutung bestätigt, werden die Bilder ebenfalls zurückgegeben. Als Nächstes sei das wahrscheinlich beim kleinformatigen Ölbild «Porträt einer jungen Frau» von Thomas Couture der Fall, sagt Direktorin Zimmer.
Die Suche nach Vorbesitzern geht weiter
Bei rund 400 Werken ist die Herkunft hingegen so genau belegt, dass sie mit Sicherheit keine Raubkunst sind. Etwa das grossformatige «Waterloo Bridge» von Claude Monet, das nun definitiv in Bern bleiben wird. Beim grossen Rest von über 1000 Werken, darunter allerdings viele sogenannt kleinere Werke auf Papier wie Lithografien, Aquarelle und Pastelle, ist der Stammbaum noch in Abklärung.
Die Suche nach ihren früheren Besitzern geht zwar weiter, viel neue Erkenntnisse sind aber nicht mehr zu erwarten. «Wenn man nach drei Jahren intensiver Suche nichts findet, ist die Chance sehr klein, noch etwas herauszufinden», sagte Kunsthistoriker Matthias Frehner (63), der als ehemaliger Direktor des Kunstmuseums die Übernahme der Gurlitt-Sammlung in Bern eingefädelt hatte, schon beim ersten Teil der Bestandesaufnahme.