Blick: Wenn es in der Schweiz jemanden gibt, der noch nie von Ihnen oder Karls Kühne Gassenschau gehört hat – wie erklären Sie dieser Person, was Sie tun?
Brigitt Maag: Ich hab immer gesagt Theater im Cinemascope, das finde ich einen guten Begriff.
Paul Weilenmann: Damit meinen wir: Das, was man sonst im Kino auf einer Leinwand sieht, machen wir live auf der Bühne. Echtes Feuer, echtes Wasser … Und was man im Theater nur antönen würde, machen wir in echt. Für mich ist es ein gesamtheitliches Theater, es hat alle Theaterelemente, Komik, Musik, Tanz, Bühnenbild – das ist bei uns immer sehr wichtig, es ist ein Mitspieler und bei uns immer so gebaut, dass man möglichst viel damit machen kann.
Wie sieht das dieses Jahr aus?
Maag: Wir haben einen See von fünf Metern Tiefe ausgebaggert.
Weilenmann: Darunter verstecken sich Schächte und einiges an Technik. Wir wollten mit Wasser arbeiten, weil es so viel ermöglicht. Es ist gut zum Beleuchten, man kann mit ihm wunderbar Stimmungen schaffen, es ist weich, man kann Dinge versenken und auftauchen lassen, und die Oberfläche funktioniert auch als Spiegel.
Sind die Schauspieler teilweise auch unter Wasser?
Weilenmann: Ja, und das hat sicherheitstechnisch sehr viel gebraucht.
Maag: Alle Schauspieler mussten ein Tauchbrevet machen.
Worum geht es im Stück?
Maag: Ich sag nur, was die Inspiration war: eine Dokumentation von Hochzeiten. Mir sind Bilder von weinenden Vätern so nahe gegangen. Sie weinen ja nicht nur vor Glück und Rührung, sondern auch, weil eine Hochzeit für sie auch eine Art Abschied von ihrer Tochter ist. Das war die ursprüngliche «Zündung».
Stichwort Abschied: Nach 23 Produktionen und Millionen von Zuschauern hören Sie auf. Warum eigentlich?
Maag: Ich habe für mich ganz tief in meinem Inneren das Gefühl, dass jetzt der richtige Moment ist.
Weilenmann: Weil ich im Sommer auch einmal etwas anderes machen will, Festivals besuchen und bei der Gassenschau als Gast zusehen.
Und was machen Sie nachher?
Maag: Ich entwickle ein Wohnprojekt – sechs Wohnungen und Gemeinschaftsräume zum gemeinsamen Arbeiten und Leben. Pferde haben auch Platz.
Weilenmann: Ich habe keine solchen konkreten Pläne. Ich freue mich einfach darauf, im Sommer einmal nicht so angebunden zu sein und reisen zu können.
Sie haben beide Kinder im Teenager-Alter. Wie haben Sie das gemacht, solch grosse Produktionen zu entwickeln und dabei kleine Kinder zu haben?
Maag: Mein Mann und ich haben uns abgewechselt. Und sie waren immer gerne auf dem Gelände und im Wohnwagen.
Weilenmann: Meine Frau spielt ja auch mit. Wir hatten darum Nannys. Aber es wurde eigentlich erst schwierig, als die Schule anfing. Dann hat sich alles ständig nur noch um die Schule gedreht, sogar in den Ferien.
Werden sie dereinst mitmachen?
Maag: Meine Tochter ist gerade im Alter, in dem ihr Interesse hauptsächlich Schlafen ist.
Weilenmann: Ich weiss es nicht – aber mich hat das Theater auch erst mit 20 gepackt, als ich jonglieren gelernt habe. Das war wie fliegen zu lernen. Sie haben also Zeit.
Maag: Mich hat Jonglieren schon bei drei Bällen genervt.
Wenn es nun um Abschiede geht: Wenn Sie zurückblicken, was ist das Wichtigste im Leben?
Maag und Weilenmann: Die Familie und etwas zu finden, was man mit Leidenschaft tut.