Balthus, mit vollem Namen Balthasar Klossowski de Rola, lebte von 1908 bis 2001. Sein malerisches Oeuvre umfasst gerade mal 350 Werke. In Kunstkreisen hoch geschätzt, ist sein Werk einem breiteren Publikum indes wenig bekannt, wie Sam Keller, Direktor der Fondation Beyeler, bei der Präsentation der Ausstellung am Freitag sagte.
Ausserhalb Frankreichs oder der USA würden seine Bilder kaum gezeigt. Und auch in der deutschsprachigen Schweiz ist die jetzige Ausstellung bei Beyeler in Riehen BS die erste umfassende Würdigung eines Museums, wiewohl Balthus eine enge Beziehung zur Schweiz hatte und viele Jahre hier lebte.
Geboren wurde Balthus am Schalttag des Jahres 1908 in einer künstlerisch geprägten Familie in Paris: Sein Vater war Kunsthistoriker, seine Mutter Künstlerin und, nach der Trennung der Eltern, die Geliebte des Schriftstellers Rainer Maria Rilke. Seine Kindheit verbrachte Balthus in Bern, Genf und Beatenberg.
Später heiratete er die Bernerin Antoinette de Watteville. Es folgten Jahre in Frankreich und der Schweiz. In Italien leitete er die Académie de France à Rome in der Villa Medici. Mit seiner zweiten Ehefrau, der Japanerin Setsuko Ideta, zog er schliesslich ins waadtländische Rossinière, wo er bis zu seinem Tod lebte.
Die künstlerische Schaffenszeit von Balthus umfasst fast das ganze 20. Jahrhundert. Sein Werk lag indes quer zu den prägenden Strömungen der Moderne; der Künstler, der nie eine Kunstakademie besucht hatte und mit dem Kopieren alter Meister im Louvre und in Italien begann, verfolgte einen eigenständigen, ja eigenwilligen Weg.
Von den 1920er- bis in die 1990er-Jahre entstanden Porträts, Interieurs, Landschaften und Strassenszenen. Dabei sind die Bilder in eigenartiger Weise verfremdet, wie wenn der Lauf der Zeit für einen Augenblick angehalten worden wäre. Gerade seine Landschaften und Strassenszenen gewinnen so eine aussergewöhnliche Intensität.
Das gilt auch für seine Gemälde junger Mädchen und Frauen, die wegen ihrer erotischen Konnotation gerade in jüngerer Zeit Debatten ausgelöst hatten. So forderte 2017 eine Online-Petition vom Metropolitan Museum of Art in New York, es solle das in einer Ausstellung gezeigte Gemälde «Thérèse rêvant» von 1938 abhängen.
Das Museum lehnte ab, und zu sehen ist das Bild nun auch in der Fondation Beyeler. Die Freiheit der Kunst sei in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft ein hohes Gut, sagte dazu Direktor Sam Keller: Das Publikum solle sich selber ein Bild machen können, und Museen seien so auch ein «Schutzraum der Kunst».
Im Ausstellungscommuniqué verweist die Fondation zudem darauf, dass Kunst jenseits des Guten und Schönen stets auch abgründige, unkonventionelle, irritierende und provokative Aspekte beinhalte, die ebenso zur Fantasie des Menschen und zur Wahrheit menschlichen Daseins gehörten. In diesem Sinne solle auch die Balthus-Schau zur Debatte anregen.
Die im Beisein von Balthus' Witwe Setsuko Klossowska de Rola präsentierte und von Raphael Bouvier sowie Michiko Kono kuratierte Ausstellung wurde um das monumentale Gemälde «Le Passage du Commerce-Saint-André» herum aufgebaut. Das Werk ist 1952 bis 1954 entstanden hängt seit Jahren als Dauerleihgabe in der Fondation.
Zu sehen sind daneben Werke wie «La Rue», eine Pariser Strassenszene von 1933, von 1937 «Les Enfants Blanchard», das später Picasso erworben hat, und «La Jupe blanche», ein Porträt der ersten Ehefrau des Künstlers, wunderbare Landschaftsbilder aus den 1940er- bis 1960er-Jahren und mehr. «Le Chat au miroir III» von 1989 bis 1994 markiert den Abschluss.
Mit dabei sind viele Leihgaben aus Museen in Europa und Übersee sowie aus Privatsammlungen. Realisiert worden ist die Schau mit Unterstützung der Familie des Künstlers und in Kooperation mit dem Museo Nacional Thyssen-Bornemisza in Madrid, wo sie 2019 zu sehen sein wird. Zur Ausstellung, die vom 2. September bis Neujahr dauert, gibts einen Katalog.
www.fondationbeyeler.ch