Chatten, mailen, whatsappen
Wie das Internet unsere Sprache verändert

Wir chatten anders, als wir whatsappen und Mails schreiben. Warum die kreative Sprachveränderung im Internet viel Gutes hat.
Publiziert: 23.11.2019 um 13:13 Uhr
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Aktualisiert: 31.12.2021 um 13:12 Uhr
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Autorin Gretchen McCulloch erklärt in ihrem Buch «Because Internet», wie das Web unsere Sprache verändert.
Foto: Zvg
Silvia Tschui

Haben Sie schon jemals eine Textnachricht – also ein SMS oder Whatsapp – bekommen und wussten nicht, ob Sie leicht – oder sogar mittelschwer – beleidigt sein sollten? Schlimmer noch: Haben Sie schon jemals eine nett gemeinte Textnachricht verschickt und die andere Person war leicht – oder vielleicht sogar schwer – beleidigt, und Sie hatten keine Ahnung weshalb?

Vielleicht haben Sie hinter eine Nachricht einen korrekten Punkt gesetzt – nur ist heutzutage ein Punkt hinter einer Nachricht ein Affront für den Empfänger, und Sie wussten es nicht. Vielleicht war die Grossbuchstabentaste eingeschaltet. Beim Empfänger kommt das an, als würde er angeschrien.

Auch die Internet-Sprache folgt Regeln

Es tun sich Generationengräben im schriftlichen Sprachgebrauch auf. Grund ist das Internet – wie auch die Plattformen und Geräte, auf denen wir das Internet nutzen. So benutzen wir eine andere Sprache, ob wir Briefe schreiben, E-Mails schicken, eine Whatsapp-Nachricht versenden, auf einer Social-Media-Plattform chatten oder einen Kommentar unter einen Instagram-Post verfassen. Und wer in einer anderen Generation sozialisiert wurde, versteht unter Umständen die subtilen Unterschiede nicht, welche auf den unterschiedlichen Kanälen benutzt werden.

Wissenschaftlich untersucht hat das die kanadische Autorin und Linguistin Gretchen McCulloch. Ihr Buch «Because Internet» («Weil Internet» – der grammatikalisch falsche Titel ist in sich selbst ein Beispiel für den veränderten Sprachgebrauch) ist Ende vergangenen Monats in England erschienen und stand davor auf der Bestsellerliste der «New York Times». In ihm geht sie der Frage nach, wie das Internet unsere Sprache verändert – und kommt zu erstaunlichen Schlüssen. Denn auch der absurdeste Internet-Slang folgt linguistischen Regeln – und er füllt eine Lücke, welche die Sprache bisher für viele nur unzulänglich gefüllt hat.

Satzzeichen, Emojis und Gifs füllen die Gefühlslücken der Schriftsprache

Das Internet, ist einer der vielen Schlüsse von McCulloch, macht unsere schriftliche Sprache emotionaler und vielschichtiger – auch, weil Internet-Plattformen informelles Geplauder erlauben, welches man in Briefen und E-Mails so nicht ausübt. Ein gutes Beispiel für das Füllen einer solchen Lücke ist Ironie und Sarkasmus. In Gesprächen häufig, gibt es in konventionellen Schriftmedien, also in Büchern, Zeitungen, Briefen und E-Mails, zwei Fehlerquellen zum Verständnis von Ironie – zum einen die Kunstfertigkeit des Schreibenden, zum anderen aber auch, ob der Leser die ironische Absicht überhaupt versteht. Im untersuchten englischen, aber natürlich auch im deutschen Sprachgebrauch haben sich nun diverse kreative Möglichkeiten etabliert, Gefühle, welche normalerweise in der Sprechweise mitschwingen und im Schriftlichen verloren gehen, zu zeigen.

«Ist ja ∼super∼», könnte man nun texten, chatten oder unter Instagram schreiben – und dem Empfänger ist sofort klar, dass mit ∼super∼ etwas nicht ganz stimmt, dass es also wohl ironisch gemeint sein muss. Man könnte auch schlicht ein animiertes Gif schicken, um seine Emotion auszudrücken – eine Whoopi Goldberg, welche die Augen verdreht, ein Affe, der die Nase rümpft etc. Oder man ergänzt seine Wörter mit Emojis oder verlängert sie künstlich – «Jaaaa!!!!» hat eben eine andere Aussage als «Ja.», was wiederum eine andere Aussage hat, als «Ja». All die kreativen Weisen, mit welchen die Internet-Sprache so bereichert werden, verhalten sich so ähnlich wie Körpersprache, also Gesten, oder Intonation.

Jeder wird zum Ironie- und Emotionsexperten

McCulloch folgert daraus, dass all das Getexte und Getweete mit dem kreativen Verwenden von Interpunktionszeichen es allen Menschen ermöglicht, sich schriftlich mit «sehr fein detaillierten Levels von sozialen Nuancen auszudrücken» – etwas, was zuvor professionellen Schreibern, talentierten Poeten und Schriftstellern vorbehalten war.

Das hat etwas Tröstliches: In Zeiten, in welchen Studien besagen, Internet und sogenannte «soziale» Plattformen führten eigentlich zur Vereinsamung des Einzelnen, sorgt immerhin die kreative Kraft der Sprache dafür, dass wir uns online emotional ein wenig näher fühlen.

Das Buch (in Englisch): Gretchen McCulloch, «Because Internet – Understanding the New Rules of Language», Penguin Group

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