Enthauptungsmaschinen kannte man in Europa seit dem 12. Jahrhundert, aber erst im Lauf der französischen Revolution wurden sie zum «Rasiermesser der Nation». Charles Henri Sanson, der Henker von Paris, hatte dem Parlament erläutert, was bei Hinrichtungen mit dem Schwert oder durch Erhängen alles schiefgehen konnte. Der Abgeordnete Dr. Joseph-Ignace Guillotin vertrat darauf die Meinung, dass die Hinrichtungsart «humaner» und standesunabhängig sein müsse.
Gemeinsam mit dem Henker präsentierte er Dr. Louis, dem Leibarzt von König Louis XVI., einen Entwurf. Der handwerklich begabte König, der gerne Türschlösser konstruierte, empfahl anstelle einer waagrechten Klinge eine abgeschrägte. Wer sollte den Prototyp bauen? Der Henker schlug den deutschen Klavierbauer Tobias Schmidt vor, mit dem er jeweils sonntags nach der Messe musizierte.
Das Volk wollte den Galgen zurück
Der Strassenräuber Nicolas Pelletier war der Erste, der «in den Sack spuckte». Sein Kopf fiel in den Weidekorb. Viel zu schnell, befanden die Zuschauer und skandierten «Gebt uns unseren Galgen zurück!»
Doch aus Gründen der Effizienz behielt man die Guillotine bei, ca. 3000 Menschen wurden während der Revolution enthauptet. Menschenmassen säumten den Hinrichtungsplatz, Balkone wurden für teures Geld vermietet, fliegende Händler sorgten für Speis und Trank, und in den umliegenden Tavernen stellte man Spielzeugguillotinen auf die Tische, damit die Gäste ihre Rüebli «enthaupten» konnten. Auf den Speisekarten hatte man links das Menü und rechts die Namen und Delikte der Verurteilten.
Kopflos zum letzten Mal 1940
Die Medien nannten die Guillotine «Louisette», doch Dr. Louis protestierte, und so gab man den Schwarzen Peter an Dr. Guillotine weiter. Er war auch nicht begeistert. Seine Nachkommen noch weniger, und da die Guillotine nun mal Guillotine hiess, setzten sie vor Gericht wenigstens die Änderung ihres Nachnamens durch.
In der Schweiz durften die Verurteilten ab 1835 entscheiden, ob sie durch das Schwert enthauptet oder lieber von der «Kürzermacherin» (Raccourcisseuse) hingerichtet werden wollten. Zum letzten Mal kam das Blutgerüst im Oktober 1940 in Sarnen zum Einsatz. Originalteile kann man in Sissach BL besichtigen, dem einzigen Henkermuseum der Schweiz.
Claude Cueni (62) ist Schriftsteller und lebt in Basel. Soeben ist sein neuer Roman «Der Mann, der Glück brachte» erschienen. Cueni schreibt alle zwei Wochen im BLICK.