Sie sind eine der berühmtesten Nasen der Welt, haben über 100 erfolgreiche Parfüms komponiert. Was hat Sie dazu bewogen, Parfümeur zu werden?
Alberto Morillas: Als Kunststudent an der École des Beaux-Arts in Genf blätterte ich in den Pausen oft in der «Vogue». Da las ich einmal ein Interview mit dem legendären Parfümeur Jean-Paul Guerlain. Darin erzählte er, wie er sein erstes Parfüm kreiert hat, den Männerduft Vetiver. Das war für mich wie eine Offenbarung. Von dem Moment an wollte ich Parfümeur werden.
Wie alt waren Sie damals?
20. Meiner Intuition folgend bewarb ich mich auf gut Glück bei dem Aromen- und DuftstoffHersteller Firmenich hier in Genf.
Einfach so?
Ja. Und ich bekam den Job. Damals arbeiteten im Labor nur Wissenschaftler. Die meisten Parfümeure waren Chemiker. Der Einzige ohne jegliche Vorkenntnisse war ich. Aber ich sprühte vor Begeisterung, war jung und voller Ideen. Das gefiel ihnen. Und so halfen sie mir, alles zu erlernen, was zur Handwerkskunst eines Parfümeurs gehört.
Zum Beispiel?
Die Herstellung von Duftessenzen aus Blüten, Blättern und anderen Pflanzenextrakten. Aus den Blüten des Orangenbaums gewinnt man Neroliöl, aus seinen Blättern und Zweigen Petigrainöl und aus den Fruchtschalen Orangenöl.
Und …
Ich verschlang alle Bücher, die ich über Parfüms finden konnte, roch an Hunderten von Duftstoffen, lernte, die Gerüche zu beschreiben und schliesslich Düfte zu komponieren.
Wann haben Sie Ihr erstes Parfüm kreiert?
Drei Jahre später. Nur für mich. Im Geheimen. Um einen Duft zu komponieren, muss man gar nicht viel über chemische Formeln wissen. Wichtig sind eine gute Nase, Fantasie und eine starke Intuition. Nur so findet man auch seinen eigenen Stil.
Wie beschreiben Sie Ihren Stil?
Ich will mit meinen Parfüms Menschen glücklich machen. Meine Duftsprache ist natürlich, frisch, lebendig und fröhlich.
Ihr erster Erfolg war CK One.
Ja. Als ich CK One Anfang der Neunzigerjahre für Calvin Klein schuf, dachte ich an den Geruch eines Eau de Cologne, wie ich es aus Andalusien kenne. Ein klarer, frischer Zitrusduft. Ich wusste, dass die Amerikaner auf holzige und würzige Parfüms stehen. Doch ich wollte etwas Neues schaffen. Einen Unisex-Duft. Es ist mir gelungen.
Wie komponieren Sie ein Parfüm?
Wie ein Komponist aus Noten ein Musikstück komponiert, komponiere ich aus Duftnoten ein Parfüm. In meinem Labor habe ich eine Duftorgel mit Tausenden Ingredienzen.
Wie lange dauert es, bis ein Parfüm vollendet ist?
Mindestens zwei Jahre. Ein Parfüm kann aus bis zu 300 verschiedenen natürlichen und synthetischen Duftelementen bestehen.
Was bedeuten Düfte für Sie?
Düfte sind sinnliche Botschafter. Ihre Noten beflügeln, erzeugen Stimmungen, wecken Träume, lösen Sehnsüchte aus, erinnern an besondere Augenblicke und rufen Gefühle hervor – die schönen wie die traurigen.
Sie komponieren ständig neue Parfüms für Marken wie Bvlgari, Armani, Kenzo, Marc Jacobs, Valentino und Nina Ricci. Lässt man Ihnen dabei freie Hand oder bekommen Sie ein Konzept?
Wenn ich von Armani oder Bvlgari einen Auftrag für ein neues Parfüm bekomme, gehört dazu immer eine vorgegebene Duftgeschichte. Sie beinhaltet, welche Botschaft das Parfüm in die Welt hinaustragen soll und welcher Typ Frau oder Mann damit angesprochen werden soll.
Wie war das bei Omnia Coral, Ihrem neuen Damenduft für Bvlgari?
Omnia Coral sollte das mediterrane Lebensgefühl verkörpern, sehr fruchtig, fröhlich und langanhaltend sein, jung und modern wirken, aber trotzdem feminin und elegant bleiben.
Was inspiriert Sie?
Der Duft eines jungen Morgens, der Geruch der Frau, die ich liebe, Kunstbücher, die Natur und mein Garten.
Welche Parfüms überdauern alle Trends?
Düfte wie Eau Sauvage von Dior, Angel von Thierry Mugler, Opium von Yves Saint Laurent oder L’ Air du Temps von Nina Ricci, die einen unverkennbaren Duftcharakter haben. An sie erinnert man sich sofort, wenn man sie riecht. Gute Parfüms altern nicht, auch nicht nach 90 Jahren. Chanel N° 5 ist der beste Beweis dafür.
Was sind Ihre neusten Duftschöpfungen?
Zum Beispiel Omnia Coral von Bvlgari, Mademoiselle Ricci, Acqua di Gio Essenza for Men. Gerade arbeite ich an zwei neuen Herrendüften, einen für Zegna und einen für Ferragamo. Beide kommen 2013 auf den Markt. Mehr darf ich nicht verraten.
Ist es schwerer, für Männer Düfte zu komponieren oder für Frauen?
Männer sind unkompliziert. Sie wollen frisch, gut, natürlich und sauber riechen. Bei einer Frau hingegen soll es sexy sein, aber nicht aufdringlich. Sie will verführerisch wirken, aber nicht vulgär. Elegant, aber nicht langweilig. Einzigartig, aber nicht übertrieben.
Kann ein Parfüm einer Frau Sexappeal verleihen?
Ein Duft kann den Sexappeal einer Frau nur verstärken. Kein Parfüm macht eine Frau sexy, die es nicht ist.
An welchen Körperstellen riecht ein Parfüm am besten?
Dort, wo die Haut zart und gut durchblutet ist. Bei Frauen direkt hinter den Ohren. Das ist sehr erotisch, wenn man sie küsst. Männern rate ich, den Duft nicht ins Gesicht zu sprühen, sondern auf die Brust. Ein Spritzer! Durch die Körperwärme kann sich der Duft wunderbar entfalten, ohne aufdringlich zu wirken.
Welchen Fehler darf ein Mann niemals machen?
Seiner Frau ein Parfüm schenken, das er an einer anderen Frau geliebt hat.