«Aufgeben oder abreisen war nie ein Thema»
So erleben Schweizer Auswanderer die Corona-Krise

Nicht alle Schweizer, die jetzt noch im Ausland sind, möchten zurück in die Schweiz. Viele haben sich anderswo eine neue Heimat aufgebaut. BLICK hat bei Schweizer Auswanderer nachgefragt, wie sie die Corona-Krise erleben.
Publiziert: 28.03.2020 um 10:49 Uhr
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Aktualisiert: 23.10.2020 um 16:49 Uhr
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Die Schweizer Auswanderin Daniela Erb (49) und ihr Partner Denchai Manmor.
Foto: zVg
Corine Turrini Flury

Es leben so viele Schweizerinnen und Schweizer im Ausland wie nie zuvor. Laut Bundesamt für Statistik gibt es rund 760'000 Schweizer Auswanderer. Zusammen würden sie damit den viertgrössten Kanton der Schweiz bilden. BLICK hat einige von Ihnen vorgestellt.

Mit dem Coronavirus hat sich aber auch für die Schweizerinnen und Schweizer, die sich fern der Heimat ein neues Leben aufgebaut haben, einiges geändert.

«Aus Thailand abreisen war nie ein Thema»

Bei Daniela Erb (41) macht sich zurzeit Erschöpfung und Niedergeschlagenheit breit: «Ich habe kein Coronavirus, aber ich war beim Arzt und nehme wegen einer bakteriellen Infektion Antibiotika. Momentan herrscht Chaos pur hier.» Die erste Hochsaison seit ihrer Eröffnung der Bungalows auf Koh Lanta lief sehr gut. Seit rund zwei Wochen gibt es aber auch in Thailand immer mehr Coronavirus-Fälle – und damit auch Stornierungen und vorzeitige Abreisen von Gästen aus den Enda Lanta Bungalows von Erb und ihrem thailändischen Lebenspartner Denchai Manmor.

«Seither bin ich hier Reiseberaterin, Krankenschwester und Hotelier», sagt Erb. Sie misst seit zwei Wochen neu angereisten Gästen auf Anraten ihrer Anwältin täglich Fieber, hilft bei Flugumbuchungen und kümmert sich um die verbliebenen Gäste in drei Bungalows. «Die Holländer sollten, wenn dieses Mal alles mit dem Flug klappt, Ende Monat nach Hause fliegen. Eine Auslandsschweizerin mit Wohnsitz in der Dominikanischen Republik, wird bei uns bleiben, weil sie in der Schweiz keinen Wohnsitz hat. Und unsere französischen Gäste werden ebenfalls bis voraussichtlich Ende April noch hier sein.»

Ab dann wird die Schweizerin von ihren Ersparnissen leben müssen und hofft darauf, dass sich bis zur Hochsaison im November die Situation wieder verbessert. «Das macht mir mehr Sorgen als meine Gesundheit. Aufgeben oder abreisen war aber nie ein Thema», sagt Erb. Sie und ihr Lebenspartner halten sich konsequent an die Hygiene- und Verhaltensempfehlungen. Frühstück bieten die beiden in den Bungalows nicht mehr an: «Restaurants und Bars sind geschlossen. Viele Restaurants bieten aber Lieferdienste an, es gibt Take-aways und die Gäste können auch selber kochen.»

Hamsterkäufe kommen laut Erb bis jetzt in Thailand eher selten vor. Schwieriger sei es an verifizierte Informationen über die aktuelle Situation zu kommen. Die Schweizerin informiert sich über die offiziellen Stellen von Thailand, sowie über die Schweizer Botschafterin und verfolgt die Medienkonferenzen in der Schweiz. Bis jetzt gebe es offiziell auf Koh Lanta keinen Coronafall, aber gerüchteweise sei die Rede davon. «Wenn es aber Erkrankte geben würde, werden sie sowieso auf dem Festland behandelt und die medizinische Versorgung ist dort gut», meint Erb.

Koh Lanta war bis jetzt noch kein Hotspot für Touristen und jetzt ist es noch ruhiger. An den einsamen Stränden verweilen nur noch vereinzelt Touristen. «Abstand halten ist hier kein Problem. Wir hoffen es kommen bald wieder bessere Zeiten.»

«Wir leben hier auf Mallorca immer noch besser als in der Schweiz»

«Am schlimmsten ist die Situation in Madrid. Dieses Jahr wurden in ganz Spanien sogar die Osterprozessionen abgesagt, was für viele Spanier eine Katastrophe bedeutet», sagt Rentner Werner Bieinisowitsch (74). Mit seiner Ehefrau und dem 17-jährigen Sohn Noam lebt er seit dreizehn Jahren auf Mallorca, in einem Aussenbezirk von Palma.

Auch auf der spanischen Insel herrscht wegen des Coronavirus ein Ausgehverbot und das wird streng kontrolliert. Die Strassen sind leer, Schulen, Restaurants, Bars und der Strand sind geschlossen. «Es darf nur noch eine Person pro Haushalt aus dem Haus zum Einkaufen. Ein Bekannter, der mit seiner Frau zum Einkaufen fuhr, bekam eine Busse von 500 Euro», erzählt der Schweizer.

Bieinisowitsch gehört gleich doppelt zur Risikogruppe: «Ich bin 74 Jahre und habe Altersdiabetes.» Morgens und mittags macht der Schweizer aber trotzdem einen kurzen Spaziergang mit dem Hund. Und zweimal unter der Woche fährt er noch immer zum Einkaufen. «Am Samstag stehen die Leute Schlange. Da gehe ich nicht einkaufen.

Ich bin aber ein leidenschaftlicher Koch und daher etwas pingelig, warum ich selber einkaufen will», gesteht Bieinisowitsch. Personen über 65 müssten seit kurzem auch nicht mehr in der Schlange stehen, sondern dürften separat eingelassen werden, wie der Schweizer berichtet. In einigen Geschäften würden Einkaufswagen sogar desinfiziert.

Ansonsten bleibt Bieinisowitsch zusammen mit seiner Ehefrau und dem Sohn in seinem Haus und im Garten. «Ich koche und backe viel, wir schauen gemeinsam fern oder ich mache Spiele auf dem Tablet. Wir müssen uns einfach an die Vorschriften halten und ich kann mich gut anpassen», sagt der Schweizer. Besorgt um seine Gesundheit ist Bieinisowitsch nicht.

Trotz Krise sieht der 74-Jährige für sich und seine Familie keinen Grund, seine Zelte in Spanien abzubrechen: «Ich habe eine kleine Rente hier, bin allgemein versichert und muss in Spanien auch keine Krankenkasse bezahlen. Wir leben hier immer noch besser als in der Schweiz.»

Bodenmanns in Mexiko haben Sicherheit dank angesparten Reserven

Wenig besorgt sind auch Manuela (49) und René (57) Bodenmann in Mexiko. An der südlichen Pazifiküste in Puerto Escondido, wo die beiden ihr Hotel haben, ist von der Corona-Krise noch nicht viel zu spüren. Manuela Bodenmann sagt: «So vielseitig wie das Land ist, so unterschiedlich sind auch aktuell die Restriktionen. Mancherorts sind Strände beispielsweise geschlossen.» Seit dieser Woche ruht der Hotelbetrieb des Schweizer Paars.

«Wir haben schon die ganze Woche geschlossen und erledigen einige Renovationen. Das war aber geplant, weil nach Ostern die Hauptsaison hier vorbei ist und wir drei Monate Ferien geplant haben. Mit dem Coronavirus hat das nichts zu tun», erklärt die 49-Jährige.

Sie wollten eine Reise mit dem Wohnwagen in die USA machen und von dort aus ein Besuch bei Verwandten in der Schweiz. Daraus wird bis auf Weiteres aber wegen der Corona-Krise nichts. Die Grenzen sind zu. Für Bodenmanns ist das kein Problem: «Jetzt haben wir unseren Pool mal fast für uns allein», sagt die Ehefrau.

Einzig ein Paar aus der Schweiz, das auf Weltreise ist, bewohnt zurzeit ein Appartement auf dem Areal und bleibt vorläufig da. «Jassen zu viert geht natürlich nicht. Wir halten Abstand und halten auch sonst alle Empfehlungen und Hygienevorschriften ein», erklärt die Hotelbesitzerin.

Bodenmanns gehören nicht zu einer Risikogruppe und machen sich darum keine Sorgen um ihre Gesundheit. Eine Reinigungsfrau haben sie aber vorsichtshalber nach Hause geschickt, weil sie mit ihrem Vater zusammenlebt und dieser zur Risikogruppe zählt. «Wir bezahlen ihr aber den Lohn weiter», sagt René Bodenmann.

Denn die Mexikaner seien eher besorgt wegen ihrer Existenzen als wegen der Krankheit, erklärt das Paar. «Hier gibt es nicht einfach Arbeitslosengeld, wenn es keine Jobs mehr gibt», so die Ehefrau. Sollte sich die Situation drastisch verschlimmern, sind Bodenmanns eher besorgt, dass es im Land zu Plünderungen kommen könnte. Bars und Restaurants sind in Mexiko bis jetzt aber noch offen und auch am Strand sind noch immer Menschen.

Den Medienkonsum haben Bodenmanns bewusst reduziert. Das Ehepaar will sich nicht in Panik versetzen lassen: «Wir verfolgen aber die Situation und haben immer Kontakt mit unseren Verwandten in der Schweiz. Allen geht es gut und wir müssen uns keine Sorgen um sie machen», sagt Manuela Bodenmann.

Auch wirtschaftlich müssen sich Bodenmanns in nächster Zeit keine Sorgen machen: «Unser Hotel lief von Anfang an gut und wir haben immer etwas Geld als Reserve auf die Seite gelegt, damit wir auch eine Zeit lang ohne Einnahmen über die Runden kommen können. Da sind wir typisch schweizerisch», sagt die Ehefrau. Ein Vorteil sei auch, dass sie tiefe Fixkosten haben, weil das Haus ihnen gehört.

Bodenmanns wollen abwarten, wie sich die Corona-Situation weiterentwickelt. Vielleicht reisen sie dann doch noch in die Schweiz – aber nur zu Besuch. Eine Rückkehr ist für das Paar kein Thema. Manuela Bodenmann: «Wir haben unseren Lebensmittelpunkt in Mexiko und fühlen uns hier wohl.»

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