Zwischen dem Schaffen der Künstlerinnen Berthe Morisot (1841-1895) und Cindy Sherman (*1953) liegen Welten. Auf den ersten Blick zumindest. Und doch gibt es Gemeinsamkeiten: Beide Künstlerinnen verstehen die Porträts als Teil einer Inszenierung - die des Alltags bei der Impressionistin Morisot, die einer provokant-theatralischen Satire bei der Fotokünstlerin Sherman.
Das Stichwort Inszenierung könnte für alle neun präsenten Künstlerinnen gelten, die alle einen Raum und so gewissermassen auch eine kleine Ausstellung für sich haben. Bei Frida Kahlos (1907-1954) surrealistischen Spiel mit ihren Selbstporträts versteht sich das von selbst, ebenso bei den Darstellungen explizit starker und emanzipierter Frauenfiguren durch Lotte Laserstein (1898-1993).
Die Ausstellung versteht sich nicht explizit als kunsthistorische Abhandlung der Porträtkunst der Moderne bis zur Gegenwart. Auch nicht ausdrücklich als emanzipatorischer Akt für Künstlerinnen. Theodora Vischer, Kuratorin der Ausstellung, bemerkte am Freitag an der Medienpräsentation von «Close-up» mit einem vieldeutigen Lächeln: «Wir zeigen primär gute Kunst, und für einmal sind die Frauen halt ganz einfach unter sich.»
Die Künstlerinnen - neben den bereits genannten sind dies Mary Cassatt, Paula Modersohn-Becker, Alice Neel, Marlene Dumas und Elizabeth Peyton - sind allesamt herausragende Vertreterinnen von zum Teil höchst unterschiedlichen Perspektiven der Porträtkunst der Moderne. Sie reichen vom Impressionismus über die verschiedenen Facetten der Klassischen Moderne und der jeweiligen Avantgarde bis zur neuen figurativen Malerei der Gegenwart.
Aber natürlich kommt die Ausstellung nicht ohne Verweise auf die nicht immer einfache Emanzipation von Frauen in der Kunst aus. Gute Kunst ist spätestens seit den 1990er-Jahren keine oder kaum eine Geschlechterfrage mehr. Die Gegenwartskünstlerinnen Dumas, Sherman und Peyton mussten sich nicht gross gegen männliche Kollegen durchboxen. Und auch die Künstlerinnen des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gehören heute zu den hoch gehandelten Positionen im Kunstkanon.
Das war zu deren Lebzeiten noch anders. Frauen erhielten erst mit der beginnenden Moderne um 1870 herum überhaupt die Möglichkeit, professionell künstlerisch tätig zu sein. Zuvor war ihnen die Ausbildung an Kunstakademien zumeist verwehrt, Malerei gehörte bloss zum Bildungsprogramm von Mädchen aus gutem Hause.
In der Ausstellung weist in einer Art Prolog ein 1881 entstandenes Gemälde der russischen Künstlerin Marie Bashkirtseff (1858-1884) auf diesen Umstand hin: Es zeigt eine Szene aus der Damenklasse in der Pariser Académie Julian: eine dichtgedrängte Gruppe von Frauen, die einen nackten Knaben porträtieren.
Die Ausstellung «Close-up» in der Fondation Beyeler dauert noch bis zum 2. Januar 2022.
(SDA)